Jörg Krämer
Wir brauchen kein Konjunkturprogramm!
Aktualisiert am 17.03.2020 - 15:46 Uhr
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer Foto: Commerzbank
Die Wirtschaft in Deutschland und der Eurozone hat deutlich an Fahrt verloren. Sollte der Staat jetzt mit einem Konjunkturpaket nachhelfen? Bloß nicht, meint Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.
Wer hat fiskalischen Spielraum?
Viele Kommentatoren sehen vor allem Euro-Mitgliedsländer mit Haushaltsüberschüssen und niedriger Staatsverschuldung in der Pflicht.Zudem haben solche Länder gewöhnlich einen hohen Leistungsbilanzüberschuss, was angeblich an einer zu geringen Binnennachfrage liege, die von Konjunkturprogrammen profitiere. Im Euroraum verfügen vor allem Deutschland und die Niederlande über einen finanzpolitischen Spielraum und einen deutlichen Leistungsbilanzüberschuss (siehe Tabelle 1).
So fordert der IWF, dass Deutschland im gegenwärtigen Konjunkturabschwung seinen fiskalischen Spielraum "voll nutzen" sollte, wobei man etwaige Regeln der Schuldenbremse via Ausnahmeregelung...
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Wer hat fiskalischen Spielraum?
Viele Kommentatoren sehen vor allem Euro-Mitgliedsländer mit Haushaltsüberschüssen und niedriger Staatsverschuldung in der Pflicht.Zudem haben solche Länder gewöhnlich einen hohen Leistungsbilanzüberschuss, was angeblich an einer zu geringen Binnennachfrage liege, die von Konjunkturprogrammen profitiere. Im Euroraum verfügen vor allem Deutschland und die Niederlande über einen finanzpolitischen Spielraum und einen deutlichen Leistungsbilanzüberschuss (siehe Tabelle 1).
So fordert der IWF, dass Deutschland im gegenwärtigen Konjunkturabschwung seinen fiskalischen Spielraum "voll nutzen" sollte, wobei man etwaige Regeln der Schuldenbremse via Ausnahmeregelung außer Kraft setzen und damit zu einer "synchronisierten fiskalischen Expansion" in der EWU beitragen könne (aus der "Artikel IV-Konsultation").
Konjunkturprogramm kommt ohnehin zu spät,...
Ein Konjunktureinbruch vollzieht sich gewöhnlich rasch. Ein Konjunkturprogramm muss daher sehr schnell wirken, damit es rechtzeitig kommt. Ansonsten fließen die Staatsausgaben erst dann, wenn die Krise schon längst überwunden ist. Die Erfordernis eines hohen Tempos ist umso schwerer umzusetzen, als es von vorneherein zu unvermeidbaren Verzögerungen kommt. Denn die Daten zeigen einen Abschwung mit einer gewissen Verzögerung an.
Aber selbst wenn das Problem rasch erkannt wird und das Parlament daraufhin zügig zusätzliches Geld bewilligt, beseitigt dies nicht notwendigerweise das eigentliche Problem: Es liegt kein Programm - beispielsweise für Investitionen in die Infrastruktur - fertig in den Schubladen. Dies muss erst erarbeitet werden, wofür in den öffentlichen Verwaltungen aber kaum ausreichende Planungskapazitäten zur Verfügung stehen.
Außerdem müssen größere Projekte in der Regel europaweit ausgeschrieben werden. Dann sind noch Genehmigungen einzuholen, Umweltverträglichkeitsprüfungen durchzuführen oder ähnliche, in einem fortgeschrittenen Rechtsstaat unvermeidliche bürokratische und rechtliche Hindernisse zu überwinden. Und selbst wenn all diese Probleme rasch überwunden werden könnten, stieße ein Konjunkturprogramm, das sich auf die Infrastruktur bezieht, auf eine Bauwirtschaft, die schon jetzt so hoch ausgelastet ist, dass sie die bisherige Nachfrage kaum bedienen kann.
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