Chefvolkswirt Jörg Zeuner
Deutschlands Wirtschaft braucht den Schulterschluss mit Europa
Aktualisiert am 17.03.2020 - 15:31 Uhr
Showeinlage bei den Europaspielen in Baku: Jörg Zeuner fordert Mittelständler zu europaweitem Engagement auf
Mittelständische Unternehmen tragen viel zum Wirtschaftserfolg Deutschlands bei. Um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, müssen sie jedoch vermehrt den Schulterschluss mit Europa suchen.
Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal um 0,1 Prozent geschrumpft. Vor allem Brexit und Handelsstreit, aber auch die schwierige wirtschaftliche Lage in der Türkei setzen besonders den deutschen Unternehmen zu. Kein Wunder also, dass hierzulande Sorgen vor einer Rezession aufkommen. Ist unsere Old Economy für die Herausforderungen unserer Zeit von Klimawandel bis Digitalisierung nicht ausreichend gewappnet? Der Aktienmarkt sieht es so. Was muss sich ändern, damit die deutsche Wirtschaft wieder auf Trab kommt?
Deutschland profitierte stark von der Einführung des Euro. Die Nettoexporte in die Eurozone stiegen immens an. Erst die Eurokrise setzte diesem Boom ab dem Jahr 2009 ein Ende....
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Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal um 0,1 Prozent geschrumpft. Vor allem Brexit und Handelsstreit, aber auch die schwierige wirtschaftliche Lage in der Türkei setzen besonders den deutschen Unternehmen zu. Kein Wunder also, dass hierzulande Sorgen vor einer Rezession aufkommen. Ist unsere Old Economy für die Herausforderungen unserer Zeit von Klimawandel bis Digitalisierung nicht ausreichend gewappnet? Der Aktienmarkt sieht es so. Was muss sich ändern, damit die deutsche Wirtschaft wieder auf Trab kommt?
Deutschland profitierte stark von der Einführung des Euro. Die Nettoexporte in die Eurozone stiegen immens an. Erst die Eurokrise setzte diesem Boom ab dem Jahr 2009 ein Ende. Doch die deutschen Firmen wussten sich zu helfen. Deutschlands Parade-Industrien, die Maschinenbau-, Auto- und Chemiebranche, verlagerten ihre Absatzmärkte nach Großbritannien, in die USA und nach China. Die Investitionen folgten oft. Der Aufstieg Chinas und die hohe Konsumnachfrage in den USA erfreuten die BMWs und BASFs hierzulande. Doch mit zunehmendem Protektionismus – ob in den USA oder in Großbritannien – und dem zuletzt weiter eskalierenden Handelsstreit kommt die Globalisierung ins Stocken. Deutschland spürt die Wucht des sich abschwächenden Welthandels stärker als andere – und ist so zum ökonomischen Schlusslicht in der Eurozone mutiert.
Neben dem eingetrübten Welthandel und dem Ende des globalen Investitionsbooms leidet die deutsche Firmenlandschaft auch unter strukturellen Problemen. Der DAX 30-Index zeigt, dass die Stärke der deutschen Wirtschaft vor allem in der exportorientierten Old Economy liegt. Industrie-, Chemie-, Auto- und Finanzbranche machen derzeit fast zwei Drittel des Index aus. In den USA sind es nur knapp 40 Prozent. Dafür ist die New Economy, darunter fallen wachstumsorientierte Zukunftsbranchen wie IT und Biotechnologie, in den USA besser repräsentiert. Der IT-Sektor macht am S&P 500-Index knapp ein Viertel aus, während es beim DAX 30-Index nur 14 Prozent sind. Der schleppende Breitband- und Mobilfunkausbau, das wenig vorhandene Risikokapital und kaum Unterstützung seitens der Großbanken sorgen nicht gerade für ein Eldorado für IT-Startups.
Auch die Automobilindustrie hinkt hinterher: Mit Diesel-Gate, neuen Abgasnormen, steigender Bedeutung der E-Mobilität und autonomem Fahren gibt es viele Herausforderungen für die Branche. Darüber hinaus befinden sich die von US-Präsident Trump angedrohten Autozölle noch in der Schwebe – dabei leiden die Autobauer bereits genug unter dem Handelsfiasko.
Zudem sind die deutschen Unternehmen nicht für die vereinbarten Klimaziele gewappnet. Um die Vorgabe zu erfüllen, den CO2-Ausstoß in Deutschland bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent zu reduzieren, sind große Veränderungen notwendig. Diese sind bisher in wenigen Sektoren ausreichend auf den Weg gebracht.
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