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Jan Poser: „Ein Euro-Austritt würde Griechenland noch schlechter stellen“

Jan Poser vom Bankhaus Sarasin
Jan Poser vom Bankhaus Sarasin
Der voreilig angekündigte Volksentscheid in Griechenland ist vom Tisch und eine Regierung der nationalen Einheit gewährleistet vorerst die Umsetzung der Entscheidungen des europäischen Gipfels. Es ist klar, dass die sich abzeichnenden Neuwahlen im Februar 2012 gleichzeitig zu einer Abstimmung über das EU-Rettungspaket und den Euro werden. Doch was würde es bedeuten, wenn die Griechen das Rettungspaket von 130 Milliarden Euro ausschlagen würden?

Das wahre Problem der Griechen

In der öffentlichen Diskussion wird häufig missverstanden, dass nicht der hohe Schuldenberg Griechenlands von 165 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) das Hauptproblem ist, sondern das sogenannte Primärdefizit, also der Haushaltssaldo vor Zinszahlungen, das im vergangenen Jahr fünf Prozent betrug. Dieses bewirkt, dass sich auch dann neue Schulden auftürmen würden, wenn man die griechischen Schulden auf Null reduzieren würde.

Wenn die Neuwahlen das Rettungspaket scheitern würde, müsste Griechenland die Sparmaßnahmen quasi über Nacht durchführen, für die ihm die Euro-Partner drei Jahre Zeit lassen. Beamtenlöhne und Sozialleistungen würden nicht mehr ausgezahlt. Massenentlassungen würden soziale Unruhen auslösen.

Der Staat könnte zwar in seiner Verzweiflung den Bargeldmangel durch das Drucken von auf Euro lautenden Schuldscheinen überbrücken. Diese würden jedoch rasch gegenüber dem Euro an Wert verlieren, weil hinter ihnen keine Werte stehen.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1992 hat die Ukraine zu diesem Mittel gegriffen, weil sie von der Bargeldversorgung aus Russland abgeschnitten war. Die Folge war eine Hyperinflation der Parallelwährung namens Kupon, während sich das Rubelbargeld seinen Weg nach Russland suchte. Die Schuldenscheine wären die Keimzelle der neuen Drachme, die über kurz oder lang unzählige Nullen aufweisen würde.

Die Mär von der Wettbewerbsfähigkeit

Die Rückkehr zur Drachme würde Griechenland bei weitem nicht wettbewerbsfähiger machen. Schmerzhafte Einschnitte blieben nicht erspart. Aufgrund des Vertrauensmangels würde die neue Währung 30 bis 50 Prozent abwerten und die reale Kaufkraft der Griechen stark beschneiden.

Die importierte Inflation würde die Gewerkschaften mit Lohnausgleichsforderungen auf den Plan rufen und eine Inflationsspirale auslösen. Die prohibitiv hohen Zinsen würden die Wirtschaft abwürgen.

Am verwundbarsten wären jedoch die Banken. Alleine schon die Ablehnung des Rettungspakets, das eine Rekapitalisierung griechischer Banken vorsieht, würde einen Ansturm der Sparer auf die Banken auslösen.

Bevor die Regierung überhaupt über den Euro-Austritt nachdenken könnte, würden die griechischen Banken kollabieren, weil Bürger ihr Geld abziehen.

Laut Umfragen befürworten 70 Prozent der Griechen einen Verbleib im Euro. Dies ist kein Wunder angesichts der Extremszenarien, die im Fall eines Staatsbankrotts oder Euroaustritts drohen würden. Selbst die Demonstranten in Griechenland wissen insgeheim, dass es zu Sparpolitik und Reformen keine Alternative gibt.

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