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„Die Depotbankhaftung ist ein wirkliches praktisches Problem“

DAS INVESTMENT.com: Risikolos einen höheren Ertrag als am Geldmarkt zu erzielen, das funktioniert eine gewisse Zeitlang auch in Schneeballsystemen (Verdacht auf Milliardenbetrug: US-Superinvestor Madoff verhaftet)...
Seip: Das stimmt. Aber dort ist das Risiko unermesslich hoch, denn es führt zum Totalverlust (Luftnummer: Madoff hat nie Wertpapiere gekauft). DAS INVESTMENT.com: Dass so etwas aber im Mantel eines Luxemburger oder irischen Fonds passiert, war nicht unbedingt zu erwarten, oder?
Seip: Nein, das war nicht zu erwarten. Es ist derzeit noch die Frage, ob diese Fonds selbst betrogen worden sind oder Teil des betrügerischen Systems von Bernard Madoff waren. Das wissen wir nicht. Es gibt in den Fondsprospekten keinen Hinweis darauf, dass das Geld bei Madoff gemanagt worden ist. Aber es kann mir keiner erzählen, dass die Verantwortlichen annahmen, die in den Unterlagen genannte Bank Medici sei tatsächlich der Manager. DAS INVESTMENT.com: Das haben vermutlich auch die Dachfondsmanager und Vermögensverwalter, die den Herald US Absolute Return oder den Thema US Equity für ihre Kunden ins Depot nahmen, nicht angenommen. Aber sie haben sich darauf verlassen, dass die vom Gesetz vorgegebene Trennung von Manager und Depotbank funktioniert.
Seip: Es ist in der Tat die Verantwortung der Depotbank, dafür zu sorgen, dass die im Vermögensverzeichnis enthaltenen Vermögensgegenstände auch tatsächlich immer vorhanden sind. Allem Anschein nach wurden diese jedoch an einen Unterverwahrer ausgelagert, der zu Madoffs Imperium gehört. Man hat sich dann offenbar von dort entsprechende Vermögensaufstellungen kommen lassen und diese ohne nähere Prüfung als Tatsache hingenommen. Das wäre aus unserer Sicht zumindest eine Fahrlässigkeit. (Depotbanken: Offen für Nebenjobs) DAS INVESTMENT.com: Für die die Depotbank gerade stehen müsste?
Seip: Wir meinen ja. Für das europäische Investmentfondssystem stellt sich aber darüber hinaus die generelle Frage nach weiteren Konsequenzen. Müssen wir bei den Depotbankpflichten nacharbeiten? Das wird ja zurzeit geprüft (Madoff-Skandal: Entschädigungsfrage ruft EU-Kommission auf den Plan). DAS INVESTMENT.com: Wie der Umfang der Depotbankhaftung aussieht, ist europaweit nicht einheitlich geregelt. In Frankreich zum Beispiel hätte es allem Anschein nach gar keinen Fall Madoff geben können...
Seip: Das behaupten die Franzosen... DAS INVESTMENT.com: Der BVI wollte es genauer wissen und hat bei der Anwaltskanzlei SJ Berwin ein entsprechendes Gutachten in Auftrag gegeben. Mit dem Ergebnis, dass Fondsgelder in Luxemburg offenbar sicherer aufgehoben sind als in Deutschland. Zumindest kann sich eine deutsche Depotbank in der Haftungsfrage leichter aus der Verantwortung ziehen als eine Depotbank in Luxemburg.
Seip: Tatsache ist, dass wir in Deutschland die Möglichkeit der Beschränkung auf Ausfallverschulden haben. DAS INVESTMENT.com: Das bedeutet?
Seip: Die Haftung wird delegiert, wenn eine Depotbank den Beweis führen kann, dass sie ihre Unterverwahrstelle sorgfältig ausgesucht und überwacht hat. Das galt bisher auch stets als sachgerecht, weil wir im sehr stark internationalisierten Investmentfondsgeschäft natürlich darauf angewiesen sind, dass in anderen Märkten Verwahrstellen beauftragt werden können. Eine Depotbank in Deutschland kann schließlich schlecht peruanische Aktien verwahren, dafür muss sie einen Unterverwahrer vor Ort beauftragen. DAS INVESTMENT.com: Ohne ihn entsprechend zu kontrollieren?
Seip: Nein, nicht ohne Kontrolle. Aber nehmen wir einmal an, das System würde so geändert, dass die Depotbank für jedes Verschulden jedes Unterverwahrers in jedem Land haften muss. Welche Depotbank wäre bereit, diese Risiken einzugehen? Und welchen Effekt hat das auf die Möglichkeit des Anlegers, sein Portfolio auch international breit zu streuen? Ich will da nichts vorwegnehmen, aber das wird der Kern der Diskussion sein. Im Moment zumindest sind die Margen im Depotbankgeschäft nicht so gestaltet, dass solche erheblichen Haftungsrisiken damit auch abgedeckt werden können. Das ist ein wirkliches praktisches Problem. DAS INVESTMENT.com: Wie ist denn in dieser Frage die Position des BVI?
Seip: Ein Fondskunde muss sich absolut darauf verlassen können, dass seine Vermögensgegenstände nicht abhanden kommen. Das ist ohne Zweifel wichtiger als die Möglichkeit, in jedem Land der Welt investieren zu können. Davon unabhängig wird man sich Gedanken machen müssen, wie man das Verhältnis zwischen Depotbanken und Unterverwahrern optimieren kann. DAS INVESTMENT.com: Nach europäischem Recht aufgelegte Fonds könnten also künftig in bestimmten Ländern gar nicht mehr investieren?
Seip: Wenn man sagt, Depotbanken haften grundsätzlich immer, egal, ob sie selbst verwahren oder einen Unterverwahrer einschalten, könnte das in der Tat die Konsequenz sein. Weil es dann für bestimmte Drittländer überhaupt keine Depotbank mehr geben könnte, die dieses Risiko auf sich nimmt. DAS INVESTMENT.com: Bei Madoff sprechen wir über das Drittland USA.
Seip: Das stimmt, und dadurch ist der Fall auch wesentlich weniger problematisch. Es gibt nämlich keinen erkennbaren Grund, warum eine international tätige Depotbank eine Firma Madoff mit der Verwahrung beauftragt, anstatt diese Aufgabe innerhalb des eigenen Konzerns erledigen zu lassen. Das wird bei der Aufklärung eine wesentliche Rolle spielen, ebenso die Frage, wie jemand überhaupt auf die Idee kommt, dieselbe Firma, die auch die Assets managt, mit der Verwahrung zu beauftragen. Auch bei einer Haftung, die sich auf Auswahlverschulden beschränkt, müsste es deshalb so sein, dass das Pendel am Ende zugunsten der in den Fonds investierten Anleger ausschlägt. BVI–Hauptgeschäftsführer Stefan Seip über...
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