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Blase im Reich der Mitte? Ausverkauf bei chinesischen Festlandaktien

Ottmar Wolf, Vorstand der Wallrich Asset Management AG, Frankfurt.
Ottmar Wolf, Vorstand der Wallrich Asset Management AG, Frankfurt.
Viele Anleger sehen in der derzeitigen Kursentwicklung chinesischer Aktien das Platzen einer Blase sowie Vorboten für eine weitere Eintrübung der chinesischen Konjunktur. Eine derartige Entwicklung hätte für die Weltwirtschaft gravierende Folgen und würde sich zwangsläufig auch bei deutschen Unternehmen negativ bemerkbar machen. So ist China der wichtigste Wirtschaftspartner Deutschlands in Asien und inzwischen weltweit der viertgrößte Abnehmer deutscher Exportgüter. Für Maschinen Made in Germany ist das Reich der Mitte sogar der wichtigste Absatzmarkt überhaupt.

Bei einer etwas differenzierterer Betrachtung der Situation zeigt sich jedoch, dass entsprechende Signale bisher lediglich von den sogenannten A-Shares ausgehen. Bei diesen „Festlandaktien“ handelt es sich meist um kleine Unternehmen, die zum Teil erst seit kurzer Zeit an den Börsen in Shanghai und Shenzen gelistet sind. Maßgebliche Akteure sind hier (überwiegend junge und unerfahrene) Privatanleger, die rund 80 Prozent des gehandelten Volumens bewegen. Sie haben den Markt in den vergangenen zwölf Monaten in der Spitze um bis zu 180 Prozent nach oben getrieben, wobei die chinesische Regierung die Rally durch das Absenken von Investitionshürden für Privatanleger und andere Maßnahmen gezielt befeuert hat.

Seit dem Hoch Mitte Juni haben A-Shares trotz Zinssenkung durch die chinesische Notenbank sowie weiterer geldpolitischer Maßnahmen nun allerdings über 30 Prozent an Wert verloren. Fast die Hälfte der in Shanghai und Shenzen notierten Unternehmen wurde aus Angst vor weiteren Kursverlusten vom Handel ausgesetzt. Ein Grund für den massiven Absturz ist wohl in den unzähligen IPOs der vergangenen Monate zu sehen, die viel Liquidität aufgesogen haben. Aufgrund teils hoher Kredithebel führen Kursverluste zudem immer wieder zu weiteren Notverkäufen. In Bezug auf A-Shares lässt sich somit zu Recht die Frage stellen, ob es sich noch um eine gesunde Korrektur oder bereits das Platzen einer möglichen Blase handelt.

Ganz anders dagegen bei den in Honkong gelisteten H-Shares, die überwiegend etablierte größere Firmen repräsentieren. Sie sind auch mit dem jüngsten Peak nicht signifikant aus dem seit über fünf Jahren bestehenden Seitwärtstrend ausgebrochen. Bei einem KGV von ca. zehn finden sich hier weder fundamentale noch markttechnische Anzeichen für eine Überbewertung oder gar Blasenbildung.

Wiederum auf sämtliche chinesischen Aktienmärkte bezogen darf zudem nicht übersehen werden, dass China nach wie vor über einen großen geldpolitischen Spielraum verfügt, um die Märkte und die Wirtschaft bei Laune zu halten bzw. wieder nach oben zu bewegen. So liegen die Leitzinsen mit 4,85 Prozent weit über denen in Europa, den USA und Japan. Zudem ist keineswegs ausgeschlossen, dass die chinesische Zentralbank ähnlich wie FED und EZB das Finanzsystem im Rahmen eines Quantitative Easing Programms mit Geld flutet.

Insbesondere unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Mittel erscheint eine Stabilisierung möglich, und selbst wieder steigende Kurse sind im weiteren Jahresverlauf durchaus denkbar. Eine Fortsetzung des Börsenrückgangs könnte andererseits jedoch ein Indikator für eine nochmalige konjunkturelle Eintrübung in China sein und das Konsumklima gleichzeitig verschlechtern – mit negativen Folgen auch für deutsche Unternehmen. Selbst für Aktienanleger ohne direktes China-Exposure gilt es deshalb, die aktuelle Entwicklung an den chinesischen Börsen unbedingt im Auge zu behalten.

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