Sinkende Unternehmensrenditen Kapitalintensität: Das Ende der Billig-Ära
Die Wucht der Inflation beendete 2022 einen jahrzehntelangen Abwärtstrend der Zinssätze. Auch wenn die Zinsen etwas sinken könnten, weil die restriktive Geldpolitik die Gesamtnachfrage und das Wirtschaftswachstum belastet, gehen wir nicht davon aus, dass die Kapitalkosten in Zukunft auch nur annähernd so niedrig sein werden wie in den letzten Jahren, als die Zentralbanken die Marktpreise durch quantitative Lockerung künstlich festlegten.
Infolge der höheren Kapitalkosten wird es für die Unternehmen schwierig werden, die Erwartungen der Anleger zu erfüllen. Wir haben schon des Öfteren argumentiert, dass dieser Trendwechsel Teil eines umfassenden Paradigmenwechsels ist: Von hohen und leicht zu erzielenden Kapitalrenditen hin zu niedrigeren und schwer zu erzielenden Renditen. Gestiegene Fremdkapitalkosten sind zwar die auffälligste Veränderung, aber nicht der einzige Faktor, der den Paradigmenwechsel antreibt. Im Folgenden werde ich skizzieren, was ein langfristiger Anstieg der Investitionsausgaben für die Gewinne bedeuten kann.
Die Vergangenheit war von sinkender Kapitalintensität geprägt
Die Globalisierung, insbesondere die wachsende Rolle Chinas auf der Weltbühne seit Mitte der 1990er-Jahre als Billigproduzent, hat das Spiel verändert. China wuchs nach dem Erwachen aus einem jahrhundertelangen Dornröschenschlaf zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt heran. Gleichzeitig wurde es Unternehmen in den Industrieländern möglich, mit sehr geringem Kapitaleinsatz zu produzieren, indem sie ihre Produktion an kostengünstigere Standorte in China und Asien auslagerten.
Die westlichen Unternehmen mussten folglich kein Sachkapital mehr aufbauen, weil Asien das für sie übernahm. Die Kapitalintensität, also die Ausgaben für Maschinen, Ausrüstung, Technologie und qualifizierte Facharbeiter, ging stetig zurück, wie die nachstehende Grafik zeigt.
Grafik 1: Mit der Verlagerung der Produktion nach Asien ist die Kapitalintensität westlicher Unternehmen gesunken
Dieser Umstand ist von besonderer Bedeutung, weil zwischen Kapitaleinsatz und Kapitalrendite eine enge Wechselwirkung besteht. Wenn die Kapitalintensität sinkt, steigen bei sonst gleichen Bedingungen die Renditen, weil weniger Kapital eingesetzt werden muss. Ganz nebenbei drückte die Auslagerung der Produktion auch die Betriebskosten, weil weniger Humankapital benötigt wurde.
Der Mix aus finanzieller Hebelwirkung durch künstlich niedrig gehaltene Zinssätze und sinkenden Anlageinvestitionen führte zu historisch hohen Renditen für die Aktionäre. Diese Entwicklung setzte jedoch Sparer und Arbeitnehmer unter Druck und verschärfte die Einkommensungleichheit. Beide Trends sind inzwischen zum Erliegen gekommen.
Steigende Kapitalintensität setzt Unternehmen unter Druck
Die Pandemie und der Ukraine-Krieg haben grell vor Augen geführt, was geschieht, wenn Waren nicht dann zur Verfügung stehen, wenn sie gebraucht werden. Für die Herstellung eines Autos werden Tausende von Teilen benötigt, doch eine einzige fehlende Komponente kann die Produktion stoppen. Für Unternehmen ist es deshalb wichtig geworden, ein Produkt mit einer kleinen Gewinnspanne im Regal zu haben, anstelle eines leeren Regals von Produkten mit hoher Gewinnspanne. Während der Bau von Halbleiter- und E-Autofabriken große Aufmerksamkeit in den Medien auf sich gezogen hat, betrifft die Verlagerung von Lieferketten auch gleichermaßen Elektro- und Chemiekonzerne sowie Medizingerätehersteller. Auch diese Unternehmen haben kapitalintensive Arbeitsprozesse.
Der schwelende Kalte Krieg zwischen den USA und China und der Krieg im Nahen Osten haben die Risiken noch akuter werden lassen. Auch wenn die endgültigen Ausprägungen noch ungewiss sind, ist zu erwarten: Die Deglobalisierung wird dazu führen, dass Kapital, das in den vergangenen Jahren über Dividenden, Aktienrückkäufe und Firmenübernahmen an die Aktionäre zurückgeflossen ist, zukünftig für Anlageinvestitionen aufgebracht werden muss. Diese Entwicklung dürfte die künftigen Renditen belasten.
Die Zukunft der Kapitalanlage: Unternehmensbelastbarkeit entscheidet über die Rendite
Kurzfristig treiben zwar Impulse wie die monatlichen Arbeits- oder Inflationsdaten die Preise von Vermögenswerten an. Langfristig ist jedoch die Kapitalrendite entscheidend. Für Anleger wird mit Blick auf die Zukunft wichtig: Stand für die Unternehmen bislang die Effizienz ihrer Lieferketten im Vordergrund, steht inzwischen deren Belastbarkeit und Widerstandsfähigkeit im Fokus. Der Umbau kostet viel Geld und daraus folgt: Wenn Unternehmen, denen es an Sachkapital mangelt, Investitionen tätigen müssen, wirkt sich das negativ auf deren Rendite aus.
Ähnlich wie Investoren allokieren auch Unternehmen Kapital. Über Aktien- und Anleihekurse stimmt der Markt ab. Das Umfeld, in dem die Folgen schlechter Unternehmerentscheidungen durch künstlich niedrig gehaltene Zinsen und die Globalisierung abgemildert wurden, liegt hinter uns. Wir treten stattdessen in ein Umfeld ein, in dem Fehler hart bestraft werden.
Welche Unternehmen könnten sich als stabil erweisen und weiterhin gute Renditen abwerfen? Gewiss die, die von umsichtigen Entscheidungsträgern geführt werden. Erfolgreich werden die Unternehmen sein, die verstanden haben, dass das billige Kapital der Covid-Jahre nicht zurückkehrt und fragile Lieferketten zur Gefahr für ein erfolgreiches Wirtschaften werden. Unternehmen mit hohem Kapitalbedarf und hoher Schuldenlast dürften daher zukünftig enttäuschen. Da die Unternehmensrenditen die Preise von Kapitalanlagen bestimmen, werden wir einen Paradigmenwechsel bei der Bedeutung von Wertpapierauswahl und aktivem Management sehen.
Die geäußerten Ansichten sind die des Autors und können sich jederzeit ändern. Diese Ansichten dienen nur zu Informationszwecken und sollten nicht als Empfehlung zum Kauf eines Wertpapiers oder als Aufforderung oder Anlageberatung verstanden werden. Prognosen können nicht garantiert werden.