ESMT-Präsident Jörg Rocholl
Der „Euro Zone Basket“
Jörg Rocholl, Präsident der ESMT Berlin Foto: ESMT Berlin
Europäische Staaten und die dort ansässigen Banken sind eng miteinander verbunden, ein Phänomen, das unter dem Namen Banken-Staaten-Nexus bekannt ist. Dieser Nexus untergräbt die Marktdisziplin und unterstützt die Ungleichheit europäischer Staaten in Bezug auf ihre jeweilige finanzielle Stabilität. Wie durchbricht man diesen Teufelskreis?
Zielführender ist es, Banken Anreize zu setzen, auch in ausländische Staatsanleihen zu investieren. Mit der Schaffung eines sogenannten „Euro Zone Basket“ (EZB) erhalten europäische Banken genau diese Anreize. Hier können Banken auf Grundlage des Kapitalschlüssels der Europäischen Zentralbank ihr Portfolio um Staatsanleihen anderer Staaten der Eurozone erweitern. Der Schlüssel richtet sich nach der relativen Größe eines Staates im Euroraum, bezogen auf seine Bevölkerungsgröße und sein Bruttoinlandsprodukt. Er ist dadurch weitgehend immun gegenüber politischen Einflüssen. Banken müssen Eigenkapital nicht für ihr gesamtes Portfolio an Staatsanleihen vorhalten, sondern lediglich für den Anteil,...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Zielführender ist es, Banken Anreize zu setzen, auch in ausländische Staatsanleihen zu investieren. Mit der Schaffung eines sogenannten „Euro Zone Basket“ (EZB) erhalten europäische Banken genau diese Anreize. Hier können Banken auf Grundlage des Kapitalschlüssels der Europäischen Zentralbank ihr Portfolio um Staatsanleihen anderer Staaten der Eurozone erweitern. Der Schlüssel richtet sich nach der relativen Größe eines Staates im Euroraum, bezogen auf seine Bevölkerungsgröße und sein Bruttoinlandsprodukt. Er ist dadurch weitgehend immun gegenüber politischen Einflüssen. Banken müssen Eigenkapital nicht für ihr gesamtes Portfolio an Staatsanleihen vorhalten, sondern lediglich für den Anteil, der vom Kapitalschlüssel abweicht. Investiert eine Bank also Staatsanleihen in Höhe des Kapitalschlüssels, gibt es keine Eigenkapitalunterlegung. Investiert sie mehr als vom Kapitalschlüssel vorgegeben, so muss die Bank lediglich die entstandene Differenz durch Kapitalunterlegungen decken. Bei einem Schlüssel von 25% für ein bestimmtes Land müsste eine Bank, die 30% ihres Bestands in dieses Land investiert hat, folglich nur 5% der Investitionen mit Eigenkapital unterlegen.
Banken können also weiterhin in Staatsanleihen investieren, bekommen aber Anreize, sich nicht auf ihr Sitzland zu beschränken. Investieren Banken aber in Anleihen verschiedener Staaten, führt dies zu einer deutlichen Risikosenkung, da die Banken nicht mehr von der finanziellen Stabilität eines Staates abhängig sind, sondern ihr Risiko auf mehrere Schuldner verteilen.
Ein Vorteil dieses Vorschlags ist die fehlende Notwendigkeit für Pooling und Tranching. Beide Instrumente bringen wesentliche Nachteile mit sich, die durch den EZB vermieden werden können. Auch seine Fähigkeit, Marktdisziplin bezüglich der Staatsschulden auszuüben, ist von Vorteil. Überdies ist der EZB flexibler als andere Regulierungsmechanismen. So wäre es denkbar, den Kapitalschlüssel einzelner Staaten individuell anzupassen. Insbesondere könnte eine Möglichkeit darin bestehen, kleineren EU-Staaten einen Puffer zu gewähren. Dort ansässige Banken könnten 5-10% mehr Staatsanleihen aufnehmen, ohne diese mit Eigenkapital unterlegen zu müssen.
Die Einführung des EZB kann in mehreren Schritten geschehen. Vorstellbar ist beispielsweise eine stufenweise Annäherung an den von der ECB errechneten Kapitalschlüssel. So kann im Vorhinein die Anpassung über einen Zeitraum von 5-10 Jahren festgelegt werden. Eine Bank, die etwa 75% in Staatsanleihen des Sitzlandes investiert hat und diesen Anteil auf 20% reduzieren soll, kann so langfristig planen und ihre Investitionen strategisch auf mehrere Staaten ausbreiten.
Von der Lockerung des Banken-Staaten-Nexus durch die Einführung des EZB können alle Akteure profitieren: Die Stabilität der Banken wird erhöht, weil ihr Risiko auf mehrere Staaten verteilt wird. Dadurch werden umgekehrt die Euroländer weniger anfällig für Bankenkrisen. Gleichzeitig wird die Vernetzung europäischer Finanzmärkte untereinander vorangetrieben. Nur eine grundlegende öffentliche Debatte und das Bewusstsein für diese Zusammenhänge kann dazu beitragen, dass die bestehenden Regulationsmechanismen überdacht werden und der Weg für neue regulatorische Bedingungen für eine nachhaltige Architektur des Finanzmarktes geebnet werden kann.
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