- Startseite
-
Nusantara: Wie Indonesien das Fintech-Zentrum Asiens plant

Südostasien ist ein aufsteigender Stern der Weltwirtschaft, das Potenzial ist unübersehbar. Geostrategisch im Herzen des asiatisch-pazifischen Raums positioniert, werden die dortigen Volkswirtschaften vom Wachstum Chinas und Indiens angetrieben sowie von den Ansprüchen der eigenen riesigen Bevölkerung.
Für den IWF sind 2023 China und Indien die zwei wichtigsten Wachstumstreiber der Weltwirtschaft. Mit einem erwarteten Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 5,2 Prozent trägt China rund 35 Prozent zum weltweiten Wachstum bei, Indien 5,9 Prozent Wachstum 15,4 Prozent.
Asien insgesamt steht in diesem Jahr für 67,4 Prozent des Weltwachstums, Europa für gerade einmal 7 Prozent. Indonesien wird rund 4,5 Prozent zum weltweiten Wachstum beitragen. Südostasien wird nicht nur aufgrund der schnellen Wachstumsaussichten der Region zu einem beliebten Investmentziel.
Sinkende Inflation und Digitalisierungs-Boom
Die Inflation in Südostasien hat ihren Gipfel erreicht und ist rückläufig. In Thailand sank die Gesamtinflation im Mai auf den niedrigsten Stand seit 21 Monaten, in Malaysia stiegen die Verbraucherpreise im Mai so langsam wie seit 11 Monaten nicht mehr. In Indonesien ist die Inflation an das obere Ende der Zielvorgabe der Zentralbank gefallen, in Vietnam werden die Zinsen bereits gesenkt, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Und auf den Philippinen ging die Inflation im Mai den vierten Monat in Folge zurück. Südostasien ist eine vielfältige Region, die aufgrund von steigenden Löhnen, höheren ausländischen Direktinvestitionen und einer guten Anbindung an den Rest der Welt immer attraktiver wird.
Indonesien ist die größte Volkswirtschaft Südostasiens und verfügt über eine stabile Wirtschaft, reiche Ressourcen und eine günstige Demografie. Indonesien - wie Südostasien im Allgemeinen - kommt das rasante Wachstum im Digitalbereich zugute. Das Land ist ein wichtiger Rohstoffexporteur und verzeichnet die höchsten ausländischen Direktinvestitionen in den Sektoren Metalle, Bergbau, Transport, Immobilien und Telekommunikation.
Das Land hat eine junge Bevölkerung von 278 Millionen Menschen, darunter 135 Millionen Erwerbsbevölkerung. Indonesiens Wirtschaft hat sich erfolgreich von einer Agrar- zu einer ausgewogeneren Wirtschaft gewandelt und sich von seiner früheren Abhängigkeit von Primärexporten gelöst. Der indonesische Agrarsektor trägt nur noch 13 Prozent zum BIP des Landes bei und beschäftigt 27 Prozent der Arbeitskräfte. Das Land ist der zweitgrößte Produzent von Naturkautschuk weltweit und exportiert auch Reis, Zuckerrohr, Kaffee, Tee, Tabak, Palmöl, Kokosnüsse und Gewürze.
Der Industriesektor trägt zu etwa 38 Prozent des BIP bei und beschäftigt rund 23 Prozent der Arbeitskräfte. Zu den Produkten gehören Textilien, Zement, chemische Düngemittel, elektronische Produkte, Gummireifen, Kleidung und Schuhe. Der indonesische Dienstleistungssektor trägt mit 45 Prozent mittlerweile am meisten zum BIP bei und beschäftigt rund die Hälfte aller Arbeitskräfte vor allem im Bankwesen und dem Tourismus.
Indonesien verfügt über die größten Nickelreserven der Welt und ist auch ein wichtiger Erzeuger mehrerer anderer wichtiger Metalle wie Bauxit, Zinn und Nickelerz. Indonesien ist außerdem der weltweit größte Produzent und Exporteur von Palmöl und der siebtgrößte Exporteur von Flüssigerdgas der Welt. China, die USA, Japan, Singapur und Indien sind die wichtigsten Märkte Indonesiens. Die wichtigsten Importpartner des Landes sind China, Singapur, Japan, Thailand und die USA.

Nusantara - der Traum von einer neuen Hauptstadt
Der indonesische Präsident Joko "Jokowi" Widodo bemüht sich in seiner zweiten Amtszeit nach Kräften, die ausländischen Investitionen anzukurbeln. Dabei spielt sein Lieblingsprojekt, die Verlegung der Hauptstadt von Jakarta nach Nusantara, einer neuen Stadt auf der Insel Borneo eine wichtige Rolle. Er hofft, dass der Umzug bis 2045 abgeschlossen sein wird und möchte die Stadt zu einem führenden Fintech-Zentrum in Asien machen.
Nach seiner Wiederwahl im Jahr 2019 hatte Widodo angekündigt, die Hauptstadt zu verlegen. Das Projekt wurde im Januar 2022 vom Parlament ratifiziert. Da einige Regierungsfunktionen bereits 2024 verlegt werden sollen beschloss er den Unabhängigkeitstag am 17. August im neuen Präsidentenpalast zu feiern.
Nusantara („Archipel“) soll eine grüne und "intelligente" Stadt sein, in der umweltfreundliche digitale Technologien umfassend genutzt werden. Vor allem aber soll es ein Finanzzentrum für Asien werden, nicht wie Singapur oder Hongkong, sondern ein Fintech-Zentrum.
Maßnahmen, wie zum Beispiel Körperschaftssteuerbefreiungen für Banken und Versicherungen sowie Unternehmen im islamischen Finanzwesen, das auf der Scharia basiert soll Fintech-Unternehmen in die neue Hauptstadt locken.
Indonesien setzt Anreize für Firmen und Investoren
Die Regierung plant, Arbeitnehmer im Finanzsektor bis 2032 von der Einkommenssteuer zu befreien und ihnen danach 50-prozentige Steuersenkungen zu gewähren. Die Steuererleichterungen sollen auch für ausländische Arbeitnehmer gelten. Weitere geplante Anreize sind niedrigere Steuern auf Dividenden und Zinserträge, die Vereinfachung der Unternehmensregistrierung und die Gewährleistung der Vertraulichkeit von Daten.
Mit diesen Reformen hofft Widodo, die neue Hauptstadt nicht nur als politisches und administratives Zentrum des Landes zu positionieren, sondern auch als dessen wirtschaftliches und finanzielles Herz. Dazu hat die Regierung bereits Anreize zur Förderung von Investitionen auch in Nicht-Finanzindustrien geschaffen. So werden Investitionen in die Infrastruktur und den Dienstleistungssektor bei Projekten, die zwischen 2022 und 2035 in Angriff genommen werden, 30 Jahre lang von der Körperschaftssteuer befreit, bei Projekten, die zwischen 2036 und 2045 gestartet werden, 25 Jahre lang. Unternehmen, die ihren Hauptsitz in Nusantara errichten oder dorthin verlegen, können 10 Jahre lang zu 100 Prozent von der Steuer befreit werden. Auch die Mehrwertsteuern werden gesenkt.
Nach Angaben der Nusantara Capital City Authority, der Regierungsbehörde, die mit der Überwachung der Umsiedlung beauftragt ist, haben sich bisher rund 90 Investoren bereit erklärt, Geld in Bereichen wie Infrastruktur und Bildung zu investieren. Unter anderem haben Unternehmen aus dem Nahen Osten, Südkorea, China und Europa ihr Interesse bekundet.
Das Washington Indonesiens
Widodo plante ursprünglich, die politischen und administrativen Funktionen Indonesiens in die neue Hauptstadt zu verlegen, Jakarta aber als wirtschaftliches Zentrum beizubehalten. Widodo entschied sich ursprünglich für die Verlegung der Hauptstadt um die Belastung Jakartas durch die Verteilung der Bevölkerung zu verringern. Seine Position zur Rolle von Nusantara hat sich im Laufe der Zeit geändert. Ursprünglich schwebte ihm wohl eine indonesische Version der Doppelrolle vor, die Washington und New York in den USA spielen, wobei Nusantara als "Washington" fungiert.
Die Regierung begann mit der Planung des Umzugs des Präsidentenpalastes, des Parlaments, der Ministerien und Behörden, des Obersten Gerichtshofs und anderer staatlicher Einrichtungen in die neue Hauptstadt. Sie schien zu erwarten, dass die Börse von Jakarta und die großen Unternehmen in Jakarta bleiben würden. In seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation im August letzten Jahres sagte Widodo jedoch, dass Nusantara nicht nur als Standort für die nationale Bürokratie, sondern auch für Innovatoren und Unternehmer dienen solle. Er betonte die Rolle von Nusantara als neuer Motor für Indonesiens Wachstum.
Um dies Wirklichkeit werden zu lassen, braucht Widodo allerdings viel Geld. Die Kosten für das Umsiedlungsprojekt werden auf insgesamt 30 Milliarden US- Dollar geschätzt, wovon die Regierung 20 Prozent übernehmen soll. Der Rest soll aus dem privaten Sektor und anderen Quellen kommen.
Digital-Boom soll das Wachstum finanzieren
Die digitale Wirtschaft Indonesiens soll von 77 Milliarden Dollar im Jahr 2022 auf 130 Milliarden Dollar im Jahr 2025 wachsen. Angesichts der Bedeutung des Landes in Südostasien hat Widodo viel Aufmerksamkeit darauf verwendet, Fintech zu einem integralen Bestandteil der neuen Hauptstadt zu machen. In Jakarta sind Konzerne und Start-ups bereits dabei, digitale Banken zu gründen.
Nicht zuletzt steckt wohl auch ein politisches Motiv hinter dem Umdenken des Präsidenten. Da er laut Verfassung nicht für eine dritte Amtszeit kandidieren darf, muss Widodo im Oktober 2024 zurücktreten. Er will Nusantara als Vermächtnis so hinterlassen. Daher hält er an seinen Plänen fest, die Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag im August 2024 im neuen Präsidentenpalast abzuhalten, in der Hoffnung, den Umzug als vollendete Tatsache präsentieren zu können, bevor er abtritt.
Zweifellos ist es auch Widodos Absicht, die unausgewogene Entwicklung Indonesiens zu korrigieren, indem er die übergroße Konzentration des Reichtums auf der Insel Java, einschließlich Jakarta, aufbricht. Daher fällt es ihm schwer, Zugeständnisse in Bezug auf Nusantara zu machen, da es für seine Pläne für die Entwicklung des Landes von zentraler Bedeutung ist. Der Großraum Jakarta hat rund 30 Millionen Einwohner und wächst ungehemmt weiter. Zwischen 2021 und 2026 sollen etwa 13 Vier-Sterne-Hotels eröffnet werden. Mittlerweile haben chinesische Unternehmen ein Auge auf das ehrgeizige Projekt geworfen und wollen ein Teil des ehrgeizigen Multimilliarden-Dollar-Projekts sein, während die Behörden darum kämpfen, Investitionszusagen von ausländischen Unternehmen aus anderen Ländern zu erhalten.
Bislang hat die Regierung nach eigenen Angaben mehr als 200 Absichtserklärungen von Unternehmen aus 17 Ländern erhalten, die sich am Bau von Nusantara beteiligen wollen. Von den voraussichtlichen Baukosten in Höhe von 31 Milliarden US-Dollar sollen 80 Prozent aus externen Quellen wie dem Privatsektor und den Regierungen der reichen Länder finanziert werden. Doch seit dem Rückzug der japanischen Softbank-Gruppe im März letzten Jahres wurden keine größeren neuen Investitionszusagen mehr bekannt gegeben.
Während die Regierung mit dem Aufbau der grundlegenden Infrastruktur am Standort in der noch weit entfernten Stadt Nusantara beschäftigt ist und die Investoren noch vorsichtig sind, sagen chinesische Unternehmen, dass sie helfen können. Das ist Widodo - der versucht, den Investoren zu versichern, dass das riesige Projekt auf Kurs ist - sehr willkommen.
China finanziert die neue Hauptstadt Indonesiens
Als Widodo letztes Jahr mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping zusammentraf, machte der deutlich Peking hoffe, sich aktiv am Bau der neuen Hauptstadt sowie einer Industriezone in der Region beteiligen zu können. Die Nusantara Capital Authority, will die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft integrieren, um eine futuristische grüne Stadt ohne Abfall zu schaffen. Bis 2045 sollen 60 Prozent der Abfälle in Nusantara recycelt und bis 2035 die gesamte Wasserversorgung über ein Rückgewinnungssystem aufbereitet werden.
Die Kreislaufwirtschaft wird für Investoren und Gemeinden gleichermaßen ein Gewinn sein. Nach einer Studie der Nationalen Entwicklungsplanungsbehörde und des UN-Entwicklungsprogramms könnte das Kreislaufwirtschaftskonzept in den Schlüsselindustrien Lebensmittel und Getränke, Textilien, Groß- und Einzelhandel, Bauwesen und Elektronik bis 2030 4,4 Millionen Arbeitsplätze in Indonesien schaffen und die Wirtschaftsleistung um 45 Milliarden US-Dollar steigern.
Eine frühe und maßgebliche Betitelung an so einem Leuchtturmprojekt würde es den chinesischen Smart-City-Unternehmen und der chinesischen Regierung ermöglichen, im Zuge mit der BRI, der Belt and Road und vor allem der Digitalen Seidenstraße Zugang ins Herz Südostasiens zu bekommen. Was die Rivalen Chinas wie Indien, Die USA und auch Europa nicht kalt lassen kann. Daher erscheinen mehr Interesse und Engagement unserseits angezeigt.
Durch ein erfolgreiches Kreislaufwirtschaftsmodell, das durch eine gute Stadtverwaltung und öffentlich-private Partnerschaften vorangetrieben wird, kann Indonesiens neue Hauptstadt ein Vorbild werden und die weltweite Bewegung für grünere, sauberere und nachhaltigere Städte stärken. Angesichts des hohen Beitrags von großen Städten zum Klimawandel und CO2-Ausstoß ein lohnendes Ziel.