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„Investoren flüchten beim kleinsten Nachrichtenwackler“

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Wie sind angesichts dieses Szenarios die Aussichten für hochqualitative Staatsanleihen?

Preißler: Während die Marktstimmung für Aktien im Allgemeinen neutral zu bewerten ist, sind die Investoren für Anleihen aus den sicheren Häfen beinahe schon chronisch negativ eingestellt – wahrscheinlich ist gerade das eines der Geheimnisse für die relative Stärke deutscher Bundesanleihen. Diese Unbeliebtheit ist natürlich eng mit den extrem hohen Bewertungen verknüpft.

Zwischen der aktuellen Rendite zehnjähriger Bundesanleihen und ihrem Modellwert klafft nach wie vor eine enorme Lücke. Auf Basis unserer ökonometrischen Schätzung müssten die Renditen eigentlich bei etwa 2,10 Prozent liegen, mehr als 80 Basispunkte über ihrem aktuellen Niveau.

Auch aus technischer Sicht sind Bundesanleihen markant überkauft. Dennoch versanden seit einer gefühlten Ewigkeit sämtliche Anläufe für einen Renditeanstieg. Mehr noch, bereits beim kleinsten Nachrichtenwackler – ob politisch oder makroökonomisch – flüchten die Investoren aufs Neue in den bewährten sicheren Hafen.

Der mittelfristig entscheidende Faktor für das Renditeprofil sind die Konjunkturdaten, die maßgeblich für die Entwicklung der Realzinsen sind. Sollte mit Blick auf die Datenlage ein Trend zum Besseren einsetzen – mit dem wir rechnen –, ist mit einem Anstieg der Realzinsen zu rechnen. Wir erwarten den Gipfel zehnjähriger Laufzeiten nach wie vor im 3. Quartal bei etwa 2,20 Prozent. Wir liegen mit dieser Prognose über dem Konsensus, der die Langläufer Ende des Jahres auf 1,90 Prozent taxiert.

Den Beginn eines längeren Bärenmarktes befürchten wir indes nicht, im Gegenteil. Sollten bis zum Jahresende die ersten konjunkturellen Frühindikatoren schon wieder ihre zyklischen Hochpunkte erreicht oder durchschritten haben, wie dies unsere vorausschauenden Indikatoren nahelegen, eröffnet sich von dieser Seite Raum für wieder tiefere Renditen.

Pfandbriefe und Unternehmensanleihen sind im vergangenen Jahr bereits gut gelaufen. Sehen Sie in diesen Anleihesegmenten weiterhin gute Chancen für Anleger?

Preißler: Unternehmensanleihen haben sich im bisherigen Jahresverlauf zwar besser entwickelt als Euro-Staatsanleihen, der Ertragsvorsprung hat sich jedoch spürbar verringert. Das liegt zum einen an den niedrigen Renditen, zum anderen wirken aber auch die weiter gesunkenen Risikoprämien allmählich als Performancebremse. Wegen der niedrigen Kupons besteht bei steigenden Zinsen derzeit kaum noch ein wirksamer Ertragspuffer.

Deshalb betrachten wir Unternehmensanleihen derzeit betreffend absoluter Kursentwicklung nicht mehr als attraktiv – wohl aber betreffend relativer Kursentwicklung. Denn die Risikoprämien sind in der Regel zyklisch und sollten mit fortschreitender konjunktureller Belebung weiter sinken. Damit dürften die Bewertungen von Unternehmensanleihen im zweiten Halbjahr ambitionierte Niveaus erreichen.

Sollte der konjunkturelle Hochpunkt am Jahresende in Sichtweite geraten, dürfte auch der übermäßig gute Trend von Unternehmensanleihen kippen. An den Pfandbriefmärkten hat der jüngste Anstieg der Risikoprämien um rund 30 Basispunkte bei mittleren und längeren Laufzeiten wieder zu attraktiven Investitionschancen geführt.

Und wie dürften Euro-Staatsanleihen der Eurozonen-Peripherie sich entwickeln?

Preißler: Für die Anleihenmärkte der Peripherie bleibt unsere Einschätzung auch in den kommenden Monaten positiv. Dort sind die Renditen gemessen an ihren fairen Niveaus nach wie vor viel zu hoch, insbesondere in Italien und Spanien. Sofern neue Schocknachrichten ausbleiben, dürfte das Interesse an den attraktiven Renditen dieser Länder weiter zunehmen – auch wegen des segensreichen Aufkauf-Programms der EZB.

Wir gehen davon aus, dass die Renditen zehnjähriger italienischer Staatsanleihen in den nächsten zwölf Monaten von aktuell rund 4,50 auf 3,50 Prozent sinken können. Im Verbund mit dem Renditeanstieg deutscher Bundesanleihen würde sich die Risikoprämie von 325 auf 125 Basispunkte verringern.

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