LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in WirtschaftLesedauer: 7 Minuten
Headphones
Artikel hören
Robert Halver zum Brics-Treffen
Ist der Westen bald am Ende?
Die Audioversion dieses Artikels wurde künstlich erzeugt.

Robert Halver zum Brics-Treffen Ist der Westen bald am Ende?

Robert Halver, Baader Bank
Robert Halver, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank in Frankfurt | Foto: Canva, Collage, Imago Images / UPI Photo, Baader Bank

Die Brics-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika haben sich auf ihrem Treffen in Johannesburg um sechs Länder vergrößert. Bald sollen sogar noch mehr als 20 weitere Länder hinzukommen und eine Art Brics+ bilden. Zeichnet sich hier eine geopolitische Zeitenwende zum Nachteil des Westens ab?

Auch wenn diese Bewegung aktuell noch mehr Schaum als Bier ist, hat der Westen keinen Grund, sich zurückzulehnen. Und Brüssel und Berlin sollten ihre ideologische Irrfahrt schnell beenden.

Die Brics stellen 41 Prozent der Weltbevölkerung, ein Viertel der Weltwirtschaft und sitzen auf im Westen heiß begehrten Rohstoffen wie Onkel Dagobert auf seinen Golddukaten. Wenn das nicht überzeugende Gründe sind, es mit weiteren befreundeten Ländern den „Imperialisten“ vor allem aus den USA zu zeigen, die ihre Dominanz zu Lasten der Entwicklungsländer ausnutzen. So zwingt die Weltleitwährung US-Dollar Länder wie China oder Indien dazu, die dramatische US-Staatsverschuldung mitzufinanzieren.

 

 

 

Brics wie Popeye ohne Spinat?

Dennoch muss viel Wasser in den vermeintlich neuen süßen geopolitischen Wein gegossen werden. Bislang ist Brics ja keine schlagkräftige Allianz, sondern eher eine Interessenvereinigung (IG) und ohnehin ein Kunstbegriff, den ausgerechnet ein amerikanisches Geldhaus initiiert hat.

Wenn der Westen so weitermacht, gräbt er sein eigenes Grab. 

Und wie stark ist eine IG, die Wladimir Putin trotz internationalem Haftbefehl noch nicht einmal freies Geleit nach Johannesburg gewähren kann?

Gefährliche Konkurrenz zu Amerika würde Brics erst dann, wenn sie mit einer alternativen Weltwährung die „Ent-Dollarisierung“ einleiteten. Das würde das Dollar-Imperium sicherlich ins Wanken bringen.

Mit dieser Währungsalternative ist aber auf absehbare Zeit nicht zu rechnen. Sollte der Yuan der Anker einer neuen Weltleitwährung werden, müsste China seine Finanz- und Devisenmärkte FKK-ähnlich liberalisieren. Jedoch geht eher ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass die kontrollsüchtige KP diese Freiheit gewährt, zumal damit über Yuan-Stärke Exportverluste drohen.

1.200% Rendite in 20 Jahren?

Die besten ETFs und Fonds, aktuelle News und exklusive Personalien erhalten Sie in unserem Newsletter „DAS INVESTMENT Daily“. Kostenlos und direkt in Ihr Postfach.

Zwar sieht Brasiliens Staatspräsident Lula da Silva den Euro als Vorbild einer alternativen Weltwährung. Doch selbst die Gemeinschaftswährung brauchte von den ersten Planungen bis zur Einführung weit über 25 Jahre, obwohl Europa bereits ökonomisch stark integriert war. Davon kann bei Brics keine Rede sein.

Überhaupt, je größer Brics+ wird, umso schwerer ist es, Corpsgeist zu entfachen. Und wer soll den Hahn im Hühnerstall spielen? Viele der Brics+-Mitglieder wollen nicht amerikanische gegen chinesische Abhängigkeit eintauschen, schon gar nicht Indien. Und was nutzen Bodenschätze, die man nicht an die kaufkräftige westliche Welt verkauft? Das Klumpenrisiko, nur an China zu verkaufen, wird man wohl kaum eingehen.

Eine anti-westliche Bewegung nicht nur als Zwergenaufstand abtun

Auch wenn die Gefahren eines neuen starken Staatenbündnisses oder sogar einer zum US-Dollar alternativen Währung vorerst nicht bestehen, hat der Westen keinen Grund für arrogante Selbstzufriedenheit.

 

Amerika hat genügend eigene Probleme, u.a. Überschuldung, eine dramatisch gespaltene Gesellschaft und politische Verhältnisse, die an „House of Cards“ erinnern. Außerdem sollte es im Kampf um die Weltspitze nicht seinen transatlantischen Vorgarten in Europa vernachlässigen. Je mehr der Westen zusammenhält, umso mehr kann er sich gegen zunehmend undemokratische Tendenzen wehren. Es ist zu hoffen, dass diese Weisheit bei der US-Präsidentschaftswahl 2024 eine Rolle spielt.

Europa wiederum muss aus seiner Oberlehrerhaltung heraus. Moralisierend werden weltweit eigene Standards beim Umweltschutz und Menschenrechten eingefordert und damit autoritären Regimen der Vorwurf des westlichen Neo-Kolonialismus erlaubt. Hans-Dietrich Genscher wusste noch, dass Außenpolitik die Kunst des Möglichen ist. Daneben sollte Europa eigene geopolitische und militärische Stärken aufbauen, um nicht nur vom Traktorstrahl Asiens loszukommen, sondern auch um von Amerika ernstgenommen zu werden.

Europa muss vom ideologischen Highway to Hell abbiegen

In vielen industriellen und technologischen Bereichen müssen wir zudem zurück an die Spitze. So mancher Gesundbeter, der noch keine Schaufel in der Hand hatte, sollte zur Kenntnis nehmen, dass der deutsche Wohlstand auf Industrie beruht. Deindustrialisierung, die weitere Unternehmen wie Zulieferer in den Abgrund zieht, ist also keine gute Idee.

 

PDF nur für Sie. Weitergabe? Fragen Sie uns.
Tipps der Redaktion