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Aktualisiert am 07.07.2023 - 10:41 Uhrin Karl PilnyLesedauer: 10 Minuten
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Pilnys Asia Insights
Zeitenwende in Deutschlands Asienpolitik: Besuchsdiplomatie
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Pilnys Asia Insights Zeitenwende in Deutschlands Asienpolitik: Besuchsdiplomatie

Bundeskanzler Olaf Scholz mit Japans Premierminister Fumio Kishida
Bundeskanzler Olaf Scholz mit Japans Premierminister Fumio Kishida: Der Besuch in Tokio zeigte die wiederentdeckte Verbundenheit der beiden Länder | Foto: Imago Images / Zuma Wire

Xi und Putin verkünden eine „ewige Freundschaft“ die explizit gegen den Westen, genauer die USA gerichtet ist. Eine Blockbildung zeichnet sich ab, die die Welt spalten könnte, wie man es seit dem Ende des Kalten Kriegs nicht mehr gesehen hat.

Noch kann man versuchen gegenzusteuern, um ein erneutes, womöglich endgültiges „Ende der Geschichte“ zu verhindern. Viele in Peking wissen, dass die globale Spaltung in zwei Hemisphären dem Exportweltmeister China schwer schaden würde. Umso wichtiger ist es, dass der Westen weiter mit Xi redet, allen voran die USA. Doch die Rhetorik und die Politik wird auf beiden Seiten schärfer.

Zu den wichtigsten Resultaten der „Zwei Sitzungen“ des Nationalen Volkskongresses gehörte die Umgestaltung der chinesischen Forschungs- und Entwicklungsstrategie. Künftig konzentriert sich das Ministerium für Wissenschaft und Technologie (MOST) nur noch auf Projekte, die „den Willen des Staates“ widerspiegeln wie die Durchführung großer nationaler Wissenschaftsprojekte oder die Ausarbeitung einer chinesischen Forschungsstrategie.

China hat beim Technologiewettlauf die Nase vorn

Dies zeigt, wie ernst Peking den Technologiewettlauf mit dem Westen nimmt. Es geht mehr denn je darum, wer bei den Zukunftstechnologien die Nase vorn hat. Das Australian Strategic Policy Institute (ASPI) kommt zu einem für den Westen alarmierenden Ergebnis: „Western democracies are losing the global technological competition.“ In seinem Report „The Global Race for Future Power“ wurden im Rahmen des ASPI Critical Technology Tracker insgesamt 44 Technologien identifiziert. In 37 sei China führend, in den restlichen sieben die USA.

„China has built the foundation of position itself as the world´s leading science and technology superpower”, stellen die brandneue Studie fest. An die Adresse des Westens mahnt sie: „These findings should be a wake-up call für democratic nations.“ Dabei sollte es vor allem ein Weckruf für die Europäer sein, denn bei allen 44 untersuchten Technologien sind nur die USA und China auf den beiden ersten Plätzen.

Immerhin beginnt ein Umdenken in der deutschen Asienpolitik. Man nimmt sogar in Kauf, China, den größten asiatischen Wirtschaftspartner, zu verärgern. Gerade beendete Bundesforschungsministerin Stark-Watzinger den ersten Taiwan-Besuch eines deutschen Kabinettsmitglieds seit 26 Jahren. Im Mittelpunkt der zweitägigen Reise standen Forschungskooperationen mit der Hightech-Insel bei Halbleitern, Elektroauto-Batterien, Wasserstoff und künstlicher Intelligenz.

Erwartungsgemäß bezeichnete das chinesische Außenministerium den Besuch als abscheuliches Verhalten und forderte Deutschland auf, sich an das Ein-China-Prinzip zu halten. Demnach vertritt nur die Volksrepublik China das Land. Taiwan wird als Teil Chinas betrachtet. Ländern, die durch Ministerbesuche oder andere Maßnahmen suggerieren, Taiwan sei ein eigenes Land, droht Peking mit Wirtschaftssanktionen.

 

 

Während die taiwanische Seite den Besuch als „historisches Ereignis feierte, stufte die Bundesregierung ihre Reise als „fachlichen Austausch ein. Sie sei Teil der deutschen Ein-China-Politik. So erkennt Deutschland zwar nur China diplomatisch an, pflegt aber enge Kontakte zu Taiwan. Die Ministerin deutete eine neue diplomatische Normalität in den deutschen Beziehungen zu Taiwan und damit auch zu China an. Es gebe viele Themen der Zusammenarbeit.

Der fachliche Austausch und die Zusammenarbeit auf Fachebene sollten auch in Zukunft Normalität sein. Die robustere Haltung gegenüber chinesischen Befindlichkeiten sei keine persönliche Meinung, sondern eine neue strategische Ausrichtung der Regierungspolitik.

Bundeskanzler mit sechs Ministern nach Tokio

Eine engere Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik und bei den Lieferketten mit demokratischen Nationen gegen Mächte wie Russland, die mit Krieg Grenzen neu ziehen wollen, wurde auch von Kanzler Scholz vorgelebt.

German chancellor in Japan Japanese Prime Minister Fumio Kishida (R) and German Chancellor Olaf Scholz shake hands
Bundeskanzler Olaf Scholz mit Japans Premierminister Fumio Kishida beim Staatsbesuch in Tokio  © Imago Images / Kyodo News

Mit sechs Ministern war er vergangene Woche zu den ersten deutsch-japanischen Regierungskonsultationen nach Tokio gereist, die Berlin mit strategischen Partnern durchführt.

Dabei verkündete er nicht nur wie erwartet eine stärkere Zusammenarbeit mit Japan bei der Rohstoffbeschaffung, sondern auch in Rüstungsfragen. In der Tat bietet sich eine engere Zusammenarbeit an.

Japan will den Verteidigungshaushalt in den nächsten fünf Jahren verdoppeln, Deutschland hat ein Sondervermögen eingerichtet, um den Rüstungsetat aufzustocken. Daraus ergäben sich neue Möglichkeiten für eine engere Zusammenarbeit in der Ausbildung, „möglicherweise aber auch in Rüstungsfragen, so der Verteidigungsminister Pistorius. „Natürlich ist Japan als starke Marine-Nation auch für uns ein interessanter Partner.

Militärisch ist Deutschland in Asien bereits in Erscheinung getreten ein wenig. 2021 fuhr die Fregatte „Bayern nach Japan, um für die Freiheit der Schifffahrt auch in den Gebieten zu demonstrieren, die China völkerrechtswidrig als eigenes Seegebiet betrachtet, und 2022 flog die Luftwaffe mit drei Eurofightern zunächst zu einem multinationalen Manöver nach Australien. Von dort ging es weiter nach Japan. Pistorius ging aber auch auf gemeinsame Rüstungsprojekte ein. Konkret nannte er U-Boot-Antriebe.

Japan will seine Rüstungsindustrie wiederbeleben

Im Dezember hatten Japan, Italien und Großbritannien vereinbart, gemeinsam ein neues Kampfflugzeug zu entwickeln die erste große Rüstungskooperation Japans ohne die Schutzmacht USA. Sicher nicht die letzte, denn nach jahrzehntelanger Zurückhaltung in Rüstungsfragen will Japan nun seine Rüstungsindustrie wiederbeleben. So erweitert Japan in aller Stille seine U-Boot-Kapazitäten um einige der besten Tarnkappenboote der Welt.

 

 

Gerade erhielt die japanische Marine ihr neuestes U-Boot, die Hakugei, von Kawasaki Heavy Industries. Es ist das zweite Schiff der neuen dieselelektrischen U-Boote der Taigei-Klasse und mit Lithium-Ionen-Batterien ausgestattet, die längere Unterwassereinsätze ermöglichen.

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Das dieselelektrische U-Boot lädt das Batteriesystem auf, während es mit dem Dieselmotor läuft, und schaltet auf Batteriestrom um, sobald es tief unter Wasser und im Batteriemodus ist. Im Unterschied zu atomgetriebenen U-Booten, die ihre Reaktoren nicht abschalten können, ist im Batteriebetrieb der Motor praktisch geräuschlos.

Diese „Tarnkappe“ in Verbindung mit Japans Stärke bei der Unterwasserlärmanalyse verschafft Nippon einen Vorteil gegenüber chinesischen U-Booten. Das könnte entscheidend sein, denn die USA haben stets gefordert, dass Japans U-Boote im Falle einer möglichen Taiwan-Krise die Engpässe verteidigen und chinesische U-Boote im Ostchinesischen Meer und im Japanischen Meer aus dem Hinterhalt angreifen können müssen, wenn diese versuchen, in den Pazifischen Ozean vorzudringen. Mithin ist die Einschränkung der Manövrierfreiheit chinesischer Schiffe eine der wichtigsten Kapazitäten, mit denen Japan das US-Militär in einem regionalen Krisenfall unterstützen kann.

Bisher ist Japan das einzige Land, das U-Boote mit Lithium-Ionen-Batterien betreibt. Derzeit sind damit vier japanische U-Boote die beiden U-Boote der Taigei-Klasse und die beiden letzten U-Boote der Soryu-Klasse Lithium-Ionen-Batterien ausgerüstet.

Nach Angaben des Batterieherstellers GS Yuasa aus Kyoto lassen sich Lithium-Ionen-Batterien schneller aufladen als Blei-Säure-Batterien, haben eine höhere Entladerate und eine höhere Energiedichte was zu einer besseren Tarnung und längeren Unterwasserzeiten führt.

Die Hakugei ist mit hochfestem Stahl für seinen Druckrumpf ausgestattet, damit das Boot in tieferen Gewässern operieren kann. Die gesamten Produktionskosten beliefen sich auf 550 Millionen Dollar. Als eines von 22  japanischen U-Booten ist die Hakugei, japanisch für „weißer Wal“, im Marinestützpunkt Kure in der Präfektur Hiroshima stationiert. Sie ersetzt die Oyashio, das führende Boot der Oyashio-Klasse, die gerade nach 25 Jahren außer Dienst gestellt wurde.

Japans Maritime Selbstverteidigungsstreitkräfte (JMSDF) wollen und müssen angesichts der wachsenden chinesischen Marine sowohl die Quantität als auch die Qualität ihrer U-Boot zeitnah steigern.

Chinas militärische Fortschritte setzen Japan unter Druck

Früher waren sie den chinesischen Booten, einschließlich der Ming-Klasse aus sowjetischer Zeit, qualitativ überlegen. Doch die chinesische Marine hat Fortschritte bei ihren U-Boot-Fähigkeiten gemacht und etwa ein luftunabhängiges Antriebssystem eingeführt, das es dem Boot ermöglicht, unter Wasser Sauerstoff zu erzeugen, der in seinem Dieselmotor verbrannt wird.

Angeblich strebt China auch Lithium-Ionen-Batterien für seine U-Boote an. Lithium-Ionen-Batterien ermöglichen nicht nur eine längere Lebensdauer, sondern auch eine höhere Geschwindigkeit unter Wasser. Letzteres kann einem U-Boot helfen, einem angreifenden Torpedo auszuweichen oder um schnell und weit genug zu fahren, damit dem Torpedo der Treibstoff ausgeht, bevor er das U-Boot erreicht.

 

 

Amerikanische Experten haben vorgeschlagen, die Lebensdauer der japanischen U-Boote von derzeit 22 Jahren auf 30 Jahre zu verlängern. Auf diese Weise könnte Japan über eine U-Boot-Flotte mit 30 Booten verfügen, ohne neue Boote hinzufügen zu müssen.  Jedenfalls reicht es nicht mehr aus, den Status quo bei der Anzahl der japanischen U-Boote beizubehalten.

Angesichts der schrumpfenden Bevölkerung hat die JMSDF schon jetzt Schwierigkeiten, die 70-köpfige Besatzung für jedes U-Boot zu besetzen, sodass sie in den vergangenes Jahren begonnen hat, weibliches Personal einzustellen was in der Vergangenheit undenkbar gewesen wäre. Doch die neue Hakugei verfügt über einen separaten Raum für bis zu sechs weibliche U-Boot-Fahrerinnen.

Japans U-Boote werden abwechselnd bei Mitsubishi Heavy Industries und Kawasaki gebaut. Das dritte Boot der Taigei-Klasse, die Jingei, lief im Oktober vom Stapel und soll bis Anfang 2024 ausgeliefert werden. Die Taigei-Klasse soll die neun verbleibenden U-Boote der Oyashio-Klasse im nächsten Jahrzehnt ersetzen.

Die Bundesregierung gibt sich große Mühe, ihre strategische Partnerschaft mit Japan und die engere Kooperation mit Taiwan nicht als antichinesische Politik darzustellen. Offiziell geht es bei der Indopazifik-Strategie um die Diversifizierung von Märkten und Lieferketten, um Friedenssicherung, freie Schifffahrt und eine „regelbasierte Multipolarität“, die eigentlich auch China mitumfasst.

Daher wurde bei den Gesprächen in Tokio nur Russland als Unruhestifter benannt, wobei China natürlich unsichtbar mit am Tisch saß. Dessen rasante Aufrüstung und militärische Drohgebärden gegenüber Taiwan und anderen Ländern sowie Deutschlands wirtschaftliche Abhängigkeit von China macht die hiesige Industrie und damit die Volkswirtschaft abhängig und verwundbar.

Die deutsche Regierung will daher die Industrie bei der Suche nach neuen Partnern unterstützen, etwa bei gemeinsamen Investitionen mit Japans starken Rohstoffhändlern. Bei Taiwan geht es bekanntermaßen vor allem um Halbleiter: TSMC, der weltgrößte Auftragsfertiger von Computer-Chips, steht kurz vor der Entscheidung für seine erste Fabrik in Europa. Zu unserem Glück befindet sich Deutschland auf der Liste angeblich ganz oben.

 

Pilnys Asien-Insights der vergangenen Wochen:

>> Moskauer Tischgespräche: Wie Xi und Putin den Westen herausfordern

>> Im Osten nichts Neues: Xi Jinping stärkt seine Macht beim Nationalen Volkskongress

>> Der Aufstieg Südostasiens: Von Mega-Häfen und E-Commerce-Boom

>> Japans Wachstumskrankheit: Eine Chance für Investoren trotz schwacher Konjunktur?

>> Die neue Weltunordnung: Spannungen zwischen China, Russland und USA nehmen zu

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