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  • Jerome Powell: „Warum Trump den Fed-Chef nicht kleinkriegt

Von in MärkteLesedauer: 4 Minuten
Jerome Powell bleibt gegen Donald Trump standhaft
Jerome Powell bleibt gegen Donald Trump standhaft | Foto: Imago Images / Xinhua

Stellen Sie sich vor, jemand sagt Donald Trump einfach „Nein“. Nicht irgendwer, sondern einer seiner eigenen Leute. Ein Mann, den er selbst ernannt hat. Und dieser Mann tut das auch noch öffentlich. Für die große Trump-Show ist das so ungewöhnlich, dass man fast vor dem Bildschirm aufspringt und fragt: Ist das echt? Darf der das? Natürlich darf er. Es ist nur keiner mehr gewohnt.

Als Jerome Powell jüngst sagte, er habe niemals einen Präsidenten um ein Treffen gebeten und werde das auch niemals tun, wirkte es, als hätte jemand den Ton in einem Marvel-Film abgedreht. Plötzlich stand da ein Fed-Chef, der die Unabhängigkeit seiner Institution nicht nur als Marketingspruch vor sich herträgt, sondern sie auch lebt. In einer Stadt, in der mittlerweile die halbe Regierung aus Trump-Jüngern besteht, die jeden Morgen ihren persönlichen Loyalitätseid ablegen, wirkt ein unabhängiger Kopf wie ein Besucher aus einer anderen Welt.

Wie ein Junkie am Finanztropf 

Trump ist natürlich außer sich. „Major loser“, „a total stiff“, dessen „Entlassung nicht schnell genug kommen kann“ – das präsidiale Twitter-Vokabular für Powell ist erstaunlich reichhaltig. Es hat etwas Rührendes, wie der mächtigste Mann der Welt im Stakkato seiner Social-Media-Wutanfälle den Fed-Chef bearbeitet: Senk die Zinsen! Jetzt! Am besten gestern! Warum kapiert der Kerl nicht, dass die Wirtschaft boomt, wenn man die Zinsen senkt und gleichzeitig Zölle verhängt?

Ich vermute, Powell versteht es nur zu gut. Er war mal Investmentbanker bei der Elite-Firma Dillon, Read & Co., bevor er Partner bei der Carlyle Group wurde. Im Gegensatz zum selbsternannten „King of Debt“ hat er tatsächlich eine Ahnung, was am Ende aus einer Wirtschaft wird, die auf billigem Geld und protektionistischen Handelsbarrieren errichtet ist: eine Volkswirtschaft, die wie ein Junkie am Finanztropf hängt und in der die Preise durch die Decke gehen.

Das Witzige ist: Ausgerechnet die Europäer, von denen Trump nur mit Verachtung spricht, tun jetzt das, was er von Powell verlangt. Die EZB senkt die Zinsen munter weiter, denn sie muss ja nicht mit Trumps Zöllen kämpfen, die wie eine zusätzliche Steuer wirken und die Preise nach oben treiben. Wäre Trump eine reine Wirtschaftsmaschine, würde er kapieren, dass sein eigenes Handeln die Geldpolitik in eine Zwickmühle bringt. Aber für rationale Überlegungen ist im White House 2.0 kein Platz mehr.

Der letzte Präsident, der einen Fed-Chef feuerte, war übrigens Richard Nixon. Wir wissen alle, wie gut das für ihn ausging und was aus seiner Ära in Erinnerung geblieben ist. Aber im Jahr 2025 ist Nixon fast schon ein Vorbild für präsidiale Zurückhaltung.

Die neue amerikanische Normalität 

Natürlich kann Trump Powell nicht wirklich feuern – rechtlich gesehen. Aber Sie wissen so gut wie ich, dass „rechtlich gesehen“ in der Trump-Ära so viel bedeutet wie der Sicherheitsgurt in einem Fahrgeschäft: Eigentlich sollte er dich schützen, aber wenn der Betreiber ihn heimlich löst, merkst du es erst, wenn du durch die Luft fliegst.

Es ist übrigens ein Irrtum zu glauben, Powell sei eine Art Held mit besonders edlen Motiven. Er ist einfach nur ein Mann, der seinen Job richtig machen will. Er hat nicht vergessen, wie die Fed 2021 mit ihrem „vorübergehenden Inflationsanstieg“ danebenlag und wie schwer es anschließend war, die Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.

Bei all dem Spektakel gerät fast in Vergessenheit, dass hinter der Auseinandersetzung etwas Größeres steht: die amerikanische Schuldenbombe. Die USA haben mittlerweile mehr als 35 Billionen US-Dollar Staatsschulden angehäuft. Um diese Nummer einmal zu veranschaulichen: Wenn Sie jeden Tag eine Million Dollar ausgeben würden, bräuchten Sie fast 100.000 Jahre, um diese Summe zu verbraten. Das ist das eigentliche Damoklesschwert, das über dem Land schwebt, und jeder weiß es, aber niemand will darüber reden. Außer vielleicht Jerome Powell, leise, zwischen den Zeilen.

 

Wie diese Geschichte ausgeht? Vermutlich wie so vieles in der Trump-Ära. Powell wird seine Prinzipien hochhalten, Trump wird twittern, dann wird es eine Krise geben, und irgendwann im Herbst wird die Fed die Zinsen doch senken – nicht, weil Trump es will, sondern weil die Daten es nahelegen. Trump wird sich als Sieger feiern, obwohl sein eigenes Handeln die Krise erst ausgelöst hat. So funktioniert die neue amerikanische Normalität.

Und wir? Wir werden weiter diesen seltsamen Tanz beobachten, in dem ein Mann versucht, seinen Kompass zu behalten, während um ihn herum der moralische und institutionelle Zerfall voranschreitet. Fast ein bisschen wie dieser griechische Kerl – Diogenes – der mit seiner Laterne umherlief, auf der Suche nach einem ehrlichen Menschen. In Washington, anno 2025, brennt nur noch ein Licht: in der Federal Reserve.

Dies ist ein persönlicher Kommentar, der ausschließlich die subjektive Meinung und Sichtweise des Autors widerspiegelt. Die hier dargestellten Ansichten, Interpretationen und Schlussfolgerungen repräsentieren nicht notwendigerweise die Position oder offizielle Haltung des Unternehmens. 

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