Interview mit Thomas Kruse, Amundi „Wir nutzen in allen unseren Fonds Hedging-Strategien“
Herr Kruse, vom Thema „Hedging“ hört man meist in Zusammenhang mit Hedgefonds. Sie gelten als ebenso profitable wie riskante Investmentvehikel. Gilt das auch für das Hedging in Relative-Value-Strategien?
Thomas Kruse: Nein, das ist etwas komplett anderes. Relative-Value-Fonds sind keine Hedgefonds. Bei Relative-Value-Strategien geht es darum, dass die Entwicklung zweier oder mehrerer Werte gegenübergestellt wird und der Investor von der Differenz bei der Entwicklung dieser Werte profitiert. Grundlage hierfür ist, dass die Differenz auf falschen Bewertungen, auf einem Ungleichgewicht, basiert. Und dass der Markt dieses Ungleichgewicht früher oder später wieder ausgleicht. Diese Strategie nutzen wir in allen unseren Fonds, soweit die Fondsstatuten es zulassen. Wir setzen also nicht einfach auf steigende oder fallende Kurse wie bei einer direktionalen Strategie, sondern darauf, dass sich Kurse in der von uns prognostizierten Weise nach oben oder unten entwickeln. Das nennt man eine nicht-direktionale Strategie.
Können Sie uns ein Beispiel nennen?
Das lässt sich sehr gut an dem Verhältnis einer Branche zu einem ganzen Markt erläutern. Nehmen wir an, einige Länder erhöhen die Zölle auf deutsche Autos. Dies kann sich negativ auf die Aktienkurse deutscher Automobilhersteller auswirken. Wir gehen also short auf Automobilwerte und kaufen zudem den Dax. Wenn der Dax um drei Prozent fällt und Automobilwerte um sechs Prozent, machen wir drei Prozent gut.
In welchen Marktlagen und welchen Assetklassen funktionieren Relative-Value-Strategien?
Sie funktionieren sowohl in steigenden als auch in fallenden Märkten. Außerdem können sie sowohl innerhalb einer Assetklasse angewendet werden als auch mit verschiedenen. Innerhalb einer Assetklasse, etwa Aktien, können zum Beispiel unterschiedliche Regionen gegenübergestellt werden wie etwa der Euroraum und die USA. Außerdem gibt es Cross-Asset-Strategien, bei denen auf eine bestimmte Entwicklung verschiedener Assetklassen gesetzt wird, zum Beispiel Aktien und Währungen oder Aktien und Rohstoffe. So können wir im Bereich Multiasset verschiedene Assetklassen mischen, allerdings ist es dann auch wichtig, deren Korrelationen zu beachten. Dabei ist es immer das Ziel, ein asymetrisches Risikoprofil zu erreichen.
Ist die aktuelle Marktsituation gut geeignet für Relative-Value-Strategien?
Ja, auf alle Fälle. Wir befinden uns aktuell in einem späten Stadium des Konjunkturzyklus. Das ist unser Basisszenario. Allzu viel Potenzial trauen wir dem Aktienmarkt nicht mehr zu. Im Moment boomt der amerikanische Aktienmarkt noch, doch der Handelskrieg mit China eskaliert. In Italien herrscht immer noch Unsicherheit. Zudem können wir nicht ausschließen, dass die Löhne in den USA inflationär steigen und im Zuge dessen die Fed die Zinsschraube anzieht. Auch in den Schwellenländern könnten die Zinsen stark steigen. Daher ist es möglich, dass die Kurse von Aktien und Rohstoffen in den kommenden Monaten sinken.
Wie reagieren Sie auf diese Entwicklung?
Wir sind zum Beispiel aktuell long auf italienische Staatsanleihen, weil wir hinsichtlich der derzeitigen italienischen Haushaltsproblematik eher zuversichtlich sind.
Es heißt ja nicht umsonst, „erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.“ Wie reagieren Sie, wenn ein anderes Szenario eintritt als das von Ihnen prognostizierte?
Wir überlegen im Vorfeld, welches Szenario uns am meisten schaden würde. Das sichern wir ab. Das heißt, wir mischen bewusst andere Assetklassen in unser Portfolio. So können wir Draw Downs relativieren. Wir haben eine spezielle Expertise auch im Bereich Commodities. Daher schauen wir uns alles an, Edelmetalle, Industriemetalle, Öl, Erdgas und so weiter.
Wie investieren Sie in Commodities? Sind für Sie auch Minenwerte interessant?
Nein, wir profitieren von Rohstoffen über Derivate, vor allem Futures. Wir bilden Indizes ab und wir kaufen Baskets aus verschiedenen Rohstoffen.
Können Sie diese Strategien in allen Anlagen von Amundi nutzen?
Nein, das geht leider nicht. Obwohl sich die Vorteile von Relative Value am besten ausspielen lassen, wenn man möglichst viele Assetklassen kombiniert, schließen viele institutionelle Kunden in ihren Statuten Derivate aus. Dadurch entgehen ihnen diverse Möglichkeiten, ihr Portfolio zu optimieren.
Soweit nicht anders angegeben, beruhen die hier enthaltenen Ansichten auf Recherchen, Berechnungen und Informationen von Amundi Asset Management und haben den Stand 26.09.2018. Diese Ansichten können sich jederzeit ändern, abhängig von wirtschaftlichen und anderen Rahmenbedingungen. Es gibt keine Gewähr, dass sich Länder, Märkte oder Branchen wie erwartet entwickeln werden. Diese Veröffentlichung ist kein Verkaufsprospekt und stellt kein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Anteilen in Ländern dar, in denen ein solches Angebot nicht rechtmäßig wäre. Außerdem stellt diese Veröffentlichung kein solches Angebot an Personen dar, an die es nach der jeweils anwendbaren Gesetzgebung nicht abgegeben werden darf. Amundi Deutschland GmbH ist ein Unternehmen der Amundi Gruppe.