Jakob Augstein im Interview
„Ich glaube an Aktien“
Aktualisiert am 27.09.2022 - 15:01 Uhr
Verleger Jakob Augstein: „Solange wir den Kapitalismus haben, sollten wir ihn nutzen.“ Foto: Franziska Sinn
Journalist und Verleger Jakob Augstein spricht im Interview mit dem Deutschen Derivate Verband über die politischen Verhältnisse in Deutschland und seine Einstellung zur Altersvorsorge.
Nach knapp 15 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel – wie fällt Ihr Fazit hierzu aus?
Augstein: Als man den früheren chinesischen Premierminister Tschou en Lai fragte, was er über die Französische Revolution denke, antwortete er: „Es ist noch zu früh, darüber ein Urteil abzugeben.“ Wofür Merkel im Gedächtnis bleiben wird, ist ganz unklar. Europa – das ihre große Herausforderung war – wird es sicher nicht sein.
Ist die Spaltung unserer Gesellschaft in den vergangenen Jahren sichtbarer geworden?
Augstein: Die Frage ist klug gestellt – denn die Spaltung ist tiefer denn je, aber nicht unbedingt sichtbarer...
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Nach knapp 15 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel – wie fällt Ihr Fazit hierzu aus?
Augstein: Als man den früheren chinesischen Premierminister Tschou en Lai fragte, was er über die Französische Revolution denke, antwortete er: „Es ist noch zu früh, darüber ein Urteil abzugeben.“ Wofür Merkel im Gedächtnis bleiben wird, ist ganz unklar. Europa – das ihre große Herausforderung war – wird es sicher nicht sein.
Ist die Spaltung unserer Gesellschaft in den vergangenen Jahren sichtbarer geworden?
Augstein: Die Frage ist klug gestellt – denn die Spaltung ist tiefer denn je, aber nicht unbedingt sichtbarer denn je. Ja, es gibt die Flaschensammler in den Städten, und es gibt die zerfallende Infrastruktur, Schulen, Straßen, Brücken, die wegen mangelnder Investionen des Staates vernachlässigt werden. Aber den Reichtum, der sich auf der anderen Seite angehäuft hat, den sieht man kaum, der spielt sich im Verborgenen ab.
Was halten Sie von Plänen, wonach der Staat den Aktienkauf zur Altersvorsorge stärker fördern sollte?
Augstein: Friedrich Merz hat das ja unlängst gefordert – und hat damit keine Begeisterungsstürme ausgelöst, was vor allem auch daran lag, dass der Aufsichtsratschef eines Vermögensverwalters sprach. Wenn man mal die Scheuklappen abnimmt, muss man zugeben: die Deutschen haben immer noch viel zu viel Angst vor dem Aktienmarkt. Abgesehen davon können über die Arbeitnehmersparzulage jetzt schon Fondssparpläne gefördert werden.
Warum wissen die Bundesbürger in ihrer Mehrheit zu wenig über Rente und Altersvorsorge?
Augstein: Es ist normal, dass man sich nicht gerne mit dem Alter befasst, wenn man noch jung ist. Außerdem wirkt immer noch ein Bild der Vergangenheit nach: Lebenslange Festanstellung und dann eine anständige und berechenbare Rente. Aber das war mal. Heute gibt es einen schwer zu durchschauenden Dschungel von traditioneller Rente und staatlicher Förderung privater Vorsorgemaßnahmen.
Inwieweit können Sie die aufkeimende Diskussion über Ängste der Altersarmut insbesondere der geburtenstarken Generation nachvollziehen?
Augstein: Das ist der schiere Realismus. Die Leute verlassen sich immer noch auf ihre Rente und auf traditionelle Maßnahmen der Vorsorge: Sparbücher, Festgelder und Anleihen. Und angesichts eines dauerhaft niedrigen Zinsniveaus kommt man damit heute nicht mehr weit. Erwerbsbiographien sind heute zersplittert, und der Niedriglohnsektor ist gigantisch. Lauter Gründe, Angst vor Altersarmut zu haben.
Wie gehen Sie dieses vielschichtige Thema der eigenen Altersvorsorge an?
Augstein: Ich glaube an Aktien – solange wir den Kapitalismus haben, sollte man ihn nutzen.
Jakob Augstein führte das Interview mit dem Deutschen Derivate Verband (DDV), der Branchenvertretung der Emittenten strukturierter Wertpapiere in Deutschland.
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