Wirtschaftspsychologe über den Fall „Immo Tommy“ „Bei Finanz-Entscheidungen kommen uns oft die Emotionen dazwischen“
DAS INVESTMENT: Versprechen nach schnellem Geld mit „einfachen Tricks“ sollten eigentlich misstrauisch machen. Warum lassen sich dennoch immer wieder Menschen von solchen Angeboten überzeugen?
Janko Laumann: Das hat ganz viel damit zu tun, wie Menschen Entscheidungen treffen. In der Neurowissenschaft sagt man: Emotio entscheidet, Ratio begründet. Wir treffen viele Entscheidungen emotional und versuchen das dann rational zu begründen.
Wieso gelingt es uns nicht, bei der Geldanlage rational zu bleiben?
Laumann:Nehmen wir das Beispiel Immo Tommy – ohne prüfen zu können, ob die Vorwürfe stimmen. Immobilien sind ein Megathema – nicht erst seit der Nullzinsphase und der hohen Inflation. Mehr als 90 Prozent der Deutschen träumen vom eigenen Haus oder der eigenen Wohnung, zeigen Umfragen. Vielen fehlt aber schlicht das Geld, um sich diesen Traum jemals zu erfüllen. Aber der Traum ist da und – das erleben wir häufig in solchen Fällen – trifft auf ein einfaches Angebot. Es ist einfach zu verstehen, einfach in der Abwicklung, einfach in der Kommunikation.
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DAS INVESTMENT: Versprechen nach schnellem Geld mit „einfachen Tricks“ sollten eigentlich misstrauisch machen. Warum lassen sich dennoch immer wieder Menschen von solchen Angeboten überzeugen?
Janko Laumann: Das hat ganz viel damit zu tun, wie Menschen Entscheidungen treffen. In der Neurowissenschaft sagt man: Emotio entscheidet, Ratio begründet. Wir treffen viele Entscheidungen emotional und versuchen das dann rational zu begründen.
Wieso gelingt es uns nicht, bei der Geldanlage rational zu bleiben?
Laumann: Nehmen wir das Beispiel Immo Tommy – ohne prüfen zu können, ob die Vorwürfe stimmen. Immobilien sind ein Megathema – nicht erst seit der Nullzinsphase und der hohen Inflation. Mehr als 90 Prozent der Deutschen träumen vom eigenen Haus oder der eigenen Wohnung, zeigen Umfragen. Vielen fehlt aber schlicht das Geld, um sich diesen Traum jemals zu erfüllen. Aber der Traum ist da und – das erleben wir häufig in solchen Fällen – trifft auf ein einfaches Angebot. Es ist einfach zu verstehen, einfach in der Abwicklung, einfach in der Kommunikation.
Müsste das nicht gerade misstrauisch machen?
Laumann: Da sind wir wieder bei den Emotionen. Schaut man sich die Videos an, gelingt es Immo Tommy sehr gut – und das gilt für andere Influencer auch –, das Thema Immobilien, das eigentlich aufgrund der Höhe der Investition ein rationales Thema wäre, auf die emotionale Ebene zu ziehen. Da geht es viel um Familie, um eigene Entscheidungen, um finanzielle Freiheit und Absicherung. Wer sich die Videos anschaut, hat gleich schöne Bilder im Kopf. Manche der Käufer hatten vielleicht Bedenken, ob sie sich eine Finanzierung leisten können und genügend Eigenkapital gespart haben. Diese Hürden räumt er einfach aus dem Weg.
Vom einfachen Angestellten zum Millionär: Die Geschichte von Immo Tommy ist ja auch die Geschichte eines Aufstiegs.
Laumann: Das macht ihn authentisch und glaubwürdig. Auf seiner Website schreibt er, dass er herkömmlicher Angestellter war, Familienvater ist. Da erkennen sich viele Menschen wieder: Der ist ja wie ich! Und weil der so ist wie ich, wird der mich auch nicht betrügen, denn ich betrüge ja auch nicht. Schon haben wir ein Gefühl von Sicherheit. Hinzu kommt, dass in seinem Netzwerk sicherlich auch Unternehmen sind, die einen seriösen Eindruck machen. Und viele Medien haben über ihn berichtet, er hat Radiosendern Interviews gegeben, war sogar im Bundesfinanzministerium.
Die Bafin und Verbraucherschützer warnen immer wieder davor, Finfluencern blind zu vertrauen.
Laumann: Influencer wie Immo Tommy richten sich an eine sehr junge Zielgruppe. Für viele war es sicherlich das erste Investment. Einige hat vermutlich der Wunsch getrieben, reich zu werden. Andere wollten sich um ihre Altersvorsorge kümmern. Mit diesen Wünschen und Vorstellungen schauen sich die Menschen die Videos auf Instagram und Tiktok an, in denen alles auf sehr einfache Weise dargestellt wird. Mögliche Risiken sind dort kein Thema. Das macht die Hemmschwelle, einzusteigen, niedrig. Wer investieren will, muss nicht zur Bank gehen und sich womöglich unangenehme Fragen zu seiner finanziellen Situation stellen lassen. Schaut man sich an, wie er – und auch andere Influencer – Finanzthemen vermitteln, findet man da oft wenig fundierte Expertise. Aber auch da erkennen sich die Menschen wieder: Der hatte keine Ahnung vom Thema und hat es trotzdem geschafft, reich zu werden.
Man möchte den Versprechen auch gerne glauben.
Laumann: Ja klar! Wer von der eigenen Immobilie träumt, möchte einen Weg finden, sich diesen Traum zu erfüllen. Wenn da dann noch jemand ist, der das ohne Vorwissen geschafft hat, zieht das viele Leute an. So nach dem Motto: Was der geschafft hat, schaffe ich auch! Dieses Muster finden wir immer wieder.
Häufig wird beklagt, dass es den Menschen hierzulande an Finanzbildung fehlt. Kann Wissen Betrugsfälle verhindern?
Laumann: Sicherlich gibt es Menschen, denen Wissen geholfen hätte. Zu sagen, dass Finanzbildung vor Betrug schützt, halte ich allerdings für zu kurz gegriffen. Bei großen Finanzskandalen haben immer auch Banken und Sparkassen viel Geld verloren – Wirecard oder S&K Immobilien sind solche Beispiele. Auch fundiertes Wissen schützt nicht unbedingt vor falschen Entscheidungen, weil uns oft die Emotionen dazwischenkommen. Wir entscheiden uns emotional sehr schnell und suchen dann rationale Gründe, warum das richtig war. Wenn ich das Haus kaufen will und das alles so einfach ist, dann ist die Entscheidung schon lange getroffen, bevor ich anfange, vernünftig darüber nachzudenken.
Könnte das auch eine Erklärung dafür sein, dass in solchen Fällen häufig Dinge ausgeblendet werden, die eigentlich misstrauisch machen müssten?
Laumann: Genau. Diese Dinge werden dann bewusst ignoriert, weil wir unsere Entscheidung im Grunde ja schon auf emotionaler Ebene getroffen haben. Im Fall von Immo Tommy etwa werden viele Außenstehende nun sagen: Wie kann man eine Immobilie kaufen, die man nie angeschaut hat? Aber viele haben sich wohl gedacht: Das haben ja andere vor mir auch gemacht. Das gibt den Menschen Sicherheit.
Wir laufen gerne der Masse hinterher?
Laumann: Der Mensch ist eben ein soziales Wesen. Ein ganz anderes, aber plakatives Beispiel: In Deutschland gibt es mehr als 1.000 Gütesiegel. Wenn ich in meinen Seminaren frage, ob die noch funktionieren, verneinen das alle. Bringe ich aber ein konkretes Beispiel, heißt es: „Wenn jemand anders gesagt hat, dass der Kaffee gut ist, wird der auch gut sein.“ Das sind zutiefst unbewusste Prozesse, die bei uns ablaufen. Soziale Netzwerke befördern solche Ideen und solches Verhalten.
Die meisten Menschen denken, dass ihnen so etwas nicht passieren kann. Gibt es denn Tipps, um sich vor Betrug zu schützen?
Laumann: Zwei Dinge sind wichtig: Erstens sollten wir uns bei einer solchen Entscheidung Zeit lassen und emotional Abstand gewinnen. Zweitens empfehle ich, mit Menschen darüber zu sprechen, die sich mit dem Thema auskennen, emotional aber nicht involviert sind. Unser Entscheidungsverhalten ist Millionen Jahre alt und wir entscheiden damit über Dinge im 21. Jahrhundert – das ist unsere Krux!
Viele fordern strengere Regeln für Influencer. Würde eine stärkere Regulierung helfen?
Laumann: Regulierung allein reicht nicht. Man braucht auch jemanden, der die Gesetze überwacht. Die Strafen müssten zudem hoch sein, um Täter abzuschrecken. Internet und Digitalisierung machen Abzocke einfacher, denn früher hat der Marktzugang das Geschäft wesentlich beschränkt. Wer etwa eine Aktie kaufen wollte, musste zur Bank gehen. Dadurch war die Hemmschwelle viel höher. Aber man muss sich nichts vormachen. Betrugsfälle gab es schon immer – und wird es auch immer geben. Die Entscheidungsprozesse des Menschen sind simpel. Wer das ausnutzen möchte, wird immer einen Weg finden. Das kann auch die strengste Regulierung nicht verhindern.
Über den Interviewten:
Janko Laumann lernte Anfang der 1990er bei der Sparkasse, arbeitete dann als Berater im Vertrieb und studierte später Wirtschaftspsychologie. Im Jahr 2013 gründete er das Institut für angewandte Finanzpsychologie. Laumann beschäftigt sich mit dem Thema Geld aus verhaltenspsychologischer Sicht und berät Vorstände, Führungskräfte und Berater zur Kundenkommunikation.