Suche Event Calendar Icon EVENTKALENDER Newsletter Icon Newsletter Icon Newsletter Abonnieren
Headphones
Artikel hören
Interview mit Robert Peres
Altersvorsorge-Reform verschoben – „Das Rententhema ist für Politiker toxisch“
Die Audioversion dieses Artikels wurde künstlich erzeugt.
Von in RegulierungLesedauer: 7 Minuten
Robert Peres
Robert Peres, Rechtsanwalt mit Sitz in Berlin und Wiesbaden und Vorsitzender der Initiative Minderheitsaktionäre, die sich für die Stärkung der Aktionärsrechte in Deutschland einsetzt. | Foto: Daniel Biskup / Canva / DAS INVESTMENT

DAS INVESTMENT: Die Vereinigten Staaten gelten hierzulande als Vorbild bei Hochtechnologie oder der Geldanlage am Kapitalmarkt. Im direkten Vergleich mit den US-Bürgern legen private Haushalte in der Bundesrepublik zwar doppelt so viel auf die hohe Kante. Im Alter macht sich das jedoch nicht für sie bezahlt, wie eine Studie des Fondsanbieters Flossbach von Storch zeigt. Was kann Deutschland von den USA also im Hinblick auf das Thema Altersvorsorge lernen

Robert Peres: Ich denke sehr viel. Das individuelle Vermögen der Amerikaner ist deutlich höher als bei uns, was die Altersvorsorge merklich erleichtert. Zum Teil liegt das natürlich an der höheren Immobilienbesitzquote, aber auch an der aktienbasierten Rente. Die USA haben nämlich zusätzlich zu ihrem System der Social Security im Jahr 1978 sogenannte 401(k)-Sparpläne eingeführt. Diese ermöglichen es Arbeitnehmern und Selbstständigen, steuerbegünstigte Aktienkonten zu führen. Die Social Security-Renten sind ähnlich wie bei uns umlagefinanziert und wurden durch Präsident Franklin D. Roosevelt im Rahmen des New Deal 1935 vorgestellt. Doch den Amerikanern war schnell klar, dass das nicht reicht. Diese Weitsicht hat dazu geführt, dass heute der durchschnittliche US-Amerikaner ein wesentlich höheres Vermögen besitzt als der Deutsche. Der Medianwert in Deutschland beträgt umgerechnet circa 60.000 US-Dollar. In den USA sind es etwa 90.000 US-Dollar. Nach Angaben des Investment Company Institute besaßen die Amerikaner Mitte 2021 rund 7,3 Billionen Dollar in 401(k)-Plänen. Und das typische Vermögen in den 401(k)-Plänen einer amerikanischen Familie hat sich seit den späten 1980er Jahren mehr als verdreifacht, zeigen Daten des Global Wealth Report 2022. 

In Deutschland gibt es zwischen der gesetzlichen Rente und der privaten Vorsorge aber auch noch die zweite Säule: Die betriebliche Altersversorgung soll Arbeitnehmern eine ergänzende Betriebsrente ermöglichen

Peres: Auch in den Vereinigten Staaten können sich die Arbeitgeber an den Altersvorsorgeaufwendungen ihrer Mitarbeiter beteiligen. Dazu ergänzen sie einfach die Beiträge zu einem 401(k)-Konto des Beschäftigten – bis zu einem vom Arbeitgeber festgelegten Betrag. Das hat teilweise Betriebsrenten ersetzt. Das wird vom Fiskus gefördert: Die Einzahlung erfolgt vor der Steuerentnahme. Die Ersparnis kommt also quasi „von oben“ – sodass viele Leute ihr Geld nicht vermissen, wenn es in ihre 401(k) geht. 

 

Soweit der aktuelle Stand. Doch in Washington steht ein Machtwechsel an. Wie dürfte sich die US-Rentenpolitik unter der neuen Regierung Trump entwickeln? 

Peres: Im Grundsatz will der designierte neue US-Präsident Trump das existierende Rentensystem unangetastet lassen. Doch ähnlich wie bei uns stößt die Umlagefinanzierung der Social Security an ihre Grenzen. Im Jahr 2035 könnten die Renten nur noch zu 83 Prozent aus den Beiträgen und anderen Quellen finanziert werden. Daher hat Donald Trump angekündigt, dass es Einschnitte geben soll. Nach heftiger Kritik hat er gesagt, man wolle nur die Ausgabenverschwendung bekämpfen. Das ist auch Teil der neuen Aufgabe von Elon Musk, der sich der Regierungseffizienz verschrieben hat. Man kennt das auch vom deutschen Rentensystem, wo sachfremde Ausgaben das Budget belasten. Ein anderer Vorschlag des Trump-Lagers ist, die Steuer auf Renteneinkünfte zu senken oder gar zu eliminieren. Das würde einerseits die Lage der Rentner verbessern. Aber andererseits würde das auch die Kassenlage so sehr verschlimmern, dass man bereits im Jahr 2031 zahlungsunfähig sein könnte. Aber wie immer bei politischen Versprechen, wird man sich der normativen Kraft des Faktischen beugen müssen. 

Auch hierzulande sollte die finanzielle Vorsorge für den Ruhestand jetzt gestärkt werden. Das sah zumindest der Koalitionsvertrag der Ampelkoalition vor. Doch soweit ist es nicht gekommen. Wann dürfte eine Rentenreform in Deutschland wieder auf die Tagesordnung kommen? 

Peres: Das ist eine gute Frage. Seit Beginn der Ampelkoalition wurde die Aktienrente diskutiert und fand letztendlich als sogenanntes Generationenkapital ihren Niederschlag im Rentenpaket II. Wir sprechen hier über einen Zeitraum von drei Jahren, der nun ohne gesetzliche Regelung verplempert wurde. Denn das Rentenpaket II kommt nicht und wurde selbst innerhalb der FDP-Fraktion als nicht generationengerecht kritisiert. Das stimmt ja auch, weil durch diesen Gesetzentwurf einseitig die älteren Arbeitnehmer und Rentner bevorteilt werden. Aber die SPD hat darauf bestanden, das Rentenniveau bis 2039 zu zementieren, um das relativ wirkungslose Element des kapitalgedeckten Generationenkapitals zu akzeptieren. Dabei würde ohnehin nur der Bundeszuschuss irgendwann Mitte der 2030er Jahre entlastet, aber kein individueller Vermögensaufbau erreicht. 

Bild

Hallo, Herr Kaiser!

Das ist schon ein paar Tage her. Mit unserem Versicherungs-Newsletter bleiben Sie auf dem neuesten Stand im Bereich Assekuranz. Jetzt gratis abonnieren!

Go

Die neue Regierung wird sich relativ schnell bilden können, wenn man den Umfragen trauen kann. Aber das Rententhema ist so toxisch, dass ich nicht mit einem schnellen Reformvorschlag rechne. Die CDU hat dazu bisher keine konkreten Maßnahmen benannt, da warten wir mal das Wahlprogramm ab, das für Mitte Dezember erwartet wird. Einen guten Vorschlag hat allerdings der Fraktionsvize der Union, Sepp Müller, gemacht. Er will unter dem Motto „Aktien für alle!“ ein Kinderstartgeld einführen. Die Beteiligung der Menschen an den Gewinnen der Wirtschaft sei ein zentrales Aufstiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft, sagte Müller. Dafür sei ein staatlich finanziertes Kapitalmarktkonto eine sichere und lukrative Möglichkeit. Ähnlich hatte der Sachverständigenrat für Wirtschaft argumentiert: Mit dem Kinderstartgeld sollen staatlich finanziert zum Beispiel 10 Euro pro Monat in einen ausgewählten Fonds eingezahlt werden. Nach Ansicht des Sachverständigenrates ist ein breit diversifizierter Fonds mit einem hohen Aktienanteil ein unverzichtbares Kernelement des Kinderstartgelds, das vom sechsten bis zum 18. Lebensjahr gezahlt werden soll. 

Das würde einen grundlegenden Systemwechsel bedeuten, bei dem über Jahrzehnte private Vermögen aufgebaut werden. Etwas näher an den bisherigen Rürup-Renten angelehnt erscheint die ganz konkrete Empfehlung der Fokusgruppe private Altersvorsorge, um nach eigenen Angaben chancenreichere Anlagen mit höheren Renditen als bei Riester-Renten zu ermöglichen: ein förderfähiges Altersvorsorgedepot ohne Garantievorgaben. Wie beurteilen Sie diese Vorschläge? 

Peres: Die Vorschläge zum Altersvorsorgedepot sind natürlich nützlich. Den Menschen muss eine steuerlich begünstigte Möglichkeit gegeben werden, selbst mehr für die private Altersvorsorge tun zu können. Abgesehen von der in Deutschland schwach ausgebildeten Aktienkultur, wird das aktive Sparen ja auch hierzulande extrem durch massive Abschreibungsnachteile und Besteuerung behindert. Das vom Finanzministerium, noch unter Christian Lindner, vorgeschlagene Altersvorsorgedepot ist in Teilen nicht perfekt und kommt nicht an das eingangs geschilderte 401(k)-Depot der Amerikaner heran. Es ist aber deutlich besser als jede Riester-Rente, die sich als Kostenfresser herausgestellt hat, weil die Versicherungsindustrie zu sehr daran geschraubt hat: Das Problem sind die Renditegarantien, die es so beim Altersvorsorgedepot so nicht mehr geben soll. Das ist der richtige Weg. Die Dynamik des Aktienmarktes nutzt man nur, wenn man nicht im Vorhinein Abschläge zu Gunsten von Versicherungslösungen einführt.  

 

Versicherungen sind aber zumindest im Rahmen der Riester-Rente das mit Abstand am häufigsten abgeschlossene Produkt zur Altersvorsorge. Die Gründe hierfür liegen sicherlich auch in den Eigenheiten der Riester-Rente und ihres Vertriebs. Was aber denken die Verbraucher in Deutschland laut Ihrer aktuellen Umfrage zur Altersvorsorge mit Aktien

Peres: Unsere Umfrage zum Thema Aktienrente führen wir seit 2020 durch. In diesem Jahr haben wir Forsa auch nach der Meinung zum geplanten Altersvorsorgedepot fragen lassen. Mit 59 Prozent befürwortet eine deutliche Mehrheit der Befragten die Einführung eines staatlich geförderten Altersvorsorgedepots, um hiermit kostengünstig über Wertpapiere, wie zum Beispiel Aktien oder ETFs, für das Alter sparen zu können. Die Bürger haben mitbekommen, dass die Rente eben nicht mehr „sicher“ ist. Sie war es vielleicht bis zur Wende. Aber schon ab 1990 war absehbar, dass der demografische Wandel ein Umdenken erforderte. Ökonomen wie Professor Bernd Raffelhüschen haben früh darauf hingewiesen. Leider hat die Politik den Aktienmarkt verteufelt und weiter auf die Umlagefinanzierung gesetzt. Das rächt sich jetzt und mehrere Generationen sind nun die Dummen. 

 

Über den Interviewten:

Robert Peres ist Rechtsanwalt mit Sitz in Berlin und Wiesbaden sowie Vorsitzender der Initiative Minderheitsaktionäre. Der im Jahr 2016 gegründete Verein setzt sich in der deutschen Rechts- und Wirtschaftspolitik für eine stärkere Position der Aktionäre in Deutschland ein. Er wirbt zudem für die „sozialpolitische Funktion der Aktienanlage“. Denn im Vergleich mit anderen großen Volkswirtschaften sei die „Aktienkultur in Deutschland nur unterdurchschnittlich entwickelt“. 

Hat die Riester-Rente noch eine Zukunft?

Ja
0%
Nein
0%
weiß ich nicht
0%
keine Angabe
0%
PDF nur für Sie. Weitergabe? Fragen Sie uns.
Newsletter Titelbild
Ja, ich möchte den/die oben ausgewählten Newsletter mit Informationen über die Kapitalmärkte und die Finanzbranche, insbesondere die Fonds-, Versicherungs-und Immobilienindustrie abonnieren. Hinweise zu der von der Einwilligung mitumfassten Erfolgsmessung, dem Einsatz der Versanddienstleister June Online Marketing und Mailingwork, der Protokollierung der Anmeldung, der neben der E-Mail-Adresse weiter erhobenen Daten, der Weitergabe der Daten innerhalb der Verlagsgruppe und zu Ihren Widerrufsrechten finden Sie in der Datenschutzerklärung. Diese Einwilligung können Sie jederzeit für die Zukunft widerrufen.
+
Anmelden
Tipps der Redaktion