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in Nachhaltigkeit, ESG & SRILesedauer: 6 Minuten

ESG-Analystin im Interview „Der Begriff Nachhaltigkeit ist beim Bergbau mit Vorsicht zu gebrauchen“

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Welchen Einfluss haben Branchenstandards wie die „LBMA Responsible Gold Guidance“ und die EU-Regulierung zu Konfliktmineralien auf Bergbauunternehmen?

Berlenbach: Integration von mehr Nachhaltigkeit in die Firmenstrategie ist komplex. Industrienormen helfen Unternehmen, weil sie in der Regel von mehreren Interessengruppen entwickelt wurden und damit wertvolle Erkenntnisse liefern. Die Herausforderung besteht darin, dass es sehr viele verschiedene Initiativen gibt. Kritisch ist auch, dass der informelle Bergbau, der umweltschädlich ist und nichts mit den staatlichen, regulierten Bergbauunternehmen zu tun hat, sich Standards und Kontrollen entzieht.

Sie bewerten Bergbauunternehmen anhand von vier Linsen, wie Sie es nennen. Was ist damit gemeint?

Berlenbach: Unsere Aufgabe ist es, Unternehmen zu bewerten, die sich im Wandel befinden. Zu diesem Zweck haben wir ein Tool entwickelt, mit dem wir jedes Unternehmen nach ESG-Gesichtspunkten analysieren. Die vier Linsen – Linse für wirtschaftliche Nachhaltigkeit, Umweltlinse, soziale Linse und Governance-Linse – bilden das Rückgrat unserer Analyse. Wir verwenden diesen Ausdruck, weil wir das Thema mit den Augen der jeweiligen Interessengruppen betrachten und bewerten wollen. Wenn wir auf Themen stoßen, die unsere Bewertungskriterien nicht oder schlecht erfüllen, setzen wir uns mit der Geschäftsleitung in Verbindung und teilen unsere Bedenken auch auf Vorstandsebene mit.

 

Woher stammen Ihre Informationen?

Berlenbach: Wir beziehen unsere Daten aus Unternehmensberichten, von unabhängigen Datenanbietern sowie aus akademischen Studien. Darüber hinaus nutzen wir unsere häufigen Besuche der Minenstandorte, um Informationen zu sammeln. Für unsere Bewertung suchen wir auch gezielt nach Berichten über kontrovers besprochene Themen und Widersprüchlichkeiten – wir nutzen dafür einen Datenanbieter, der täglich 700.000 Quellen durchsucht. Unsere Geologen und Bergbauingenieure kennen die Branche genau und verfügen über ein umfangreiches Netzwerk. Um ein Unternehmen nach ESG-Kriterien zu analysieren, werten wir zudem technische Betriebskennzahlen und standortspezifische Merkmale aus.

Wie lässt sich kontrollieren, ob Umwelt- und Sozialstandards eingehalten werden?

Berlenbach: Da es unmöglich ist, alle Minenstandorte zu besuchen, müssen wir uns auch auf öffentlich zugängliche Informationen verlassen. Dabei kommt es auch immer wieder zu Kontroversen und Diskussionen. In diesen Fällen prüfen wir, wie die Unternehmen damit umgehen. Die Branche befindet sich im Wandel. Das ist ein langer Prozess und geschieht nicht über Nacht. Mir ist auch außerhalb der Bergbauindustrie kein Unternehmen bekannt, das sein oberstes Nachhaltigkeitsziel bereits erreicht hat. Deshalb ist es wichtig, Firmen zu unterstützen, die sich über die gesetzlichen Anforderungen hinaus engagieren, um so den Wandel mitzugestalten. Zur Sicherung der Energieunabhängigkeit und um CO2-Emissionen zu verringern, benötigen wir Metalle. Zum Bergbau gibt es daher bis auf weiteres keine Alternative.

 

Könnte mehr Recycling nicht auch eine Lösung sein?

Berlenbach: Durch Recycling sind wir derzeit nicht in der Lage, die Nachfrage nach Rohstoffen zu decken. Eine Wiederverwertung ist zwar oft billiger und weniger energieintensiv als der Abbau des Metalls, aber dennoch nicht immer möglich. Das liegt daran, dass Recycling beim Design von Produkten meist nicht mitberücksichtigt und die Wiederverwertung damit schwierig und teuer wird. Ohne Kennzeichnung ist zudem nicht bekannt, ob das Material toxisch verunreinigt ist. Nicht zuletzt sind verwendete Metalle etwa in Windturbinen für Jahrzehnte gebunden und damit schlicht nicht verfügbar. Aber auch Verbraucher müssten ihren Beitrag leisten. So liegen allein in Deutschland schätzungsweise 200 Millionen alte Smartphones in den Schubladen, die durch Recycling wichtige Rohstoffe liefern könnten.

Über die Interviewte:
Pereshia Berlenbach ist Partnerin und ESG-Analystin bei Earth Resource Investments, einem Nischenberater für Aktienanlagen im Rohstoffsektor. Seit 2011 leitet sie das operative Geschäft des Schweizer Unternehmens. Sie ist Initiatorin des Fonds Earth Sustainable Resources.

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