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Justin Muzinich: Wie KI das Kreditgeschäft verändert

Justin Muzinich kennt beide Welten – die öffentliche und die private: Er war stellvertretender US-Finanzminister, lehrte an der Columbia Business School und führt heute als CEO den Kreditspezialisten Muzinich & Co. Im ausführlichen Gespräch mit DAS INVESTMENT erklärt er, warum ein Vermögensverwalter manchmal „Nein“ zu Wachstum sagen muss, wie künstliche Intelligenz das Kreditgeschäft verändert und weshalb lokale Unternehmen in Zeiten geopolitischer Spannungen möglicherweise die bessere Wahl sind.
DAS INVESTMENT:Herr Muzinich, Sie haben eine bemerkenswerte Karriere sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor hingelegt. Was nehmen Sie aus Ihrer Zeit in Washington mit?
Justin Muzinich: Die Arbeit im öffentlichen Sektor verschafft einem eine einzigartige Perspektive. Sie arbeiten nicht nur an großen Themen mit, sondern lernen die Welt durch ständige Briefings auf einem Level kennen, das im privaten Sektor schlicht unmöglich zu erreichen ist. In einer hochrangigen Regierungsposition erhalten Sie täglich Analysen über den Zustand der Welt und verschiedener Länder. Jedes Jahr fühlt sich an wie ein komplettes Universitätsstudium – Sie werden von den weltweit führenden Experten zu allen relevanten Themen gebrieft.
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Justin Muzinich kennt beide Welten – die öffentliche und die private: Er war stellvertretender US-Finanzminister, lehrte an der Columbia Business School und führt heute als CEO den Kreditspezialisten Muzinich & Co. Im ausführlichen Gespräch mit DAS INVESTMENT erklärt er, warum ein Vermögensverwalter manchmal „Nein“ zu Wachstum sagen muss, wie künstliche Intelligenz das Kreditgeschäft verändert und weshalb lokale Unternehmen in Zeiten geopolitischer Spannungen möglicherweise die bessere Wahl sind.
DAS INVESTMENT: Herr Muzinich, Sie haben eine bemerkenswerte Karriere sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor hingelegt. Was nehmen Sie aus Ihrer Zeit in Washington mit?
Justin Muzinich: Die Arbeit im öffentlichen Sektor verschafft einem eine einzigartige Perspektive. Sie arbeiten nicht nur an großen Themen mit, sondern lernen die Welt durch ständige Briefings auf einem Level kennen, das im privaten Sektor schlicht unmöglich zu erreichen ist. In einer hochrangigen Regierungsposition erhalten Sie täglich Analysen über den Zustand der Welt und verschiedener Länder. Jedes Jahr fühlt sich an wie ein komplettes Universitätsstudium – Sie werden von den weltweit führenden Experten zu allen relevanten Themen gebrieft.
Das klingt nach einer intensiven Zeit. Wurde es nie ermüdend, täglich mit den großen Problemen der Welt konfrontiert zu werden?
Muzinich: Wir haben es stets als Herausforderung gesehen. Sie sind in einer Position, in der Sie mit den richtigen Entscheidungen das Leben von Millionen Menschen verbessern können. Das ist ein Privileg, aber es bedeutet auch, dass Sie sehr bedachte, datenbasierte Entscheidungen treffen müssen.
Sie sind 2009 in das Unternehmen Ihres Vaters eingestiegen. Wie hat sich Muzinich & Co seitdem entwickelt?
Muzinich: Als ich anfing, verwalteten wir etwa 3 bis 4 Milliarden US-Dollar an Vermögen. Das sind zehn Prozent dessen, was wir heute verwalten. Es war eine völlig andere Firma, und auch die Branche war eine andere. Die Kreditmärkte haben sich fundamental entwickelt, sie sind effizienter geworden, und wir haben den Aufstieg der privaten Kreditmärkte erlebt. Trotz all dieser Veränderungen sind wir unseren Grundwerten treu geblieben.
Was sind diese Grundwerte?
Justin Muzinich: Der wichtigste ist unsere absolute Fokussierung auf Kreditmärkte. Viele Firmen erliegen der Versuchung, in andere Anlageklassen zu expandieren. Das ist verständlich, aber wir glauben, dass die Finanzbranche zu wettbewerbsintensiv ist, um überall gut sein zu können. Man muss sich spezialisieren.
Aber ist es nicht riskant, alles auf eine Karte zu setzen?
Muzinich: Im Gegenteil. Einer der Gründe, warum wir diese Strategie durchhalten können, ist, dass wir privat geblieben sind. Wir gehören weder einer Private-Equity-Firma noch jemandem, der einen Ausstieg will und versucht, kurzfristig das verwaltete Vermögen zu maximieren . Wir sprechen ständig darüber, wie wir in unserem Bereich besser werden und Mehrwert schaffen können. Das ist unsere DNA.
Sie sprechen von Vertrauen und Beziehungen in einer Zeit, in der Fintech-Unternehmen die Branche umkrempeln. Wie digital ist Muzinich & Co?
Muzinich: Das ist keine Entweder-oder-Frage. Nehmen Sie unsere MLoan-Strategie: Wir haben Partnerschaften mit 50 verschiedenen Banken in Europa aufgebaut, die ihre Kredite an kleine und mittlere Unternehmen mit uns teilen. Durch die Daten, die wir seit Jahren von diesen Banken sammeln, konnten wir in den letzten fünf Jahren leistungsstarke KI-Systeme entwickeln.
Können Sie das konkretisieren? KI ist ja derzeit in aller Munde.
Muzinich: Unsere KI-Systeme helfen uns vorherzusagen, welche Kredite gut sind und welche Ausfallrisiken bergen. Ein Team von Data Scientists arbeitet ständig daran, diese Systeme zu verbessern. Und die Ergebnisse sind überzeugend: In unserem sehr diversifizierten Portfolio mit über 100 Positionen hatten wir seit 2019 trotz Ukraine-Krieg, Covid und der schwierigen Wirtschaftslage in Europa keine Ausfälle.
Was ist wichtiger für die nächsten Jahre: Technologie oder der persönliche Kontakt zu den Kunden?
Muzinich: Das ist wie bei der Frage nach Kunst versus Wissenschaft. Die Wahrheit ist: Beides ist unverzichtbar. Was macht den Erfolg von Apple aus? Es beherrscht beide Welten. Wir sind bei der Technologie sehr fortschrittlich, die Macht der Big Data ist real und wichtig. Aber gleichzeitig sind Finanzen ein Vertrauensgeschäft. Das darf man nie vergessen. Man darf nicht zu roboterhaft werden.
Sprechen wir über Ihre Eltif-Produkte. Sie waren einer der ersten Manager, die einen Eltif aufgelegt haben. Was macht diese Vehikel so interessant?
Muzinich: Wir sind tatsächlich sehr gespannt auf die Entwicklung in diesem Bereich. Wir verwalten seit etwa einem Jahrzehnt Private Credit für institutionelle Investoren. Eltif-Strukturen ermöglichen es uns nun, diese Expertise und die Illiquiditätsprämie auch Privatanlegern zugänglich zu machen. Wir werden noch in diesem Jahr einen der ersten Eltif-2.0-Fonds mit Fokus auf Kreditmärkte auflegen.
Wie unterscheiden sich Ihre Eltifs von denen anderer Anbieter?
Muzinich: Zunächst einmal gibt es sehr wenige Eltifs, die sich nur auf Kredite konzentrieren. Viele legen den Fokus auf Private Equity oder Infrastruktur. Wir denken aber, dass Private Credit die perfekte Anlageklasse für diese Struktur ist, weil man eine natürliche Liquidität durch Zinszahlungen und Tilgungen hat. Bei Private Equity haben Sie diese natürliche Liquidität nicht.
Sie haben Niederlassungen in ganz Europa. Ist das nicht sehr kostspielig?
Muzinich: Wir sind einer der wenigen Private-Credit-Manager mit wirklich lokaler Präsenz in ganz Europa. Wir haben Investmentexperten in London, Manchester, Dublin, Paris, Frankfurt, Zürich, Mailand und Madrid. Viele sehen Europa einfach als einen großen Markt, den man von London aus abdecken kann. Das ist ein Fehler. Die Kulturen sind sehr unterschiedlich, die Beziehungen sind anders. Kleine und mittlere Unternehmen wollen oft in ihrer eigenen Sprache Geschäfte machen. Diese lokale Präsenz war eine große Investition über die letzten zehn Jahre, aber sie war die richtige.
Wie sehen Sie die aktuelle makroökonomische Lage, besonders in den USA?
Muzinich: Die USA sind insgesamt in guter Verfassung. Das BIP-Wachstum lag im dritten Quartal bei etwa 3 Prozent, was sehr gesund ist. Die Arbeitslosigkeit ist relativ niedrig. Allerdings gibt es ernsthafte fiskalpolitische Herausforderungen. Ein Defizit von 6 Prozent des BIP ist nicht nachhaltig. Auch die Schuldenquote von 100 Prozent, die auf 130 Prozent steigen könnte, ist problematisch.
Im Wahlkampf spielte das Thema Staatsverschuldung kaum eine Rolle...
Muzinich: In Wahljahren ist es naturgemäß schwierig, über Schulden und Defizite zu sprechen. Das lässt sich in einem 30-Sekunden-Soundbite schwer vermitteln. Aber es gibt in den USA durchaus eine Reihe verantwortungsvoller Politiker, die sich dieser Probleme zunehmend bewusst sind.
Was könnte eine Lösung für die Schuldenkrise der Amerikaner sein?
Muzinich: Irgendwann muss es eine Lösung geben, das ist völlig klar. Möglicherweise entsteht in Washington ein Verantwortungsbewusstsein, aber oft wird dort erst gehandelt, wenn es ein Gefühl der Dringlichkeit gibt. Ich glaube nicht, dass die USA kurzfristig echte Finanzierungsprobleme bekommen werden. Aber beide Parteien müssen zusammenarbeiten, um das Problem zu lösen. Wenn nicht, wird der Markt sie irgendwann dazu zwingen.
Wir leben in einer Welt der zunehmend geopolitischen Spannungen. Wie wirken sich diese auf den Private-Debt-Sektor aus?
Muzinich: Historisch haben Rating-Agenturen großen globalen Unternehmen das niedrigste Risiko zugewiesen. Aber in einer Welt zunehmender geopolitischer Spannungen sind es vielleicht gerade diese Unternehmen, die am verwundbarsten sind. Ihre Umsätze sind international, sie sind stark in globale Lieferketten eingebunden. Wir denken, dass Unternehmen, die lokal produzieren und verkaufen, möglicherweise weniger geopolitischen Risiken ausgesetzt sind.
Eine These, die dem Globalisierungstrend der letzten Jahrzehnte widerspricht...
Muzinich: Die Rating-Agenturen brauchen oft Jahre, um ihre Ansichten zu ändern. Aber wir könnten in eine Welt eintreten, in der lokale Produktion und Verkauf tatsächlich risikoärmer sind als globale Verflechtung. In unserem Private-Debt-Geschäft konzentrieren wir uns daher besonders auf den unteren Mittelstand, auf kleine und mittlere Unternehmen, die eher lokal produzieren und verkaufen.
Sie haben auch an der Columbia Business School gelehrt. Was haben Sie aus dieser Zeit mitgenommen?
Muzinich: Ich habe dort den ersten Kurs über Kreditmärkte entwickelt und einige Jahre unterrichtet. Der Kurs existiert noch heute, was mich sehr freut. Als Professor müssen Sie Dinge klar erklären können, denn die Studenten haben oft noch wenig Erfahrungen mit dem Thema. Das zwingt einen dazu, die Materie wirklich tiefgehend zu verstehen, damit man sie auf Basis der Grundprinzipien einfach erklären kann. Wenn Erklärungen zu komplex werden, liegt das oft daran, dass man selbst nicht gründlich genug über das Thema nachgedacht hat.
Sie arbeiten täglich mit Ihrem Vater zusammen. Was ist das Beste daran - und was das Schwierigste?
Muzinich (lacht): Diese Frage sollten Sie ihm stellen! Nein, im Ernst: Ich hatte Glück. Wir hatten immer eine großartige Arbeitsbeziehung, es lief über viele Jahre sehr reibungslos. Als ich aus dem Regierungsdienst zurückkam, hatte ich viele Optionen. Aber die Zusammenarbeit mit meinem Vater ist nicht nur persönlich sehr erfüllend. Wir haben auch ein außergewöhnliches Team um uns herum, und es ist für uns beide sehr bereichernd, mit Menschen zusammenzuarbeiten, denen wir vertrauen und die wir bewundern.
Zum Abschluss eine ungewöhnliche Frage: Wenn Sie eine Persönlichkeit aus der Finanzgeschichte zum Dinner einladen könnten, wen würden Sie wählen?
Muzinich: Wahrscheinlich Alexander Hamilton, wegen seiner Rolle beim Aufbau des US-Finanzsystems und des Finanzministeriums. Ein Dinner nur mit ihm wäre fantastisch.



