Joachim Ragnitz vom Ifo Institut
Joachim Ragnitz vom Ifo Institut
Der Abstand zwischen West- und Ostdeutschland in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beträgt derzeit etwas mehr als 30 Jahre – der Osten liegt also auf dem Niveau Westdeutschlands Mitte der 1980er Jahre. Unmittelbar nach der Vereinigung erreichte die Wirtschaftskraft im Osten demgegenüber erst das Niveau, das Westdeutschland zu Beginn der 1960er Jahre aufwies. Dies zeigt, dass die wirtschaftliche Entwicklung im Osten zwar erfolgreich war. Da sich aber das Ziel des Angleichungsprozesses, nämlich das westdeutsche Niveau, in dieser Zeit weiter entfernt hat, bleibt der Abstand unverändert hoch.
Inzwischen mehren sich die Zweifel, dass eine Angleichung der wirtschaftlichen Leistungskraft zwischen Ost- und Westdeutschland überhaupt je erreichbar sein wird. Das jüngste „Ökonomenpanel“ des ifo Instituts München (eine Umfrage unter 136 Ökonomen) ergab jedenfalls, dass nur knapp 20 Prozent ein Aufholen Ostdeutschlands überhaupt noch für realistisch halten; die große Mehrheit (knapp 70 Prozent) sieht auch langfristig keine (flächendeckende) Konvergenz. Als Grund hierfür werden strukturelle Defizite Ostdeutschlands, insbesondere das Fehlen von leistungsfähigen Industrieunternehmen und eine ungünstige Siedlungsstruktur, Pfadabhängigkeiten wirtschaftlicher Entwicklung und schließlich die demographische Entwicklung angegeben.
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Der Abstand zwischen West- und Ostdeutschland in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beträgt derzeit etwas mehr als 30 Jahre – der Osten liegt also auf dem Niveau Westdeutschlands Mitte der 1980er Jahre. Unmittelbar nach der Vereinigung erreichte die Wirtschaftskraft im Osten demgegenüber erst das Niveau, das Westdeutschland zu Beginn der 1960er Jahre aufwies. Dies zeigt, dass die wirtschaftliche Entwicklung im Osten zwar erfolgreich war. Da sich aber das Ziel des Angleichungsprozesses, nämlich das westdeutsche Niveau, in dieser Zeit weiter entfernt hat, bleibt der Abstand unverändert hoch.
Inzwischen mehren sich die Zweifel, dass eine Angleichung der wirtschaftlichen Leistungskraft zwischen Ost- und Westdeutschland überhaupt je erreichbar sein wird. Das jüngste „Ökonomenpanel“ des ifo Instituts München (eine Umfrage unter 136 Ökonomen) ergab jedenfalls, dass nur knapp 20 Prozent ein Aufholen Ostdeutschlands überhaupt noch für realistisch halten; die große Mehrheit (knapp 70 Prozent) sieht auch langfristig keine (flächendeckende) Konvergenz. Als Grund hierfür werden strukturelle Defizite Ostdeutschlands, insbesondere das Fehlen von leistungsfähigen Industrieunternehmen und eine ungünstige Siedlungsstruktur, Pfadabhängigkeiten wirtschaftlicher Entwicklung und schließlich die demographische Entwicklung angegeben.
Auch die Wirtschaftspolitik der vergangenen 30 Jahre wird von einer relativen Mehrheit negativ beurteilt und auf die Gefahr hingewiesen, dass auch aktuell diskutierte politische Maßnahmen eher verteilungspolitisch als wachstumspolitisch motiviert sind, insoweit den wirtschaftlichen Rückstand der ostdeutschen Länder perpetuieren könnten.
Anstelle kurzfristiger Interventionen befürworten die meisten befragten Ökonomen vor allem Investitionen in Bildung und Forschung, um damit die Wachstumsbedingungen zu verbessern. Erstaunlicherweise unterstützt die Mehrheit der am Ökonomenpanel teilnehmenden Wissenschaftler zudem auch die Thesen des IWH , dass sich die Politik künftig stärker auf die vorhandenen Zentren konzentrieren solle (Zustimmung 54 Prozent, Ablehnung 37 Prozent).
Als Grund wird vor allem die Ausnutzung von Agglomerationseffekten angegeben, die zu höherer Produktivität führen und letzten Endes über positive Ausstrahleffekte auch den übrigen Regionen zugutekommen. Die Politik hört dies sicherlich nicht gerne, aber manchmal tut es gut, auch unbequeme wissenschaftliche Erkenntnisse zur Kenntnis zur nehmen, um daraus zielführende Schlussfolgerungen zu ziehen.
Als das größte Problem Ostdeutschlands entpuppt sich mehr und mehr die Demographie, und hierfür ist es hilfreich, sich einmal die ganz langfristige Bevölkerungsentwicklung vor Augen zu führen: Während die Bevölkerungsentwicklung in Ost- und Westdeutschland von 1870 bis 1950 in etwa gleichförmig verlaufen ist, ist die Einwohnerzahl seither in Ostdeutschland um etwa 27 Prozent geschrumpft, während sie in Westdeutschland um rund 46 Prozent gewachsen ist. Die gängigen Bevölkerungsvorausberechnungen deuten darauf hin, dass in den kommenden 15 Jahren ein weiterer Bevölkerungsrückgang im Osten um 12 Prozent zu erwarten ist, während die Bevölkerungszahl im Westen bis dahin noch weitgehend unverändert bleibt. Die zu erwartende Bevölkerungsschrumpfung im Osten reflektiert dabei vor allem den Geburtenrückgang zu Beginn der 1990er Jahre, der über demographische Echoeffekte in den kommenden Jahren zu einer wieder sinkenden Zahl an neugeborenen Kindern führen wird.
Die Problematik der Bevölkerungsentwicklung wird noch deutlicher, wenn man sich auf die Zahl der erwerbsfähigen Einwohner konzentriert; diese wird im Osten sogar um rund ein Fünftel zurückgehen, also in etwa doppelt so stark wie die Zahl der Einwohner. In den meisten, eher ländlich geprägten Regionen ist das Ausmaß der Bevölkerungsschrumpfung noch viel größer, nicht zuletzt verstärkt auch durch den anhaltenden Trend zum Zuzug in die wirtschaftlich starken Agglomerationszentren. Der Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung beträgt hier im Schnitt 30 Prozent und mehr.
Dies hat zur Folge, dass Unternehmen in den Regionen mit starkem Rückgang erwerbsfähiger Einwohner kaum noch Arbeitskräfte finden werden und deswegen wohl aus dem Markt ausscheiden müssen. Die regionalen wirtschaftlichen Disparitäten innerhalb Ostdeutschlands werden daher nach aller Wahrscheinlichkeit zunehmen: Während sich die großen Ballungszentren eher positiv entwickeln dürften, sind die Perspektiven für die demographisch schrumpfenden Räume ungünstig.
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