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Interview mit dem Acatis-Chef Hendrik Leber: „Die alten Investmentrezepte gelten nicht mehr“

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Das klingt sehr schnelllebig. Widerspricht das nicht einer der Grundideen des Value-Investierens?

Leber: Das ist die Welt, in der ich lebe! Ich muss akzeptieren, dass Firmen nicht mehr so lange leben wie früher. Die Erntephase, also die Phase, in der eine Firma in der Reife ist und Geld produziert, bis sie langsam in den Rückgang eintritt, hat sich verkürzt. Die alten Rezepte gelten nicht mehr so wie früher. Ich glaube, die Welt hat sich wirklich verändert. Was wir jetzt an Dynamik haben, hat es so in der Menschheitsgeschichte noch nicht gegeben.

Sie sagen „Die Welt hat sich verändert“. Bei vielen Kapitalmarktkennern schrillen da alle Alarmglocken: Es heißt, dass ein Satz wie „Diesmal ist alles anders“ oft in einer Kapitalmarktblase fällt. Denken Sie auch darüber nach, dass Sie sich verrannt haben könnten?

Leber: Ja, durchaus. Die Frage ist: Fühle ich mich wie in der Internetblase von 1997/98? Nach dem Motto: Man kann auf alles setzen, es läuft immer gut. Damals hat es dann noch einige Jahre gedauert, bis vieles in sich zusammenfiel. Die wichtige Beobachtung von damals ist: Die Grundtrends sind genauso gekommen. Viele Firmen haben verloren, wenige gewonnen. Wer damals die richtige Wahl getroffen hat, hat ein gutes Geschäft gemacht. Wer auf die zweite Wahl gesetzt hat, hat verloren. Aber dass etwas Gigantisches auf uns zukommt – das hat sich als richtig erwiesen.

Damals drängten sehr viele Unternehmen auf den Markt, die sich das Internet zunutze machen wollten.

Leber: Es ging sehr viel ums Internet, aber auch um Biotech. Heute sind die Themenfelder breiter gestreut. Ein anderer Unterschied zu damals: Heute sind nicht alle Aktien teuer. Es sind durchaus einige zu moderaten Preisen erhältlich.

Sie sagten, dass zum Beispiel Süßgetränke nicht mehr so gefragt sind und der Coca-Cola-Konzern darunter leiden könnte. Viele traditionsreiche Firmen reagieren auch auf Veränderungen und stellen ihr Geschäftsmodell um. Coca Cola sichert sich weltweit Wasserreserven.

Leber: Aber dann ist der Sinn der Marke nicht mehr da. Das ist es doch, wofür ich Prämien zahle. Einige große Wassermarken gehören jetzt zu Coca Cola. Das ist schön, aber die Strahlkraft der Flasche ist bei Mineralwasser nicht mehr so groß. Es ist eine gute Firma, sie wird nicht untergehen. Aber es stecken nicht mehr die großen Fantasien darin. Die Märkte sind gesättigt, die Leute wollen auch gesünder leben. Das Gleiche gilt für McDonald‘s oder Kentucky Fried Chicken. Stattdessen gibt es jetzt Dean & David. Gestern waren sie noch nicht da, heute sind sie da, und morgen sind sie vielleicht sehr, sehr groß. Es geht viel schneller als früher.

Ist Warren Buffett, die internationale Ikone des Value-Investing, immer noch Ihr Vorbild, oder würden Sie seinen Ansatz heute kritisieren?

Leber: Buffett hat selbst eingeräumt, dass er Chancen verpasst hat. Aber er ist genial. Er ist 87 Jahre alt. Ich kann ihm nicht vorwerfen, dass er nicht auch den allerletzten Trend mitbekommt und dass er nicht zehn Jahre in die Zukunft plant. Er setzt auf einige Themen, die sehr zukunftsweisend sind. Andererseits: Einige neue Entwicklungen hat er direkt vor sich gesehen, hat mit den richtigen Leuten gesprochen – und hat nichts getan und damit auf viel Gewinn verzichtet. Diese Entschuldigung gebe ich mir nicht: Dass ich etwas sehe und verpasse, weil ich vor mich hinträume.

 

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