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  • Interview: Sind Immobilien heute erschwinglicher als früher?

Von in ImmobilienLesedauer: 7 Minuten
Philipp Immenkötter von Flossbach von Storch
Philipp Immenkötter von Flossbach von Storch: „Für ein Darlehen, das im Jahr 2020 in etwa 20 Jahren abbezahlt werden konnte, bräuchten Käufer heute 35 Jahre.“ | Foto: Flossbach von Storch AG

DAS INVESTMENT: Baufinanzierungen sind deutlich teurer geworden, für viele Menschen ist der Traum vom Eigenheim damit geplatzt. Einige Medien berichteten dagegen jüngst, dass Immobilien heute erschwinglicher sind als früher – etwa im Vergleich mit den 1980er Jahren. Wie passt das zusammen?

Philipp Immenkötter: Die Einschätzung basiert auf einem Vergleich der Immobilienpreise und Einkommen. Da die Einkommen seit den 1980er Jahren stärker gestiegen sind als die Kaufpreise, seien Immobilien auf lange Sicht erschwinglicher geworden. Dieser Vergleich greift aber zu kurz und spiegelt nicht die Lebensrealität der Käufer wider.

Sie kommen in Ihrer Analyse zu einem anderen Ergebnis. Wie sind Sie vorgegangen?

Immenkötter: Wir haben uns angeschaut, welche Faktoren für Immobilienkäufer wichtig sind. Auf Rahmenbedingungen wie das eigene Einkommen, die Hypothekenzinsen, die Marktpreise für Immobilien sowie die Kosten für Energie, Bau, Sanierung und Instandhaltung haben Käufer nur begrenzt Einfluss. Diese Faktoren bestimmen letztendlich die erwartete Tilgungsdauer, also den Zeitraum, bis das Darlehen abbezahlt ist. Je länger ein Haushalt braucht, um seinen Kredit zu tilgen, desto unerschwinglicher wird die eigene Immobilie. Wir haben daher die Tilgungsdauer als Maß für die Erschwinglichkeit herangezogen.

 

Wie hat sich die Erschwinglichkeit Ihren Berechnungen zufolge entwickelt?

Immenkötter: Unsere Berechnung zeigt, dass die erwartete Tilgungsdauer in den 2000er Jahren unter den zurückgerechneten Bedingungen bei ungefähr 20 Jahren lag. In den 2010er Jahren sank der Zeitraum bis zur Volltilgung auf bis zu 15 Jahre. Steigende Einkommen und niedrige Zinsen ermöglichten Käufern, ihre Kredite schneller abzuzahlen. Ab dem Jahr 2014 verlängerte sich der Zeitraum mit der Preisrally am Immobilienmarkt dann wieder. Vor allem in den vergangenen Jahren sehen wir nochmal einen sprunghaften Anstieg. Für ein Darlehen, das im Jahr 2020 zu den damaligen Rahmenbedingungen in etwa 20 Jahren abbezahlt werden konnte, bräuchten Käufer heute 35 Jahre.

Woran liegt das?

Immenkötter: Zum einen sind die Zinsen massiv angestiegen, die Immobilienpreise immer noch hoch. Zum anderen gab es einen starken Anstieg bei den Energie- und Instandhaltungskosten. Um die Tilgungsdauer zu verkürzen, müssen Käufer heute über ein sehr hohes Einkommen oder viel Eigenkapital verfügen.

Neben den von Ihnen genannten Rahmenbedingungen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten auch andere Parameter geändert, zum Beispiel ist die Wohnfläche pro Person stark gestiegen. Müssten sich die Menschen wieder mehr einschränken, damit Wohneigentum erschwinglicher wird?

Immenkötter: Die Ansprüche an privaten Wohnraum sind gestiegen – das macht es selbstverständlich teurer. Sollte man das den Menschen jetzt absprechen? Das wäre eher eine moralische Diskussion. Es gibt noch weitere Faktoren, die wir nicht berücksichtigt haben, darunter die Frage, wo die Menschen Wohneigentum erwerben. Wir haben in den vergangenen 20 Jahren einen Zuzug in die tendenziell teureren Städte beobachtet. In günstigeren Gegenden wurde weniger gekauft. Das hängt wiederum mit der Transformation in der Arbeitswelt zusammen. Früher gab es auch auf dem Land mehr Einzelhändler und Dienstleister – und damit mehr Jobs. Ein allumfassendes Bild kann unsere Analyse nicht liefern.

 

In Deutschland leben generell viel weniger Menschen im Eigentum als in den meisten anderen europäischen Ländern. Ein Grund, der immer wieder genannt wird, sind die hohen Kaufnebenkosten. Müsste der Staat die Grunderwerbssteuer senken?

Immenkötter: Die Kaufnebenkosten sind über die Jahre gestiegen. Ich bezweifle aber, dass die Senkung der Grunderwerbssteuer den gewünschten Effekt hätte. Wohnraum ist knapp und die Konkurrenz groß. Fällt ein Teil der Kaufnebenkosten weg, ist zu erwarten, dass das zu Teilen wieder auf die Immobilienpreise aufgeschlagen wird.

Sie sagen, dass Immobilien für die meisten Menschen schon immer schwer erschwinglich waren. Was müsste passieren, damit sich das ändert?

Immenkötter: Der Staat müsste zunächst beim Bauland ansetzen. Es dauert viel zu lange, bis entschieden wird, ob Flächen bebaut werden dürfen. Bis Städte und Gemeinden Bauland freigeben, vergehen oft Jahrzehnte. Hinzu kommen die hohen Baukosten, für die auch die vielen staatlichen Vorgaben verantwortlich sind. Das verteuert den Wohnraum zusätzlich und stiftet zum Teil keinen zusätzlichen Nutzen.

Die staatliche Förderung für Käufer wurde in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter reduziert. Würde eine Rolle rückwärts wieder mehr Menschen ins Eigentum bringen?

Immenkötter: Wenn der Staat den Erwerb von Wohneigentum stärker fördert, werden sich mehr Menschen nach Kaufimmobilien umschauen – und das schraubt die Preise wieder hoch. Finanziell schwächere Haushalte beim Immobilienerwerb zu unterstützen, ist gesellschaftlich positiv zu sehen. In Deutschland würden solche Maßnahmen aber auf einen Markt mit ohnehin sehr knappem beziehungsweise sehr teurem Angebot treffen. Der Kern des Problems ist, dass es zu wenig Wohnraum in den Städten gibt. Solange dieses Angebotsproblem nicht gelöst ist, wird sich an der grundsätzlichen Lage nichts ändern.

 

Sie sagen, dass Immobilien „ein erhebliches Preiskorrekturpotenzial“ haben, also die Preise noch stark sinken könnten. Ist damit bei dem knappen Angebot überhaupt zu rechnen?

Immenkötter: Schaut man sich an, was sich Käufer heute leisten können im Vergleich zu vor einigen Jahren, müssten die Immobilienpreise – bei gleichbleibendem Monatsbudget des Käufers – um 20 Prozent sinken. Aus Sicht eines Kapitalanlegers, der bestimmte Anforderungen an die Rendite hat, wären es sogar zwischen 50 und 60 Prozent. Momentan sieht es aber nicht danach aus, eben weil wir so einen großen Nachfrageübergang haben.

Dabei ist ja überall zu lesen, dass die Nachfrage nach Kaufimmobilien stark eingebrochen ist.

Immenkötter: Die Transaktionen sind eingebrochen, weil Interessenten nicht bereit sind, zu den angebotenen Preisen zu kaufen oder es sich schlicht nicht leisten können. Das heißt aber nicht, dass die Nachfrage grundsätzlich gesunken ist. Etliche Menschen, zum Beispiel viele junge Familien, suchen händeringend nach Wohnraum.

Wie geht es nun am Immobilienmarkt weiter?

Immenkötter: Es ist zu erwarten, dass die Zinsen mittelfristig auf dem aktuellen Niveau verharren werden. Immobilienfinanzierungen würden dann weiterhin teuer bleiben bei langer Tilgungsdauer. Viele Menschen dürften sich unter diesen Bedingungen gegen einen Kauf entscheiden. Eigentlich ist in dieser Situation mit sinkenden Kaufpreisen zu rechnen – wenn die Verkäufer mitspielen. Wer nicht unbedingt verkaufen muss, wird momentan wohl eher abwarten und seine Immobilie vielleicht eher vermieten. Es wird daher sicherlich noch eine Zeitlang weniger Transaktionen geben.

Über den Interviewten:
Philipp Immenkötter ist seit 2014 als Analyst am Flossbach von Storch Research Institute tätig. Seine Forschungsexpertise umfasst Unternehmens- und Aktienmarktanalysen. Des Weiteren verantwortet er den Vermögenspreisindex des Instituts. Seit 2016 ist der Wirtschaftsmathematiker zudem Lehrbeauftragter an der Universität Köln.

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