Der Silbermarkt scheint auf eine neue Phase eines anhaltenden Angebotsdefizits zuzusteuern. Im vergangenen Jahr wurde das höchste Defizit aller Zeiten gemessen, als die Nachfrage das Angebot um 237 Millionen Feinunzen überstieg.

Haupttreiber dieses Nachfrageüberhangs waren ein 5-prozentiger Anstieg der industriellen Nachfrage, eine um 29 Prozent höhere Nachfrage des Schmucksektors – vor allem in Indien – und 22 Prozent höhere Investitionen in physisches Silber in Form von Barren und Münzen (silverinstitute.org). Mit knapp 800 Millionen Feinunzen blieb die Silberminenproduktion allerdings stabil.

 

 

Angesichts der industriellen Verwendung von Silber und der wachsenden Nachfrage nach Barren und Münzen wird die Neuförderung weiterhin hauptsächlich in diese Sektoren fließen. In den vergangenen zwei Jahren haben institutionelle Investoren jedoch nur ein begrenztes Interesse an Silber – über entsprechende ETFs – gezeigt. Aufgrund des hohen Volumens der ETF-Anlageflüsse hat die institutionelle Nachfrage nach Silber und Gold in der Regel größere Auswirkungen auf die Spotpreise dieser Metalle.

Hoher Einfluss von Kapitalbewegungen

Sehr deutlich wurde dies durch den von Online-Plattformen verursachten „Silver-Squeeze“ im Jahr 2021, der dazu führte, dass beliebte börsengehandelte Produkte innerhalb von drei Tagen mehr als 100 Millionen Feinunzen ankauften, wodurch der Silber-Spotpreis um 15 Prozent auf 30 US-Dollar je Feinunze anstieg. Die bislang zeitlich begrenzten, aber hohen Zuflüsse institutioneller Anlagegelder in Silber verdeutlichen den Einfluss, den bedeutende Kapitalbewegungen auf einen relativ kleinen Markt haben.

Wie bei Gold gibt es oberirdische Silberbestände, die ein strukturelles Angebotsdefizit eine Zeit lang kompensieren können. Tatsächlich ist das hohe Stock-to-Flow-Verhältnis – das Verhältnis des existierenden Angebots zur Neufördermenge – von Gold und Silber ein wesentlicher Grund dafür, dass beide Edelmetalle in der historischen Betrachtung ideale Voraussetzungen für die Verwendung als Zahlungsmittel mitbrachten.

Mit dem zunehmenden Einfluss der Dynamik an den Rohstoffmärkten auf den Spotpreis und dem Rückgang der Silberbestände halten wir ein künftiges Angebotsdefizit jedoch für zunehmend wahrscheinlich. Nach Angaben der London Bullion Market Association (LBMA) sind die Silberbestände in den Londoner Tresoren auf den tiefsten Stand seit 2016 gefallen (London Vault Data, LBMA).