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Aktualisiert am 07.07.2023 - 10:42 Uhrin Karl PilnyLesedauer: 10 Minuten

Pilnys Asia Insights Japans Wachstumskrankheit: Eine Chance für Investoren trotz schwacher Konjunktur?

Aktienmarkt in Japan im Jahr 2023
Aktienmarkt in Japan: Wie beeinflussen Geld- und Wirtschaftspolitik die Kurse im Jahr 2023? | Foto: IMAGO / ZUMA Wire

Unbeirrt durch geopolitische Zumutungen die neben den Raketentests durch Nordkorea, geplante gemeinsame Manöver Russlands und Chinas in der Nähe japanischer Gewässer auch die nun durch das japanische Kabinett erfolgte Genehmigung des Verteidigungsbündnisses mit Australien und Großbritannien umfassen, scheint die japanische Zentralbank weiter Kurs halten zu wollen.

Im Januar ist die Inflationsrate in Japan auf 4,3 Prozent gestiegen, mithin den höchsten Stand seit dem Herbst 1981. Was die japanische Verbraucher nach so langen Jahren eingefrorener Preise nun in Wallung bringt, beunruhigt den Kandidaten für den Gouverneursposten der Bank of Japan ( BoJ ) nicht.

Der akademisch anerkannte aber bislang eher unbekannte Ueda geht davon aus, dass die Inflation damit ihren Höhepunkt erreicht hat. Bei einer Anhörung im japanischen Unterhaus prognostizierte er sogar, dass im nächsten Winterhalbjahr die Teuerungsrate unter 2 Prozent sinken würde. Ferner sprach er sich dafür aus, die monetäre Lockerung zunächst beizubehalten und „kreativ im Einklang mit der jeweiligen Lage zu handeln“.

Besser hätte es der scheidende Gouverneur der Zentralbank, Kuroda, auch nicht formulieren können. Er hatte 2013 im Rahmen der Abenomics Politik die dramatische geldpolitische Lockerung in die Wege geleitet. Seitdem kauft die Bank of Japan exzessiv Anleihen und Aktien auf mit dem Ziel, die Inflationsrate oberhalb von 2 Prozent zu halten. Ganz der künftige Notenbankchef, vermied es Ueda in der Anhörung, sich auf einen Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik oder gar einen zeitlichen Rahmen festzulegen.

Auch eine Änderung des zwischen Regierung und der Notenbank vereinbarten Inflationsziels von 2 Prozent, lehnte er ab, womöglich um in der größten Regierungspartei LDP keinen Widerstand gegen seine überraschende Berufung befeuern. Denn Ministerpräsident Fumio Kishida wird eine Neigung zur Straffung der Geldpolitik unterstellt, die in der parteiinternen Fraktion des ermordeten früheren Ministerpräsidenten Shinzo Abe nicht gern gesehen wird.

Die Finanzmärkte hegen jedenfalls die Hoffnung, dass die Tage der expansiven Geldpolitik in Japan mit der Zinsstrukturkurvensteuerung gezählt sind.

Mit diesem geldpolitischen Instrument versucht die Bank of Japan, nicht nur den kurzfristigen Zinssatz bei -0,1 Prozent, sondern auch den Zehnjahreszinssatz zwischen 0,5 und -0,5 Prozent zu halten. Allein im Januar kaufte die Zentralbank Staatsanleihen im Wert von 162 Milliarden Euro, um sich gegen den internationalen Trend steigender Zinsen zu stemmen.

Markt für japanische Staatsanleihen ausgetrocknet

Die künftige Geldpolitik unter Ueda ist nicht nur für Japan, sondern auch für die internationalen Finanzmärkte von großer Bedeutung.

Es war bemerkenswert, dass japanische Anleger im vergangenen Jahr ausländische Schuldpapiere im Wert von umgerechnet 157 Milliarden Euro kauften. Gründe dürften die schnell steigenden Zinsen im Ausland, die die Anleihekurse drücken, und die rasante Abwertung des Yen, sowie die Erwartung gewesen sein, dass die Zinsen in Japan steigen und damit Anleihen in Japan höher rentieren könnten.

Die Anleger setzen also darauf, dass die BoJ im Umfeld steigender Zinsen die Zinsstrukturkurvensteuerung aufgeben müsse.  Wenn dies unter Ueda Wirklichkeit wird, könnte das die Rückkehr von Kapital nach Japan beschleunigen und die Liquidität an den globalen Anleihemärkten beeinflussen.

Hauptquartier der Bank of Japan in Tokio
Bank of Japan: Geldpolitik unter Ueda im Fokus © IMAGO / AFLO

Denn der Markt für japanische Staatsanleihen ist ausgetrocknet, da die BoJ wie ein Staubsauger die Papiere einsaugt, was die Marktpreisbildung massiv beeinträchtigt. Auch die Banken und Lebensversicherungen haben Probleme mit den niedrigen Langfristzinsen und der flachen Zinsstruktur.

Und trotz aller Milliardenkäufe von Staatsanleihen hält die Bank of Japan den Aufwärtsdruck der längerfristigen Zinsen gerade noch unter Kontrolle.

Schwaches Wachstum in Japan lässt sich nicht durch Geldpolitik korrigieren

In den achtziger Jahren, als ich mitten im Getümmel Tokios lebte, gab es internationalen Konsens, dass Japans wirtschaftliche Malaise, die sogenannte Balance sheet recession auf geldpolitischem Versagen beruhte.

Diese Einschätzung wurde von der japanischen Regierung anfangs verhalten doch ab 2013 als Teil der Abenomics entschiedener angenommen. Doch nun, zehn Jahre später und zum Abschied von Notenbankgouverneur Kuroda, macht sich Ernüchterung breit. Trotz jahrzehntelanger Ausweitung der monetären Basis gelang Japan kein stabiles Wachstum mit moderatem Inflationsdruck.

An der nötigen Entschlossenheit ließ es die BoJ unter Kuroda wahrlich nicht fehlen. Sie hat seit 2013 ihre Bilanz von 30 auf rund 130 Prozent der Wirtschaftsleistung aufgebläht, was fast das Doppelte der Europäischen Zentralbank ist.

Die BoJ hält mehr als die Hälfte der Staatsschulden und rund 7 Prozent der japanischen Aktien. Seit Januar 2016 liegt der kurzfristige Leitzins bei minus 0,1 Prozent und seit September 2016 hält die Zentralbank den Zehnjahreszinssatz nahe null Prozent.

Doch all das hat nicht ausgereicht, sich dem Inflationsziel von 2 Prozent dauerhaft anzunähern, was nahe legt, dass augenscheinlich nicht die Medizin sondern die Diagnose falsch war.

Denn schwacher Preisdruck ist nur ein Symptom. Die wirkliche japanische Krankheit ist das schwache Wachstum, das die BoJ auf weniger als 0,5 Prozent schätzt.

Das ist nicht durch die Geldpolitik zu korrigieren, im Gegenteil die andauernde monetäre Expansion hat die Wachstumskraft eher noch geschwächt. Eine Nullzinspolitik macht es den Banken unmöglich mit Krediten Geld zu verdienen was wiederum den Kapitalmarkt - so wie die erdrückende Dominanz der Zentralbank am Markt für Staatsanleihen - beeinträchtigt.

Niedrigzinsen lassen zu viele Zombie-Unternehmen - und Zombie - Volkswirtschaften - überleben, was wiederum knappe Arbeitskräfte aus produktiveren Verwendungen vorenthält.

Wirtschaftspolitik Japans entscheidend für das Wachstum

Das alles sollte uns auch in Europa zu denken geben und ist auch hier zu beobachten. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und Volkswirtschaften wird sekundär, Schumpeter ist außer Kraft gesetzt. Die Bewertungen fast aller Assetklassen wird verzerrt und ist kaum noch objektiv zu bestimmen.

Die niedrigen Zinsen begünstigen die Flucht der Regierungen in die permanente Kreditaufnahme. So ist seit 2013 die Verschuldung Japans von 230 auf mehr als 260 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung gestiegen.

Das hält die Japaner zu mehr Sparen an und vom Konsum ab, weil sie wissen, dass höhere Steuern drohen und sie für ihr Alter allein vorsorgen müssen. Ferner hat die dramatische Abwertung des Yen im Jahr 2022 die Realeinkommen weiter sinken lassen.

Es ist also nicht die Geldpolitik die für Japans Wachstum wichtig, ja entscheidend ist, sondern die Wirtschaftspolitik. Es ist die Regierung Kishida und nicht die Bank von Japan, die die Wachstumskräfte stimulieren muss, um den Belastungen durch eine alternde Gesellschaft entgegenzuwirken.

Japans Ministerpräsident Fumio Kishida
Japanischer Ministerpräsident ist gefordert: Wirtschaftspolitik von Fumio Kishida entscheidend für Wachstum © IMAGO / ZUMA Wire

Und in der Tat scheint Ministerpräsident Fumio Kishida die Geldpolitik weniger wichtig zu nehmen als sein Vorvorgänger Shinzo Abe. Er spricht sogar von Umverteilung und droht den Unternehmen mit höheren Steuern.

Hohe Prämien sollen die Bewohner der großen Städte in strukturschwache ländliche Regionen locken. Gegen die Schrumpfung der Bevölkerung verspricht Kishida neue Wohltaten für Eltern anstatt die von Abe angestoßene Öffnung Japans für Gastarbeiter energisch fortzuführen.

Immerhin drängt Kishida wie einst Abe die Unternehmen zu Lohnerhöhungen, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu stärken. Damit verfällt auch er der Fehldiagnose, dass Japans Krankheit die fehlende Nachfrage sei.

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Japanische Höchststände bei Aktienrückkäufen und Dividendenausschüttungen

Was bedeutet dies nun für Anleger? Die Aussichten für die japanischen Aktienmärkte im Jahr des Hasen sind im internationalen Vergleich positiv.

Während sich die westlichen Volkswirtschaften bereits 2021 und 2022 von den Corona-bedingten Lockdowns mit hohem Wirtschaftswachstum erholt haben, beginnt die Erholung in Japan aus verschiedenen Gründen wie die Olympischen Spiele 2021, eine verspätete Durchimpfung sowie Abschottung bis November 2022 erst jetzt.

Dies kann die negativen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf Japan teilweise kompensieren. Die aktuellen Entwicklungen in Asien sind positiv für japanische Unternehmen.

Diese Aufholeffekte beim Wirtschaftswachstum bei moderater Inflation werden sich 2023 bemerkbar machen. Darüber hinaus kommt es durch eine stärkere Aktionärsorientierung und vielfältige Aktivistenkampagnen zu Höchstständen bei Aktienrückkäufen und Dividendenausschüttungen.

Zudem gilt Japan dank seiner starken Stellung in China als Hauptprofiteur des Re-Openings von China.

Der massive Zinsanstieg in den USA und Europa trifft Unternehmen mit hoher Verschuldung stark, weil Gewinnsteigerungen (je Aktie) durch schuldenfinanzierte Aktienrückkäufe nicht mehr möglich sind.

Dank ihrer überkapitalisierten Bilanzen sind japanische Unternehmen davon aber meist nicht betroffen. Auch Aktivistenkampagnen führen zu deutlichen Kurssteigerungen so etwa bei dem Aufzughersteller Fujitec und dem Beteiligungsunternehmen Jafco.

Aktienrückkäufe in Japan erreichen beinahe jährlich neue Höchstwerte und sind so wie Dividendenzahlungen zumeist aufgrund der hohen Cashbestände in den Bilanzen nicht von kurzfristigen Gewinnschwankungen abhängig. Japans Unternehmen kaufen pro Jahr etwa 2% ihres Börsenwertes zurück.

Japan ist bei vielen globalen Schlüsseltechnologien führend und hat interessante strukturelle Wachstumsunternehmen in den Bereichen Automation, Halbleiter und Electronics, Alternative Antriebstechniken, Digitalisierung.

Die japanischen Unternehmen haben in den vergangenen 20 Jahren den Großteil ihrer Schulden zurückgezahlt und ihre Bilanzen mit überschüssigen liquiden Finanzmitteln aufgefüllt.

Über 50% der Unternehmen im Topix-Index sind somit nicht nur schuldenfrei, sondern verfügen netto über deutlich positive Cash-Bestände.

 

Aufwertungspotenzial japanischer Unternehmen attraktiv für Anleger

Im Ergebnis dürfte die Attraktivität japanischer Aktien für Investoren weiter steigen und die Bewertungsabschläge werden sich verringern. Japanische Aktien gewähren Zugang zu Wachstumsthemen, die es in Europa so nicht gibt.

Zahlreiche weltweit führende Unternehmen in Zukunftssegmenten wie Halbleitertechnologie, Automatisierung, Elektromobilität, die Nähe zu China und den anderen asiatischen Wachstumsmärkten sowie ein niedrig bewerteter Markt bei dem vieles in Bewegung geraten ist durch Strukturreformen und Corporate Governance Reformen und einen neuen Stewardship Code bedeuten eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.

Das führt weiterhin zu einem attraktiven Ertragspotential und bei vielen Unternehmen zu einem Aufwertungspotential.

Das in den japanischen Unternehmensbilanzen vorhandene Netto-Finanzvermögen ist nicht nur ein wichtiger Liquiditäts- und Risikopuffer für schwere Zeiten, sondern auch ein Treiber für steigende Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufe.

Pilnys Asien-Insights der vergangenen Wochen:

>> Die neue Weltunordnung: Spannungen zwischen China, Russland und USA nehmen zu

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>> U-Boote und Spionage-Ballons: Was die Aufrüstung zu Wasser und in der Luft zu bedeuten hat

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