Kapitalmarktstratege Tilmann Galler von J.P. Morgan AM
Ist die europäische Erholung auf Kurs oder gerät sie ins Stocken?
Redaktion //
Tilmann Galler ist Market Strategist Deutschland, Österreich, Schweiz und J.P. Morgan Asset ManagementFoto: JP Morgan AM
Zu Beginn dieses Jahres waren die Versprechungen und Erwartungen bezüglich des europäischen Wachstums noch hoch, was vor allem den lockeren Finanzbedingungen und der rückläufigen Arbeitslosigkeit zuzuschreiben war. Geschäftsklimaumfragen ließen ebenso wie die amtlichen Daten auf ein deutlich über dem Trend liegendes Wachstum in Europa schließen. Die europäische Erholung schien endlich Fuß zu fassen.
„Seit Januar sind die Einkaufsmanagerindizes (PMIs) der Region zurückgegangen, und auch die europäischen BIP-Zahlen haben enttäuscht. Zunächst sah dies nach einem vorübergehenden, auf ungünstige Witterungsbedingungen zurückzuführenden Phänomen aus. Aber die Schwäche hält weiterhin an. Anleger fragen sich nun, ob die europäische Erholung ins Stocken gerät.“
Tilmann Galler, Globaler Marktstratege
Die Auslandsnachfrage hat sich abgeschwächt, das Binnenwachstum erscheint vorerst jedoch robust
Unterzieht man die Abkühlung einer näheren Betrachtung, so scheint es, als sei ein Großteil der Wachstumsdämpfung auf Schwäche bei den Nettoexporten zurückzuführen. Der Beitrag der...
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„Seit Januar sind die Einkaufsmanagerindizes (PMIs) der Region zurückgegangen, und auch die europäischen BIP-Zahlen haben enttäuscht. Zunächst sah dies nach einem vorübergehenden, auf ungünstige Witterungsbedingungen zurückzuführenden Phänomen aus. Aber die Schwäche hält weiterhin an. Anleger fragen sich nun, ob die europäische Erholung ins Stocken gerät.“
Tilmann Galler, Globaler Marktstratege
Die Auslandsnachfrage hat sich abgeschwächt, das Binnenwachstum erscheint vorerst jedoch robust
Unterzieht man die Abkühlung einer näheren Betrachtung, so scheint es, als sei ein Großteil der Wachstumsdämpfung auf Schwäche bei den Nettoexporten zurückzuführen. Der Beitrag der Nettoexporte zum jährlichen BIP-Wachstum sank von 1,4 Prozent im vierten Quartal 2017 auf 0,4 Prozent im zweiten Quartal 2018.
Zu diesem Rückgang haben mehrere Faktoren beigetragen. In der Zeit von November 2017 bis April 2018 legte der Euro um nahezu 10 Prozent zu. Gleichzeitig stieg der Ölpreis deutlich an und näherte sich der Marke von 80 USD je Barrel. Die Stärke des Euro dämpfte die Exporte, während höhere Ölpreise die Importkosten steigerten. Die positive Nachricht ist, dass ein Großteil dieser vorübergehenden Faktoren inzwischen abgeklungen ist: Der Ölpreis ist gegenüber seinen jüngsten Höchstständen wieder zurückgegangen, und der Euro hat gegenüber dem US-Dollar nachgegeben. Es sollte allerdings auch beachtet werden, dass eine Abkühlung in China die Auslandsnachfrage in Europa ebenfalls gedämpft hat.
Um die Frage zu beantworten, ob der Euroraum sein Gleichgewicht wiederherstellen kann, oder ob sich die aktuelle Abwärtsdynamik fortsetzen wird, muss sich das Augenmerk auf die Binnennachfrage richten. Grund hierfür ist die Tatsache, dass die Binnennachfrage seit 2010 im Durchschnitt 75 Prozent der Gesamtnachfrage ausmacht (Abbildung, linke Seite, vergrößern hier).
Bislang ist die Binnennachfrage recht robust geblieben. Die Arbeitslosenquote geht weiterhin um etwa einen Prozentpunkt pro Jahr zurück, während sich das Lohnwachstum allmählich belebt. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, sollte er dem Verbrauchervertrauen (Abbildung 1, rechte Seite) und dem Konsum Unterstützung bieten.