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Guinness Global Innovators: Warum der Fonds Tesla ignoriert
Joseph Stephens ist ein Mann der Zahlen. Der Analyst des Guinness Global Innovators Fund studierte Mathematik, bevor er in die Finanzbranche wechselte. Im Interview mit DAS INVESTMENT erklärt er, warum theoretische Modelle an der Börse öfter versagen, als man denkt, wie er mit seinem Team echte Innovation von Marketing-Hype unterscheidet und weshalb selbst Tech-Giganten wie Meta oder Netflix noch als Innovatoren gelten können.
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Joseph Stephens ist ein Mann der Zahlen. Der Analyst des Guinness Global Innovators Fund studierte Mathematik, bevor er in die Finanzbranche wechselte. Im Interview mit DAS INVESTMENT erklärt er, warum theoretische Modelle an der Börse öfter versagen, als man denkt, wie er mit seinem Team echte Innovation von Marketing-Hype unterscheidet und weshalb selbst Tech-Giganten wie Meta oder Netflix noch als Innovatoren gelten können.
DAS INVESTMENT: Herr Stephens, Sie haben Mathematik studiert. Wie landet man damit im aktiven Fondsmanagement?
Joseph Stephens: Das ist bei Guinness tatsächlich keine Seltenheit. Unser globales Team hat durchweg einen stark quantitativen Hintergrund. Matthew Page und Dr. Ian Mortimer, die das Team leiten, haben beide Physik studiert, andere Kollegen Wirtschaft und Mathematik. Diese zahlengetriebene Denkweise hilft uns besonders in der ersten Phase der Due Diligence. Allerdings – und das ist der entscheidende Punkt – basiert unsere finale Investmententscheidung immer auch auf qualitativen Aspekten.
Das klingt sehr harmonisch. Aber mal ehrlich: Was war Ihr größter mathematischer Irrtum in der Finanzbranche?
Stephens: Die größte Ernüchterung war definitiv die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis. An der Uni lernt man viel über Markteffizienzhypothesen und andere theoretische Konstrukte. Sobald man aber anfängt, reale Unternehmen zu analysieren, muss man sich von diesen starren Kategorien verabschieden. Die Realität ist viel komplexer.
Können Sie das konkretisieren?
Stephens: Nehmen Sie zum Beispiel die Marktreaktionen auf Quartalszahlen. Als ich 2018 anfing, wurde gerade über erste Zinserhöhungen der Fed diskutiert. Facebook, damals eine unserer Positionen, wurde regelrecht abgestraft. Ähnliches sahen wir während der Corona-Krise: extreme Kursreaktionen, die oft in keinem Verhältnis zu den fundamentalen Nachrichten standen. Solche Übertreibungen können mathematische Modelle kaum abbilden.
Sie sind seit sechs Jahren bei Guinness. Was unterscheidet die Gesellschaft in Ihren Augen von den großen Namen der Branche?
Stephens: Vor allem die flachen Hierarchien. Es klingt klischeehaft, aber bei uns stehen alle Türen offen, jede Stimme wird gehört. In größeren Häusern ist man oft nur ein kleines Rädchen im Getriebe. Bei uns hat jeder echte Verantwortung und die Freiheit, eigene Ideen zu verfolgen. Das erklärt auch unsere niedrige Mitarbeiterfluktuation.
Kommen wir zu Ihrer täglichen Arbeit. Der Guinness Global Innovators Fund setzt stark auf Technologie. Ist das nicht eher Mainstream als Innovation?
Stephens: Diese Frage höre ich öfter. Aber wir verstehen Innovation viel breiter. Es geht nicht nur um disruptive Technologien, sondern um die intelligente Anwendung von Ideen. Das kann die Verdrängung etablierter Anbieter sein, aber auch die schrittweise Verbesserung bestehender Produkte. Entscheidend ist: Wir suchen nach qualitativem Wachstum, nicht nach Wachstum um jeden Preis. Nicht jedes innovative Unternehmen ist automatisch ein gutes Investment.
Ihr Portfolio hat einen US-Anteil von 72 Prozent. Gibt es in Europa keine Innovation?
Stephens: Das klingt hart, aber: nein, zumindest nicht in der Größenordnung. Wir sind nicht benchmarkgetrieben, die 72 Prozent sind einfach das Ergebnis unserer Suche nach den 30 besten Ideen. Die USA sind nun mal stärker in IT und Wachstumsbereichen gewichtet, während Europa und Großbritannien von Industrie- und Energiesektoren dominiert werden. Theoretisch könnten wir auch bei 40 oder 50 Prozent USA liegen – aktuell sehen wir dort aber einfach die überzeugendsten Chancen.
Sprechen wir über einige Ihrer Positionen. Netflix etwa oder Meta – sind das wirklich noch Innovatoren oder längst etablierte Giganten, die ihre besten Tage hinter sich haben und nur noch die Cashflows optimieren?
Stephens: Viele der großen Tech-Unternehmen experimentieren ständig mit neuen Ideen – und ja, vieles davon funktioniert nicht. Jeff Bezos hat einmal gesagt, dass man keine Angst vor dem Scheitern haben darf, wenn man innovativ sein will. Aber nehmen Sie Netflix: Wir waren dort ganz am Anfang investiert. Das Unternehmen hat sich von einem Cash-Burner zu einer hochprofitablen Plattform entwickelt. Die Engagement-Algorithmen in ihrer Software waren ein entscheidender Faktor dafür, wie sie den Streaming-Krieg gewonnen haben.
Das klingt ein bisschen nach Rechtfertigung...
Stephens: Nein, schauen Sie sich die Zahlen an. Netflix generiert heute starke Cashflows und wächst weiter. Oder nehmen Sie Nvidia, das wir seit der Fondsgründung 2003 halten. Damals war das Unternehmen definitiv disruptiver, heute ist es ein etablierter Player – aber immer noch hochinnovativ. Der Punkt ist: Wir suchen nach Unternehmen, die Wachstum auch in echte Gewinne umsetzen können. Das unterscheidet uns von vielen Wachstumsfonds.
Alle diese Aktien hatten einen beeindruckenden Lauf. Wie managen Sie die Risiken bei solch hoch bewerteten Positionen?
Stephens: Man muss hier differenzieren. Die „Magnificent Seven“ werden oft in einen Topf geworfen, weil sie 2023 den Markt dominiert haben. Aber die zugrundeliegenden Treiber sind sehr unterschiedlich. Bei Alphabet macht das Cloud-Geschäft etwa 10 Prozent aus – das ist relevant, aber nicht der einzige Wachstumstreiber. Meta nutzt KI vor allem, um die Nutzerinteraktion zu verbessern. Mit Ausnahme von Nvidia werden die meisten dieser Unternehmen mit dem 20- bis 30-fachen Gewinn gehandelt. Das ist angesichts von Wachstumsraten von 10 bis 20 Prozent, Gewinnmargen von 30 Prozent und einem Dividendenwachstum von 10 Prozent pro Jahr durchaus vertretbar.
Sie haben ein konzentriertes Portfolio mit nur 30 Positionen und dazu noch diese hohe Tech-Gewichtung. Macht Sie diese Kombination nicht manchmal nervös?
Stephens: Nein, denn wir haben einen entscheidenden Risikopuffer: Unser Portfolio ist gleichgewichtet. Die sechs „Magnificent Seven“-Aktien, die wir halten – Tesla ist die einzige, die wir nicht im Portfolio haben – machen zusammen nur etwa 20 Prozent aus. Damit sind wir sogar untergewichtet im Vergleich zu Indizes und vielen Mitbewerbern, die oft 8 Prozent allein in Nvidia halten, während wir bei 3,3 Prozent pro Position starten. Wenn eine Aktie dann gut läuft und auf 4,5 oder 5 Prozent steigt, nehmen wir aktiv Gewinne mit und reinvestieren in schwächere Positionen, von deren Wachstum wir jedoch überzeugt sind.
Warum haben Sie sich gegen Tesla entschieden?
Stephens: Tesla ist ein gutes Beispiel für unseren Qualitätsfokus. Die Kurssteigerungen dort wurden hauptsächlich von Bewertungsausweitungen getrieben, weniger von Gewinnwachstum. Ja, wir haben dadurch einige Kursgewinne verpasst, aber fundamentale Qualität ist uns wichtiger als kurzfristige Kursgewinne.
2022 war für Sie ein schwieriges Jahr, der Fonds verlor etwa 15 Prozent. Was haben Sie daraus gelernt?
Stephens: In dieser Phase konzentrierten sich die Anleger auf defensive Sektoren - Versorger, Tabakaktien, hochdividendenstarke Titel. Das sind nicht unsere Bereiche. Dafür sollten wir in positiven Märkten überdurchschnittlich zulegen – diese asymmetrische Verteilung führt langfristig zu unserer Überrendite.
Das klingt sehr gelassen. Wie stellen Sie sicher, dass Sie den nächsten Abschwung rechtzeitig erkennen?
Stephens: Wir konzentrieren uns weniger auf Market Timing, das ist nicht unser Ansatz. Wir fokussieren uns auf Unternehmen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit über lange Zeit wachsen können. Natürlich beobachten wir die Qualitäts- und Wachstumsmerkmale unserer Investments genau. Wenn sich diese verschlechtern oder die Bewertung zu hoch wird, verkaufen wir. Aber wir spekulieren nicht auf die nächsten drei oder vier Monate.
Können Sie uns ein Beispiel für einen Fehler nennen, wo Sie als Analyst etwas übersehen haben?
Stephens: Zoom ist da ein gutes Beispiel. Wir sind gegen Ende des Lockdowns eingestiegen, und es lief nicht so, wie wir es uns erhofft hatten. Während das Unternehmensgeschäft sich gut entwickelte, gab es im Konsumentenbereich deutlich mehr Gegenwind als erwartet. Das zeigt auch einen wichtigen Aspekt unseres Prozesses: Da wir immer die 30 besten Ideen gleichgewichtet halten, verkaufen wir manchmal eine Aktie nicht, weil wir sie nicht mögen, sondern weil wir bessere Alternativen sehen.
Als Analyst suchen Sie nach Innovationen in verschiedenen Sektoren. Welche technologische Innovation hat Sie im letzten Jahr persönlich am meisten beeindruckt?
Stephens: KI ist vermutlich zu offensichtlich. Aber ich denke, den größten und möglicherweise noch unterschätzten Einfluss der Technologie sehen wir im Gesundheitsbereich, bei Diagnose und Behandlung.
Sie sind noch relativ jung in der Branche. Wenn Sie 20 Jahre in die Zukunft schauen - was muss passiert sein, damit Sie zufrieden auf Ihre Karriere zurückblicken?
Stephens: Interessanterweise geht es mir weniger um konkrete Marktereignisse oder Performanceziele. Was ich an Guinness besonders schätze, ist die Möglichkeit, echte Verantwortung zu übernehmen und mich breit weiterzuentwickeln. In einem kleineren Unternehmen muss man das Trading verstehen, operative Aspekte kennen und auch beim Auflegen neuer Fonds mitwirken. Diese kontinuierliche Weiterentwicklung ist mir wichtiger als das Erreichen bestimmter Meilensteine. Ich möchte in 20 Jahren nicht in einer Position sein, wo ich stehen geblieben bin, sondern wo ich immer noch jeden Tag dazulerne.