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Interview zu Chinas neuer Rolle in der Weltwirtschaft „China hat die Bazooka noch nicht ausgepackt“

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Und die Infektionszahlen? Stimmen die auch?

Da wäre ich außerordentlich vorsichtig. China hat Test-Kits verwendet, die sie auch ins Ausland verschickt haben, wo sie dann massenweise versagt haben. Hinzu kommen asymptomatische Fälle, die zum Teil überhaupt nicht dokumentiert worden sind. Das alles verzerrt die Statistik ungeheuerlich. Mittlerweile gibt es aber gewisse externe Kontrollen, weil auch ausländische Spezialisten im Land sind. Ich nehme deshalb an, dass sich die Datenqualität der Infektionszahlen innerhalb des letzten Monats verbessert hat.

China unterstützt seine Wirtschaft in der Krise bislang eher gezielt und punktuell, während Regionen wie die USA und Europa flächendeckende Rettungsprogramme gestartet haben. Was funktioniert besser?

China hat aus den Erfahrungen nach der Finanzkrise 2008/2009 gelernt. Damals hat man ein riesiges Hilfsprogramm in Höhe von 16 Prozent des BIP aufgelegt, das zu großen Verzerrungen geführt hat. Dieses Mal will man in der Tat eher kleinteilig und gezielt an neuralgischen Punkten ansetzen. So hat man die Sozialversicherungsbeiträge halbiert, auf lokaler Ebene Gutscheine für Konsumenten verteilt, regionale Subventionen für Elektro-Autos gestartet. Bis jetzt läuft das ziemlich gut, die Regierung geht aus meiner Sicht klug vor. Die gute Nachricht ist obendrein: China hat die Bazooka noch nicht ausgepackt, sondern noch Reserven.

Sie sprachen eingangs von einer Aufholwut. Inwiefern sehen Sie die auch langfristig?

China hat im Bereich Technik und Naturwissenschaften einen riesigen Sprung gemacht und entwickelt mit Blick auf das Humankapital gerade eine große Wucht. Das wird im Westen noch völlig unterschätzt. Ein Beispiel: Chinesische Talente, die bisher massenweise in den USA studiert, geforscht und gearbeitet haben, sind fast alle zurück in China und gründen dort Unternehmen. Die Auswirkungen kann man heute schon in der Digitalwirtschaft sehen. China wird künftig ganz grundsätzliche Dinge wie Internet-Infrastruktur und damit zusammenhängende internationale Standards prägen. Da wird China der Welt seinen Stempel aufdrücken.

China hat sich in der Vergangenheit viele Wettbewerbsvorteile erarbeitet. Im Gesundheitswesen, in der Entwicklung von Datencentern, sowie im Infrastrukturbereich bei Themen wie 5G. Was können Sie uns zum Stichwort 5G-Technologie in China sagen?

Bei der 5G-Technologie profitiert China davon, dass der Staat über Jahre hinweg einen klaren Plan verfolgt und damit Erwartungssicherheit herstellt, für Investoren und Konsumenten gleichermaßen. Ergebnis dieser Politik ist eine 5G-Welle. Es entsteht eine völlig neue Konnektivitäts-Infrastruktur. Im Oktober 2019 waren bereits 100.000 5G-Basisstationen installiert, ganze Städte in Südchina, wo Tencent und Alibaba sitzen, sind mit 5G-Kapazitäten gepflastert. Die konnten in der aktuellen Krise bereits für Drohneneinsätze und Contact-Tracing-Programme in Echtzeit genutzt werden. Auch Tests mit 5G-basierten Robo-Taxis sind während der Pandemie weitergelaufen. In diesem Jahr soll die Zahl der Stationen auf 600.000 Basisstationen steigen. Die Chinesen springen auf die Technologie an und kaufen die passenden Endgeräte, auf sie werden in diesem Jahr 70 Prozent der weltweit genutzten 5G-Endgeräte entfallen. Wir sehen dort ganz neue Geschäftsmodelle, bei allem was an 5G dranhängt wie vernetzte Mobilität, wird China vorpreschen und dort auf Jahre hinaus einen Vorsprung haben. Ich halte das für einen ganz wichtigen Wachstumsbereich.