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Janus Henderson Investors Kann sich die Gesundheitsbranche von „Medicare für alle“ erholen?

Für Gesundheitsaktien kamen die letzten Woche einer Rosskur gleich. Am 10. April präsentierte Senator Bernie Sanders, einer der Anwärter der Demokraten auf das Rennen um das Weiße Haus im nächsten Jahr, einen Vorschlag für ein „Medicare-for-all“-Krankenversicherungssystem. Sein Plan sieht vor, die private Krankenversicherung zu eliminieren und Medicare, das landesweite Krankenversicherungsprogramm für Menschen ab 65 Jahren, auf alle Amerikaner auszuweiten.

Kaum verwunderlich, dass die Kurse von Managed-Care-Aktien einbrachen: Vom 10. bis 18. April büßten sie nahezu zehn Prozent ein. Auch andere Teilbranchen wurden vom Kurssturz erfasst, darunter Biotechnologie und Pharma, die im selben Zeitraum sieben bzw. vier Prozent verloren. Unter dem Strich tritt der Gesundheitssektor damit seit Jahresbeginn auf der Stelle, während sich das Plus für den S&P 500 Index auf 16 Prozent summiert (Quelle: Bloomberg, Stand: 18. April 2019. Renditen in US-Dollar.)

Bestandsaufnahme nach dem Ausverkauf

Dass Anleger die Sorge umtreibt, wie es in der Gesundheitsbranche in den USA weiter geht, ist nur zu verständlich. Dabei ist der „Medicare für alle“-Vorschlag beileibe nicht der erste Plan für eine Ein-Kostenträger-Krankenversicherung in den Vereinigten Staaten. Sanders aber gehört derzeit zu den aussichtsreichsten Bewerbern um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten. Zudem wurde sein Gesetzentwurf von anderen prominenten demokratischen Anwärtern unterstützt, darunter die Senatoren Kirsten Gillibrand, Elizabeth Warren und Cory Booker. Daher steht zu vermuten, dass die Gesundheitsreform eines der zentralen Wahlkampfthemen in den nächsten zwölf bis 18 Monaten sein wird. Darüber hinaus nutzte die UnitedHealth Group, eine der größten Privatversicherungen in den USA, die Präsentation ihres Quartalsergebnisses im April, um sich öffentlich mit dem Vorschlag auseinanderzusetzen, was Anleger noch mehr zu verschrecken schien.

Dass eine Krankenversicherung für alle in Amerika Realität werden könnte, halten wir jedoch für unwahrscheinlich. Und das aus diversen gewichtigen Gründen:

Fehlende Unterstützung über Parteigrenzen hinweg: Auch wenn sich einige Präsidentschaftsbewerber für den Vorschlag mächtig ins Zeug legen, zögern einflussreiche Demokraten im Repräsentantenhaus wie im Senat noch, ihn zu unterstützen. Dazu zählt auch die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi, die nach eigenem Bekunden lieber die Gesundheitsreform des früheren Präsidenten Obama verbessern will. Derweil verfügen die Managed-Care-Unternehmen über enorme Lobbymacht und erhebliche finanzielle Mittel, mit denen sie gegen den Gesetzentwurf zu Felde ziehen können.

Erhebliche Kosten: Was es kosten würde, das amerikanische Gesundheitssystem auf eine Einheitskrankenversicherung umzustellen, weiß niemand so genau. Einigen Schätzungen zufolge könnten die Gesundheitsausgaben in den nächsten zehn Jahren um etliche Billionen Dollar steigen, je nachdem, welche Leistungen gewährt und wie hoch die Kostensätze für Krankenhäuser und andere Gesundheitsanbieter ausfallen. Andere Schätzungen gehen von einem Rückgang der Kosten aus.

Die Ausgestaltung der Leistungen und die Höhe der Kostensätze sind die Knackpunkte. Heute tragen die Zahlungen privater Krankenversicherungen an Krankenhäuser und andere Gesundheitsanbieter dazu bei, die von Medicare ausgehandelten niedrigeren Tarife zu subventionieren. Müssten sie die geringeren Medicare-Sätze künftig für alle Leistungen akzeptieren, drohen vielen Ärzten wohl Einkommenseinbußen oder gar der Verlust ihres Arbeitsplatzes. Etliche Krankenhäuser – von denen die meisten nicht gewinnorientiert betrieben werden – müssten vermutlich von heute auf morgen ihre Pforten schließen.

Aber auch wenn das staatliche Gesundheitsprogramm Medicare auf breite Zustimmung stößt, hat es doch diverse Schwachstellen. Eine der größten ist der Treuhandfonds, der für die stationären Krankenhausleistungen im Rahmen von Medicare aufkommt und dem Prognosen zufolge 2026 wohl das Geld ausgehen wird. Um den Fonds aufzustocken, müsste die Lohnsteuer erheblich angehoben oder aber die Leistungen massiv gekürzt werden.

Unbehagen der Verbraucher: Mit der Verabschiedung von Obamacare wurde deutlich, dass die meisten Amerikaner keine Abstriche bei ihren bestehenden Gesundheitsleistungen machen oder den Arzt ihres Vertrauens wechseln wollen. Mehr als jeder achte Amerikaner ist bereits entweder über seinen Arbeitgeber, über Medicaid oder Medicare versichert, wie die Kaiser Family Foundation ermittelt hat. Dieses System abzuschaffen, hätte wohl gravierende Folgen und würde einen erheblichen Rückschritt bedeuten.