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Jahresendrally fällt wohl aus

Die Aktienmärkte sind in Europa in den ersten Tagen des Oktobers schwach gestartet. Das gleiche gilt für die Wall Street. Das könnte einen Vorgeschmack auf den Rest des Jahres liefern. Das Sentiment der Marktteilnehmer ist jedenfalls schon einmal ins Negative gedreht. Ein wesentlicher Grund für den Stimmungsumschwung ist in der Geldpolitik der amerikanischen Notenbank Fed begründet.
Kampf gegen steigende Preise noch nicht beendet
Bis zur bislang letzten Sitzung der Notenbanker im September hatten die Börsianer mindestens auf eine Zinspause oder sogar eine erste Zinssenkung gesetzt, was die Kurse nach oben getrieben hat. Zwar hat sich die Fed von ihrer forward guidance verabschiedet. Notenbank-Chef Jerome Powell hat aber eindeutig klar gemacht, dass er dem Kampf gegen die steigenden Preise noch nicht für beendet hält.
Das neue Mantra heißt jetzt: „Higher for longer“. Damit ist eine erste Leitzinssenkung erst einmal in weite Ferne gerückt. Powell hat in der Vergangenheit immer wieder betont, sich bei der Geldpolitik an den volkswirtschaftlichen Daten zu orientieren. Und da sah es zuletzt in den USA nicht gerade ermutigend aus.
Weiter (zu) hohe Geldentwertung
Die Inflation ist in den Vereinigten Staaten im August auf 3,7 Prozent gestiegen und damit einen Tick stärker als von den Volkswirten erwartet. Seit dem Tief im Juni haben sich die Verbraucherpreise damit um 0,7 Prozentpunkte verteuert. Die Inflation ist deutlich vom Zwei-Prozent-Ziel der Fed entfernt, an dem Powell stoisch festhält.
Ein wesentlicher Grund für die wieder gestiegene Teuerungsrate ist der Ölpreis. Von Ende Juni bis Ende September hat sich die Sorte WTI in der Spitze um rund 38 Prozent auf fast 94 Dollar verteuert. Trotz der jüngsten Korrektur ist eine Entwarnung nicht wirklich in Sicht. Saudi-Arabien und Russland wollen ihre Produktion weiter drosseln, um den Ölpreis nach oben zu treiben. Gleichzeitig kann US-Präsident Joe Biden nicht noch einmal Öl aus den staatlichen Vorräten auf den Markt fluten lassen, um der Teuerung entgegenzuwirken, weil die Lager noch immer nicht wieder aufgefüllt sind. Jetzt eskaliert auch noch die Lage im Nahen Osten.
Zudem sendet der Arbeitsmarkt in den USA unterschiedliche Signale. Im September wurden 336.000 neue Stellen außerhalb der Landwirtschaft geschaffen. Außerdem wurde die Zahl für August nach oben korrigiert. Dafür wurde die Zahl für Juli von ursprünglich 187.000 gemeldeten neuen Arbeitsplätzen auf 157.000 nach unten revidiert. Für Juni fiel die Korrektur noch drastischer aus – von 185.000 auf nur noch 105.000. Zumindest scheint klar, dass es ein robuster Arbeitsmarkt der Fed erschweren würde, die Inflation in den Griff zu bekommen.
Haushaltsstreit nur verschoben
Gleichzeitig läuft Washington Gefahr, politisch gelähmt zu werden. Denn der Haushaltsstreit zwischen den regierenden Demokraten und den oppositionellen Republikanern ist keineswegs beigelegt. Beide Parteien haben sich zuletzt nur auf einen Übergangshaushalt bis Mitte November geeinigt. Dann dürfte es zur nächsten Runde im Gefeilsche um die Budgets gehen, wodurch erneut ein Shutdown der USA über den Aktienmärkten schweben könnte.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Republikaner in einem historischen Akt ihren eigenen Sprecher im Repräsentantenhaus gestürzt haben und damit selbst zunächst quasi handlungsunfähig sind. Eine Einigung scheint vor dem politisch aufgeladenen Hintergrund dieses Jahr nochmals schwerer zu fallen als in der Vergangenheit.
Schließlich ist es diesmal leider unwahrscheinlich, dass China, die nach den USA zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, den konjunkturellen Karren aus dem Dreck zieht. Verschiedene Daten wie die Industrieproduktion oder die Umsätze im Einzelhandel deuten klar auf eine Abschwächung der chinesischen Wirtschaft hin.
Und Peking scheint nicht gewillt, wie in der Vergangenheit mit großen Infrastrukturprojekten gegenzuhalten. Vielleicht ist das auch gar nicht mehr möglich. Schon heute gibt reichlich unbewohnte Geisterstätte und ausreichend Straßen, Bahntrassen oder Flughäfen.
Wenn die beiden größten Volkswirtschaften der Welt nicht wirklich rund laufen, geht das natürlich an einer Exportnation wie Deutschland nicht spurlos vorüber. Der Ifo-Index ist von April bis September von 93,5 auf nur noch 85,7 Punkte gefallen. Die Erwartungen der Unternehmen sind ähnlich stark unter die Räder gekommen. Laut Ifo-Institut tritt die deutsche Wirtschaft auf der Stelle. Dem ist wohl kaum zu widersprechen.
Lichtblicke reichen kaum aus
Zwar gibt es aus Anlegersicht auch positive Entwicklungen. Vor allem die südeuropäischen Länder drängen die EZB, die Leitzinsen nicht weiter zu erhöhen. Hier ist also zumindest eine längere Zinspause möglich. Gleichzeitig sind die Bewertungen vor allem europäischer Aktien tendenziell günstig. Doch nach wie vor gibt an den internationalen Aktienmärkten die Wall Street den Takt vor. Und auch die tendenziell günstigere Bewertung könnte sich vor dem Hintergrund rezessionsbedingt erodierender Gewinne schnell wieder normalisieren. Diese Lichtblicke sind daher wohl eher zu schwach, um für eine Jahresendrally zu sorgen.
Über den Autor:
Mark-Uwe Falkenhain verfügt über 35 Jahre Berufserfahrung bei der Beratung vermögender Privat- und Geschäftskunden. Nach mehreren Stationen bei deutschen und internationalen Großbanken ist er bei Geneon seit fünfzehn Jahren als Vorstand tätig.