ESG-Professor Christian Klein „Ich erwarte hier einen Riesen-Hype bei Privatkunden“

DAS INVESTMENT: Ab dem 2. August sollen Versicherungsvermittler die Privatkunden auch zu ihren Nachhaltigkeitspräferenzen befragen. Welche Folgen erwarten Sie in der Beraterpraxis?
Christian Klein: Die Gespräche werden komplex. Denn das Hauptproblem beim Kundengespräch über das Thema Nachhaltigkeit ist, dass es so viele unterschiedliche Schattierungen von Nachhaltigkeit gibt. Zunächst muss also erst einmal die Frage geklärt werden, was überhaupt eine nachhaltige Geldanlage ist. Nehmen wir zum Beispiel ein Investment in Tesla, deren Elektroautos zwar den CO2-Ausstoß auf den Straßen vermindern helfen können. Doch auf der anderen Seite verursacht die Produktion der dafür notwendigen Batterien einen hohen CO2-Ausstoß. Und welchen Effekt auf das jeweilige Unternehmen hat es überhaupt, wenn ein Kleinanleger oder Fondsmanager eine bereits emittierte Aktie am Zeitmarkt ankauft?
DAS INVESTMENT: Wie lautet also Ihre Definition für eine nachhaltige Geldanlage?
Christian Klein: Grundsätzlich geht es darum, die Kapitalmärkte dafür zu nutzen, schädliches Verhalten von Unternehmen oder auch Staaten zu vermeiden. Ich komme aber aus einer Gruppe, die immer schon eine sehr enge Definition von Nachhaltigkeit befürwortet hat. Somit wünsche ich mir auch sehr klare Grenzen, um sogenanntes Greenwashing zu verhindern. Das ist auch im Sinne der Finanzbranche, wie der Verlust von mehr als einer Milliarde Euro Börsenwert bei der DWS zeigt. Die Fondsgesellschaft soll ihr Engagement in nachhaltigen Investments laut Vorwürfen der früheren Chefin der Abteilung für Nachhaltigkeit übertrieben dargestellt haben. Konkret halte ich daher nur so genanntes Impact Investing, bei dem die Anleger Einfluss auf die Unternehmen ausüben, für wirklich nachhaltig. Das Problem ist aber, dass auch diese Praxis engagierter Großanleger nicht klar definiert ist. Und aktuell ist noch fraglich, ob Impact Investing überhaupt ein Retail-Thema ist.
DAS INVESTMENT: Was denken Sie selbst über diese besonders engagierte Form der nachhaltigen Geldanalage mit der Absicht, neben einer positiven Rendite auch einen positiven Effekt für die Natur, die Gesellschaft oder die Geschäftspolitik zu bewirken? Ist Impact Investing ein Thema für den Retail-Markt, also das standardisierte Geschäft mit Privatkunden?
Christian Klein: Aber ja, denn seit etwa drei Jahren ist hier ein enormer Zuwachs zu verzeichnen. Und für die nahe Zukunft erwarte ich einen Riesen-Hype. Wichtig ist auch hierfür, dass Vermittler ab dem 2. August Endkunden auch zu ihren Nachhaltigkeitspräferenzen befragen müssen. Denn in diesem Zuge werden sie ihre Kunden über die unterschiedlichen Anlagekonzepte aufklären. Bereits in drei Jahren könnte Impact Investing daher völlig selbstverständlich sein. Doch dafür müssen viele Finanzberater zunächst noch ihren hohen Nachholbedarf an Weiterbildung zu nachhaltigen Geldanlagen decken. Das Problem besteht aber auch bei vielen Verbrauchern. Sie wollen mit ihrem Ersparten sowohl Geld verdienen als auch die Welt retten.
DAS INVESTMENT: Inwiefern ist das ein Problem?
Christian Klein: Es ist nicht die Aufgabe der Versicherer und Investmentgesellschaften, die Welt zu retten. Sie haben stattdessen die Aufgabe, ihren Kunden Produkte mit einem jeweils angemessenen Verhältnis von Renditechance und Verlustrisiko anzubieten. Das gilt genauso auch für die sogenannten ESG-Investments, bei denen die Portfolioverwalter auch die Nachhaltigkeitskriterien Environment, Social, Governance, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, beachten. Bei ihnen zeigte sich in der Vergangenheit übrigens, dass sie ein mindestens genauso gutes Rendite-Risiko-Verhältnis aufwiesen wie der Gesamtmarkt. Damit erwiesen sie sich für den Investoren als gute Geldanlage. Die Welt retten, das müssen aber auch weiterhin Andere.
Über den Interviewten:
Christian Klein ist Professor für Sustainable Finance an der Universität Kassel. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem in der Messung des Beitrags, den nachhaltige Anlageprodukte zur Erreichung der Sustainable Development Goals leisten können und in der zugrundliegenden Motivation von Investoren mit nachhaltigem Ansatz. Er ist Mitbegründer der Wissenschaftsplattform Sustainable Finance Deutschland und arbeitete dem Sustainable Finance Beirat der Bundesregierung zu. Seit dem vorigen Jahr führt Klein den Nachhaltigkeitsbeirat der Bayer AG und ist zudem in mehreren wissenschaftlichen Beiräten verschiedener Sustainable-Finance-Organisationen aktiv.