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Interview mit Gerit Heinz „2016 wird anspruchsvoll“

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Ist Ihres Erachtens der Boden bei den Ölpreisen erreicht?

Heinz: Es gibt ein sehr hohes Überangebot bei der Ölförderung und hohe Lagerbestände, die erst einmal abgebaut werden müssen, um einen Preisanstieg zu bewirken. In den nächsten Monaten kann der Ölpreis noch stark schwanken und vielleicht auch noch ein Stück fallen. Auf Sicht von zwölf Monaten rechnen wir aber mit steigenden Ölpreisen, durchaus mit 60 Dollar pro Fass. Denn wir erwarten, dass die Bestände zum Teil abgebaut werden und das Angebot der Nicht-Opec-Staaten sinkt. Viele Unternehmen, gerade aus Nordamerika, können auf dem aktuellen Preisniveau nicht mehr wettbewerbsfähig produzieren.

Eng verbunden mit der Inflation ist die Notenbankpolitik.

Heinz: 2016 werden die Zentralbanken im Zweifel auch einen eher zu lockeren Kurs verfolgen. Sie wollen eine Deflation verhindern und die tiefen Inflationsraten wieder etwas nach oben bringen. In den USA und Großbritannien sind die Konjunkturdaten sehr zufriedenstellend. Sie deuten auf ein robustes Wachstum hin, und die Arbeitslosigkeit ist niedrig. Die Notenbanken der beiden Länder werden wohl 2016 eher einen Zinsstraffungskurs verfolgen, aber keine der beiden muss unbedingt handeln, solange die Lohninflation gering ist.

Wie geht es in den USA weiter?

Heinz: Wir rechnen mit einem moderaten, sehr datenabhängigen Zinsanhebungskurs und je einem Zinsschritt von 25 Basispunkten pro Quartal. Zum Jahresende 2016 sehen wir die Fed Funds Rate also bei über 1 Prozent. Wenn aber deflationäre Tendenzen oder eine Abschwächung der US-Konjunktur auftreten sollten, würde die Fed wahrscheinlich auch eine Pause einlegen. Andere Notenbanken wie EZB und Bank of Japan dürften eher expansiv bleiben. Insofern muss man immer auf Überraschungen gefasst sein. Insgesamt ist die Geldpolitik 2016 eher akkomodierend und begünstigt damit risikoreiche Anlagen.

Also Aktien als Nonplusultra?

Heinz: Wir halten es für sinnvoll, weiter in Aktien übergewichtet zu sein. Zwar haben wir schon einen sehr langen Anstieg der Aktienmärkte hinter uns, und der Sommer 2015 hat gezeigt, dass es Erschütterungen geben kann, vor denen wir auch 2016 wohl nicht gefeit sind. Wir haben aber ein solides weltwirtschaftliches Umfeld. Wir rechnen mit einer leichten Beschleunigung des Wachstums, mit robustem Wachstum in den Industriestaaten, aber auch einer gewissen Stabilisierung in den Schwellenländern. Die Konsumausgaben dürften steigen. Wir rechnen auch mit soliden Unternehmensgewinnen, vor allem in der Eurozone. Dort belebt sich die Wirtschaft, unterstützt durch die extrem lockere Geldpolitik. Die Kreditvergabe im Euroraum zieht wieder an.

Sind Aktien nicht schon zu teuer?

Heinz: Die Bewertungen sind im langfristigen Durchschnitt etwas teuer, aber nicht überzogen. Sie sind weitaus günstiger als etwa im Jahr 2000. Wir erwarten für 2016 ein Ertragspotenzial an den Aktienmärkten von rund 7 Prozent, unterstützt von einem moderat beschleunigten globalen Wachstum, steigenden Unternehmensgewinnen, soliden Unternehmensbilanzen und einer lockeren Notenbankpolitik. Wir bevorzugen Aktien aus der Eurozone und Japan: die Regionen mit der expansivsten Geldpolitik.

Wird eine bestimmte Art von Aktien profitieren?

Heinz: In der gegenwärtigen Phase des Konjunkturzyklus dürften Substanzwerte in der Eurozone tendenziell eine Outperformance erzielen. Er gibt eine starke Korrelation zwischen der Outperformance von Substanzwerten und Anleiherenditen, und die dürften wahrscheinlich etwas nach oben gehen.

Welche Sektoren sehen Sie in den kommenden Monaten vorn?

Heinz: Global gewichten wir Gesundheitswesen, Technologie und Energie über. Im Energiesektor sind die Bewertungen nach der Underperformance mittlerweile wieder attraktiv. Der Gesundheitsbereich überzeugt mit guten Kapitalrenditen, soliden Bilanzen und einem stabilen Gewinnwachstum. Bei Technologieaktien finden wir die Bewertung und die Cashflow-Generierung interessant. Zwar gibt es einen kleinen Aufschlag zum breiten Markt, die langfristigen Wachstumstrends sind aber intakt. Die Endnachfrage vor allem in den USA und Europa ist robust, der Sektor sollte ein überdurchschnittliches Dividendenwachstum liefern.