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Rüstung in ESG-Fonds: „Tod ist nicht nachhaltig. Punkt.“

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DAS INVESTMENT: Die Nachhaltigkeit scheint derzeit ein unpopuläres Thema zu sein – zumindest nach Auffassung von Vermittlerverbänden. So hat der Votum-Verband vergangene Woche erklärt, die Abfragepflicht zu ESG-Präferenzen für zwei Jahre aussetzen zu wollen. Auch der Vermittlerverband AfW findet diesen Vorschlag gut. Was meinen Sie dazu?
Frank Huttel: Eine volle oder zeitweise Abschaffung fände...
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DAS INVESTMENT: Die Nachhaltigkeit scheint derzeit ein unpopuläres Thema zu sein – zumindest nach Auffassung von Vermittlerverbänden. So hat der Votum-Verband vergangene Woche erklärt, die Abfragepflicht zu ESG-Präferenzen für zwei Jahre aussetzen zu wollen. Auch der Vermittlerverband AfW findet diesen Vorschlag gut. Was meinen Sie dazu?
Frank Huttel: Eine volle oder zeitweise Abschaffung fände ich grundsätzlich nicht gut. Das wäre wieder mal opportunistisch – auch wenn ich im Besonderen die Präferenzabfrage als ein bürokratisches Monster bezeichne. Es versteht keiner. Man sollte die Fragen reformieren und in einem für den „einfachen“ Anleger verständlichen Deutsch formulieren. Man könnte ja auch die SDGs als Rahmenwerk heranziehen. Man wird dann erkennen, dass Kunden doch „Nachhaltigkeit“ wollen.
Manche Menschen sehen die Entwicklung der Nachhaltigkeit in der Finanz- und Versicherungsbranche als Gartner Hype Cycle, bei dem wir nun im „Tal der Enttäuschung“ angekommen seien. Sehen Sie das auch so?
Huttel: Ja, das sehe ich auch so. Nun trennt sich die Spreu vom Weizen. Und ganz ehrlich, uns bleibt nichts anderes übrig als nachhaltig zu investieren. Es ist Risikomanagement. Das hat ja gerade auch der Allianz-Vorstand noch einmal deutlich gemacht. Ohne Nachhaltigkeit keine „Licence to operate“ in der Zukunft. Da muss man kein „Grüner“ sein.
Sie sind Mitgründer von dem nachhaltigen Robo-Advisor Vividam. Wie funktioniert Ihr Geschäftsmodell?
Huttel: Vividam ist eine digitale Vermögensverwaltung, die ausschließlich nachhaltig mit Fokus auf Wirkung (Impact) investiert. Dabei starten wir ab 500 Euro und einem Sparplan ab 50 Euro. Unser USP ist, dass wir bewusst auf ETFs verzichten, da diese keine Wirkung erzielen können und jeder Kunde einen Berater zur Seite hat. Wir sind also ein Hybrid und das von Anfang an. Außerdem gibt es keine Algorithmen und wir sind „Long only“. Also der „menschliche, grüne Robo“. Ich habe uns auch mal als „der Anti-Robo“ bezeichnet.
Welche Kriterien müssen Anlagen erfüllen, um bei Vividam als nachhaltig eingestuft zu werden und ins Portfolio zu kommen?
Huttel: Wir orientieren uns als „Impact Investoren“ an den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (17 UN SDGs). Wir schließen also nicht nur Bereiche wie fossile Energie oder Waffen aus, sondern investieren unter anderem in sogenannte Handabdruck-Unternehmen. Das sind Firmen, die mit ihren Produkten und Dienstleistungen zur Lösung der Probleme der Menschheit beitragen wollen. Artikel 8 oder 9 spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Ein FNG-Siegel als FNG-Mitglied finden wir aber gut.
„Sonst wird mein dreijähriger Enkel in einer 3 Grad Welt leben“
In welchen Punkten sind nachhaltige Investments den herkömmlichen überlegen?
Huttel: Meiner Ansicht nach haben konventionelle Unternehmen in der Zukunft keine „Licence to operate“ mehr. Erdöl-, Kohle- und ähnliche Unternehmen werden bei voranschreitenden Klimawandel, steigenden CO2-Preisen nicht mehr ihre bilanzierten Reserven fördern „dürfen“ oder können. Das sind „stranded assets“. Also investieren wir lieber in die „Zukunft“ wie Kreislaufwirtschaft, alternative Mobilität, nachhaltige Nahrungsmittel, erneuerbare Energien und ähnliches. Das wird beziehungsweise muss sich durchsetzen, sonst wird mein dreijähriger Enkel in 50 bis 70 Jahren in einer 3 Grad Welt leben. Die Folgen werden fatal sein. Es werden Flüchtlingsströme aus mehreren Regionen, nicht nur in Afrika, kommen, die wir uns nicht vorstellen wollen. Bei diesem Thema werde ich sehr emotional.
Welche Zielgruppen interessieren sich besonders für nachhaltige Investments?
Huttel: In unserem Fall haben wir rund 60 Prozent Frauen, über alle Altersgruppen und aus allen sozialen Schichten. Viele Männer haben uns nach Corona am Top gekauft – ohne zu wissen, was es ist – und sind schon wieder weg. Wir haben schon viele „Hardcore“-Kunden, die auch die aktuell schwierige Phase verstehen und durchhalten.
Vor drei Jahren erklärte Silke Stremlau, damals Hannoversche-Kassen-Vorständin, im Interview mit DAS INVESTMENT, dass die Auffassung, dass Nachhaltigkeit Rendite kostet, grundlegend falsch sei. In Wirklichkeit sei es nämlich genau umgekehrt: Aufgrund der Kosten für Umweltstrafen, Nachjustierung bei neuen regulatorischen Anforderungen und ähnlichen Problemen, die auf Nicht-ESG-konforme Firmen zukommen, seien nachhaltige Firmen deutlich im Plus. Sehen Sie das auch so?
Huttel: Ja, das kann ich zu 100 Prozent unterschreiben. Das hatte ich ja bereits im Zusammenhang mit der „licence to operate“ beschrieben.
Auch die Definition von Nachhaltigkeit und ESG lässt zu wünschen übrig. So hat die Allianz vergangene Woche Rüstungsaktien für nachhaltig erklärt. Was halten Sie von der Begründung, dass sich die Einstellung zum Verteidigungssektor in Europa nach dem anhaltenden Konflikt in der Ukraine und anderen geopolitischen Entwicklungen grundlegend gewandelt habe?
Huttel: Rüstung ist nicht nachhaltig. Es widerspricht den SDGs und dem „Do no significant harm“-Prinzip. Tod ist nicht nachhaltig. Punkt. Und die Allianz tut der Branche einen Bärendienst. Wobei sie offen kommuniziert, was andere unter der Hand denken. Die Investmentbranche ist opportunistisch – und das ist nicht gut.
Können Sie die Begründung der Allianz denn gar nicht nachvollziehen?
Huttel: Nein. Ja, wir müssen uns verteidigen gegen Aggressoren wie Putin & Co. Aber ich muss nicht alles als nachhaltig deklarieren – auch wenn Verteidigung in Teilen in SDG 16 einzahlt. Waffen zerstören Menschenleben und vieles mehr. Außerdem gehört die Finanzierung der Rüstung in hoheitliche Hände. Ich muss damit keine Gewinne erzielen. Und das sage ich, obwohl ich ein Befürworter der Marktwirtschaft bin.
Bei einer Umfrage zu diesem Thema in einer Facebook-Vermittlergruppe erklärte ein Vermittler, wer freiwillig in Rüstung investiere, sollte sich auch nicht über einen Einberufungs-/Musterungsbescheid nicht ärgern. Was halten Sie von dieser Aussage sowie von der derzeit diskutierten Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht?
Huttel: Das kann man so sehen – wenn, dann konsequent, wobei das Thema Wehrpflicht ein schwieriges ist. Wenn sie käme, dann als soziales Jahr: Die sozialen Dienste könnten auch Personal gebrauchen. Aber es ist schon aberwitzig, dass eine Person namens Putin die Errungenschaften seit dem Fall der Mauer zunichtemacht und Trump ihm dabei hilft. Die Abrüstung machte ja Sinn und brachte Wohlstand. Das wird irgendwie gerade vergessen. Rüstung liefert keinen wirklich positiven und messbaren Beitrag zu einer Volkswirtschaft. Mal abgesehen von den Gehältern an die Mitarbeiter. Auch hier kann ich wieder sehr emotional werden.
Über den Interviewten:
Frank Huttel ist seit mehr als 15 Jahren Leiter Portfoliomanagement bei Finet. Im Dezember 2018 gründete er zusammen mit Olaf Zeitnitz, Gründer und Geschäftsführer des Robo Advisors Visual Vest den nachhaltigen Online-Vermögensverwalter Vividam.



