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Aktualisiert am 27.01.2020 - 15:57 Uhrin VersicherungenLesedauer: 6 Minuten

„Ein Versichererwechsel sollte nicht mit hohen Verlusten verbunden sein“

Michael M. Sennert
Michael M. Sennert
CSS Versicherungen

DAS INVESTMENT.com: Sie sagen, private Krankenzusatzversicherungen sind das Geschäft der Zukunft. Michael M. Sennert: Ja, die Folgen der unzähligen großen und kleinen Gesundheitsreformen hinterlassen bereits seit Jahren ihre Spuren – und ein Ende ist nicht in Sicht. Die aktuelle Gesundheitsreform zum Beispiel führt mit ihrem Basistarif, der Portabilität der Alterungsrückstellungen, Honorarreform für Ärzte und so weiter, und so weiter, in der Summe nur wieder zu steigenden Belastungen für Versicherte. Gleichzeitig erhält die private Krankenvollversicherung zu geringen Rückhalt durch die Regierungen. Immer wieder werden Forderungen laut, die Vollversicherung abzuschaffen. Nicht umsonst haben einige Vollversicherer angekündigt, ihr Zusatzgeschäft erheblich auszubauen. Denn die Nachfrage nach leistungsstarken Ergänzungsversicherungen steigt kontinuierlich. DAS INVESTMENT.com: Warum ist das so? Sennert: Die Kunden sehen die Notwendigkeit, selbst die Lücken der gesetzlichen Versorgung zu schließen. Gleichzeitig haben sie die Möglichkeit, viel Geld einzusparen, wenn sie sich rechtzeitig absichern, beziehungsweise das unklare Risiko in eine kalkulierbare Belastung umwandeln. Daher ist das Potenzial in dem Bereich bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Aus meiner Sicht bewegt sich Deutschland in eine Richtung, die aus der Schweiz bekannt ist: Grundversicherung mit klar definierten Basis-Leistungen, alles Weitere wird über Zusatzversicherungen abgedeckt. In der Schweiz haben daher über 90 Prozent der Bevölkerung eine Zusatzversicherung. DAS INVESTMENT.com: Das Geld verdienen Makler und Berater aber eher in der Krankenvollversicherung. Sennert: Richtig, die Courtagen, die in der Vollversicherung gezahlt werden, sind natürlich nicht mit denen der Zusatzversicherung vergleichbar. Das Krankenzusatzgeschäft kann sich aber lohnen, und zwar dann, wenn es zu einem vereinfachten Einstieg in die Gesamtberatung angewendet wird und so schlussendlich die Masse zur Rendite führt. DAS INVESTMENT.com: Beim Massengeschäft bleibt die Qualität aber oft auf der Strecke. Sennert: Oft ja – aber nicht zwingend. Da die Verbraucher immer preissensibler und gleichzeitig anspruchsvoller werden, erhöht sich der Beratungsaufwand für die Vermittler. Bei einem Massengeschäft, das von einer schnellen Abwicklung lebt, müssen die Vermittler also besonders effizient arbeiten. DAS INVESTMENT.com: Das könnte aber gerade in der Versicherungsbranche mit oft undurchsichtigen und stark unterschiedlichen Bedingungen schwierig werden. Sennert: Die Auseinandersetzung mit den zahlreichen Ausnahmeregelungen, Staffelungen und Wartezeiten kostet die Vermittler in der Tat viel Zeit – ganz abgesehen von der Aufgabe, diese auch noch den Kunden inhaltlich zu vermitteln und haftungssicher protokollieren zu müssen. Daher setzen wir als Versicherer auf Tarife, die in ihrem Aufbau immer derselben Systematik folgen, ebenso wie der Schadenfreiheitsrabatt immer demselben Prinzip folgt. In den Versicherungsbedingungen verzichten wir weitgehend auf Ausnahmen, Wartezeiten oder komplizierte Staffelungen. DAS INVESTMENT.com: Eine wesentliche Neuerung der aktuellen Gesundheitsreform ist die Möglichkeit der Versicherten, ihre Altersrückstellungen bei einem Anbieterwechsel mitzunehmen zu können – wird das zu mehr Wettbewerb führen, wie von der Regierung erhofft? Sennert: Die aktuellen Zahlen zeigen eine eher pessimistische Tendenz. Vermutlich auch deshalb, weil die Mitnahmeregelung noch stark eingeschränkt ist – sie ist nur auf den Basistarif auf Krankenkassenniveau bezogen, in dem der Versicherte 18 Monate bleiben muss. Das dürfte sich nur für ganz wenige Wechselwillige lohnen. Grundsätzlich sollte der Wechsel des Versicherten nicht mehr mit hohen finanziellen Verlusten verbunden sein. Nur eine vollständige Loslösung und Transparenz würde echte Vergleichbarkeit bringen. Dann würde es ganz konkret um die Tarife und Serviceangebote gehen.   DAS INVESTMENT.com: Die Portabilität der Altersrückstellungen gilt für die Zusatzversicherung nicht – ist das eine Benachteiligung für Anbieter wie Sie, die einen Fokus auf Zusatzpolicen gesetzt haben? Sennert: Nein überhaupt nicht. Eine Portabilitätsregelung wäre für die Zusatzversicherung zu aufwändig. Zudem stellt sich die Frage eigentlich auch nicht, denn in der Zusatzversicherung stellt es der Gesetzgeber den Versicherern frei, ob sie im Zusatzbereich Alterungsrückstellungen bilden oder nicht. Wir verzichten komplett darauf, was in der Schweiz und im übrigen europäischen Ausland marktüblich ist. Ich sehe dies als klaren Vorteil für die Kunden: Bei uns zahlt der Kunde nur die tatsächlich risikorelevanten Beiträge und spart nicht für ein Alter an, von dem er gar nicht weiß, ob er dies jemals erreicht. Laut Berechnungen greift die Alterungsrückstellung erst ab einem Alter von rund 80 Jahren. Vielleicht benötigt der Kunde bis dahin aber gar nicht mehr den Versicherungsschutz oder ein anderes Angebot entspricht besser seinen individuellen Anforderungen. Wechselt er in dem Fall, würde er die Alterungsrückstellung verlieren – und müsste einen hohen finanziellen Verlust in Kauf nehmen. Ohne Altersrückstellungen ist der Kunde flexibler und freier in der Wahl des für ihn besten Versicherungsschutzes. DAS INVESTMENT.com: Darauf scheinen auch die gesetzlichen Kassen zu setzen, auch sie bieten bei den neuen Wahltarifen Produkte ohne Altersrückstellungen an – warum sollte sich der Kunde hier für eine private Zusatzversicherung entscheiden? Sennert: Bezüglich der Wahltarife ist vieles noch ungeklärt. Die Grundlagen der Kalkulation seitens der gesetzlichen Krankenversicherung sind nicht immer transparent. Zudem gibt es fast wöchentlich neue Weisungen seitens der Regierung, wie jetzt dem Verbot der Prämienkalkulation nach Altersstufen. Die Verunsicherung ist groß, gleichzeitig bindet sich ein Versicherter aber für drei Jahre an das Produkt. Sie dürfen mich nicht falsch verstehen, die Wahltarife und die damit verbundene Idee, Basisversorgung und Ergänzungen aus einer Hand zu erbringen, ist grundsätzlich gut. Die Umsetzung steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Somit kann man sagen, dass die meisten der aktuell verfügbaren Wahltarife keine echte Alternative für eine gute Zusatzversicherung darstellen. DAS INVESTMENT.com: Die Tarife ohne Altersrückstellungen sind für junge Menschen günstiger, wie sieht es aber im Alter aus, wenn dafür nicht durch die Rückstellungen eine Reserve gebildet wird – steigen die Prämien dann nicht exorbitant an? Sennert: Zum einen muss man sehen, dass Versicherte auch bei Tarifen mit Alterungsrückstellung nicht vor Beitragserhöhungen gefeit sind. Anders als bei den von Alterungsrückstellungen befreiten Tarifen ist die Höhe der Anpassung aber viel schwieriger zu prognostizieren. Denn oft stellt sich nachträglich heraus, dass die gebildete Alterungsrückstellung zu gering war und aufgestockt werden muss – nicht selten sind dann zusätzliche Beitragserhöhungen von 20 Prozent und mehr nötig. Bei den Tarifen ohne Alterungsrückstellungen lässt sich die Steigerung anhand der altersabhängigen Beitragstabellen dagegen gut voraussehen. Im Vergleich ist auch zu sehen, dass beispielsweise im stationären Bereich, in dem diese Art der Tarifkalkulation besonders diskutiert wird, bei einem Abschluss im Alter von 30 Jahren die CSS erst mit dem vollendeten 49. Lebensjahr erstmals die Prämie eines Anbieters mit Alterungsrückstellung übersteigt. Bis dahin hätte man die monatliche Prämienersparnis alternativ zu besserer Rendite und entkoppelt von der Zusatzversicherung anlegen können. DAS INVESTMENT.com: Die Frage ist, ob ein Versicherter das tatsächlich macht. Oft ist der Anreiz größer, das Geld doch für etwas anderes auszugeben. Haben Altersrückstellungen nicht eine gewisse disziplinierende Funktion? Sennert: Die Statistiken zeigen, dass Krankenzusatzversicherungen sehr häufig gekündigt werden. Das heißt, der integrierte Sparvorgang in der Krankenversicherung führt häufig zum völligen Verlust der angesparten Alterungsrückstellung. Kunden, die vor der Wahl stehen, freiwillig innerhalb der Krankenversicherung eine zusätzliche Alterungsrückstellung anzusparen oder eine Rentenversicherung abzuschließen, wählen meist die flexiblere Rentenversicherung, weil diese dann im Alter zur Verfügung stehen und die  Krankenversicherung gegebenenfalls gekündigt wurde. Die mangelnde „Disziplin" in der Altersvorsorge ist jedoch größtenteils darauf zurückzuführen, dass Kunden oft gar nicht in der Lage sind, langfristige Sparvorgänge durchzuhalten. Steht nur ein bestimmter Teil des Einkommens für Versicherungsschutz und Altersvorsorge zur Verfügung, muss der Vermittler zwischen erforderlichem Risikoschutz und Sparvorgängen optimieren und richtig beraten. Und da die Verhältnisse sich ändern können, muss er auch Produkte vermeiden, in denen die Sparvorgänge zu Verlusten führen, wenn sie nicht durchgehalten werden können, zum Beispiel der Verlust der Alterungsrückstellung.  DAS INVESTMENT.com: Wie sehen Sie die Perspektive für den Gesundheitsmarkt in den nächsten zwölf Monaten? Sennert: Es steht uns auf jeden Fall eine ereignisreiche Zeit bevor. Es gilt abzuwarten, wie die Verfassungsbeschwerde der privaten Krankenversicherer ausgeht, davon hängt einiges an. Ebenso ist die Entwicklung des Gesundheitsfonds noch nicht absehbar. Auch durch die Bundestagswahl könnte noch in diesem Jahr ein entscheidender Richtungswechsel stattfinden. DAS INVESTMENT.com: Viele Unwägbarkeiten also. Sennert: Ja, es bleibt auf jeden Fall spannend.

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