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Katharina Seiler: Bilanz nach 3 Jahren DWS-Frauen-Fonds

DAS INVESTMENT: Frau Seiler, Ihr Frauen-Fonds ist jetzt drei Jahre am Markt. Wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus?
Katharina Seiler: Mit Blick auf die Wertentwicklung waren die vergangenen drei Jahre eine echte Achterbahnfahrt. Wir sind im Januar 2022 mit dem Fonds gestartet, also kurz vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs. Im Portfolio hatten wir seinerzeit Europa übergewichtet, einfach weil wir d...
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DAS INVESTMENT: Frau Seiler, Ihr Frauen-Fonds ist jetzt drei Jahre am Markt. Wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus?
Katharina Seiler: Mit Blick auf die Wertentwicklung waren die vergangenen drei Jahre eine echte Achterbahnfahrt. Wir sind im Januar 2022 mit dem Fonds gestartet, also kurz vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs. Im Portfolio hatten wir seinerzeit Europa übergewichtet, einfach weil wir dort mehr Unternehmen mit guten Nachhaltigkeitswerten gefunden hatten. Der Ukraine-Krieg und seine Folgen haben unser Portfolio daher stark getroffen. Wir haben schnell reagiert und die Situation stabilisiert – aber dann kam der KI-Boom, dessen letztliche Wucht wir etwas unterschätzt hatten.
Und der Ukraine-Krieg hat sich nicht nur direkt ausgewirkt, sondern auch indirekt. Denn viele Nachhaltigkeitsthemen wurden plötzlich hinterfragt: Muss man seine Position zu militärischer Rüstung nicht überdenken? Ist Energie aus fossilen Quellen zumindest temporär nicht doch akzeptabel? Das hat uns nicht in die Hände gespielt. Wären wir drei Jahre früher gestartet, hätten und uns die Nachhaltigkeitsthemen noch Rückenwind gegeben. Bin ich deswegen mit der Wertentwicklung unzufrieden? Nein, im vergangenen Jahr haben wir eine Rendite von 18 Prozent Rendite erzielt. Das ist ohne Benchmark eine ansehnliche Leistung.
- Sektor: Aktienfonds All Cap Welt
- Auflegung: 17.01.2022
- Fondsgesellschaft: DWS Investment
- ISIN: LU2420982345
- Performance YTD: -3,30%
- Performance 3 Jahre: 18,52%
- Sharpe Ratio 3 Jahre: 0,54
- Sum. lfd. Kosten: 1,07%
- Volatilität 3 Jahre: 11,32%
- Volumen in Mio. EUR: 41
Welche Konsequenzen hatte das für das Fondsvolumen?
Seiler: Ich hatte wirklich gedacht, wir gehen mit dem Fonds an den Markt und alle kommen sofort zu uns. Das war natürlich naiv. Denn wir haben uns ein großes Thema vorgenommen – ich vergleiche das gerne mit dem Autofahren in den 1950er Jahren. Damals waren Frauen kaum daran interessiert, ein Auto zu fahren. Das hat sich mittlerweile drastisch geändert. Ähnlich ist es bei uns: Anlegerinnen, die bereits am Kapitalmarkt investiert sind, erreichen wir leicht. Aber neue Investorinnen zu gewinnen, die bisher überhaupt nicht am Kapitalmarkt aktiv waren, ist enorm schwierig.
Sie leiten den Fonds in einem Team aus zwölf Fondsmanagerinnen. Wie haben sich die Herausforderungen auf Ihre interne Zusammenarbeit ausgewirkt?
Seiler: Interessanterweise hat uns die schwierige Marktphase noch enger zusammengeschweißt. Jede von uns verfolgt sehr unterschiedliche Strategien. Ich bin eher defensiv unterwegs, andere Kolleginnen deutlich sportlicher mit ihren Wachstumsstrategien. Hätte ich den Fonds alleine gemanagt, wäre er wahrscheinlich sehr defensiv ausgerichtet gewesen – eine Katastrophe in diesem Marktumfeld!
Meine Kolleginnen haben darauf bestanden, dass wir uns breiter aufstellen. Das hat sich ausgezahlt. Obwohl ich das Wort „federführend“ im Titel trage, fallen alle Entscheidungen demokratisch. Jede hat genau eine Stimme, eine Zwölftel-Verantwortung sozusagen. Am Anfang habe ich manchmal über diese Struktur geschimpft – aber wir haben enorm voneinander gelernt.
Wie viele Frauen konnten Sie bisher für Ihren Fonds begeistern?
Seiler: Bei Veranstaltungen sprechen wir viele Frauen an, die dann auch Interesse zeigen. Aber zwischen Interesse und tatsächlichem Investment liegt ein weiter Weg. Diejenigen, die überzeugt waren, starteten oft mit 25-Euro-Sparplänen. Und das Erfreuliche ist: Jeden Monat sehe ich die Summen, die am Ersten und Fünfzehnten reinkommen, und diese Beträge steigen kontinuierlich. Es braucht aber unglaublich viele Berührungspunkte, bevor eine Frau tatsächlich investiert – erst hören, dann überzeugen lassen, mit Freundinnen besprechen und schließlich den Mut finden, den ersten Sparplan einzurichten.
Wie verhält es sich in der aktuellen politischen Lage mit dem Interesse an Nachhaltigkeits- und Gender-Themen?
Seiler: Ich kann nicht bestätigen, dass das Interesse abgenommen hat. Bei Kundenveranstaltungen erlebe ich weiterhin, dass sowohl männliche als auch weibliche Investoren Wert auf Transparenz legen und kontroverse Investments vermeiden wollen. Es gibt keine auffälligen Veränderungen. Über Nachhaltigkeitsfragen diskutieren wir bei Präsentationen unseres Fonds am wenigsten – das scheint für viele eine Selbstverständlichkeit zu sein.
Erklären Sie bitte, wie genau Ihr Investmentansatz funktioniert. Nach welchen Kriterien wählen Sie Unternehmen aus?
Seiler: Wir starten mit einem breiten Universum aus etwa 3.000 Aktien. Zunächst schließen wir Unternehmen mit Kontroversen aus – sei es im Umwelt-, Sozial- oder Governance-Bereich. Dann kommt unser Social-Commitment-Score ins Spiel. Unternehmen mit einer Bewertung von A, B, C und D kommen für uns in Frage, E und F schreiben wir ab.
Unser Scoring basiert auf dem Gedanken, dass Humankapital das Wertvollste ist, was ein Unternehmen hat. Wenn ein Unternehmen sein Humankapital gut pflegt, steigert dies die Effizienz, die Innovationskraft und letztlich die Stabilität des Unternehmens. Als Basis bewerten wir grundlegende Arbeitsbedingungen und Sicherheit am Arbeitsplatz, was 30 Prozent unseres Scores ausmacht. Die übrigen 70 Prozent verteilen wir auf verschiedene Diversitätsfaktoren.
Dazu gehören unter anderem die Richtlinien zur Verhinderung von Diskriminierung jeglicher Art, der Anteil von Frauen in Führungspositionen und flexible Arbeitsmodelle zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir fragen uns: Was hält Menschen davon ab, Karriere in einem Unternehmen zu machen? Bietet das Unternehmen überhaupt die Möglichkeit, unabhängig von Geschlecht und anderen persönlichen Merkmalen erfolgreich zu sein?
Wie viele Aktien haben Sie derzeit im Portfolio?
Seiler: Wir haben zwischen 120 und 130 Aktien. Die Anzahl variiert etwas, was auch daran liegt, dass wir zwölf Fondsmanagerinnen sind. Jede bringt ihre eigenen Ideen ein.
Unter Ihren größten Positionen finden sich große Tech-Unternehmen wie Nvidia. Wäre es nicht einfacher, mit kleineren Unternehmen zu arbeiten, die man besser durchblicken kann?
Seiler: Mit Nebenwerten hätten wir in diesem Marktumfeld nicht überlebt. Einige große Tech-Unternehmen haben an der Börse eine enorm starke Performance geliefert – ohne diese hätten wir nicht mithalten können. Unterhalb unserer Top-Ten-Positionen finden sich viele weniger bekannte, kleinere Werte. Wir müssen aber eine Balance finden, denn der Markt belohnt derzeit vor allem große Technologieunternehmen.
Wie stellen Sie sicher, dass Unternehmen ihre Versprechen zum Thema Diversity auch wirklich einhalten?
Seiler: Hundertprozentige Sicherheit kann niemand geben. Aber wir haben ein Framework geschaffen, nutzen unsere ESG-Engine mit vielen Daten und führen regelmäßig Gespräche mit den Unternehmen. Wenn ein Unternehmen in der Presse mit negativen Schlagzeilen auffällt, suchen wir das direkte Gespräch, um zu verstehen, was passiert ist und wie das Unternehmen damit umgeht. Das ist meiner Ansicht nach ein großer Vorteil aktiver Fondsmanager gegenüber passiven Investments – wir können nachfragen und im Dialog bleiben.
Gegen Gender-Fonds wird oft eingewandt, dass sie die Trennung beim Investieren nur verschärfen. Was entgegnen Sie dieser Kritik?
Seiler: Mit dieser Kritik werden wir wohl noch lange leben müssen. Aber unsere Zielgruppe macht 50 Prozent der Weltbevölkerung aus und ist bisher kaum erreicht worden.
70 Prozent der Frauen in Deutschland investieren immer noch nicht – diese Zahlen sind nach wie vor erschreckend hoch. Daher ist es absolut naheliegend, einen Raum zu schaffen, in dem Frauen sich wohlfühlen.
Um beim Beispiel mit dem Autofahren in den 1950ern zu bleiben: Natürlich könnten Porsche oder Mercedes sagen: „Kommt zu uns, Frauen, wir bringen euch das Autofahren bei.“ Oder wir bieten ein kleines, leicht zu bedienendes Auto an. Eines, bei dem alles bequem ist und man sich nicht blöd fühlt, wenn man die Kupplung nicht richtig durchtreten kann.
Es geht um den Einstieg für eine Zielgruppe mit enormem brachliegendem Kapital, die dringend vorsorgen muss, um die Versorgungslücke zu schließen. Wenn Frauen sich mit dem kleinen Auto erst einmal auf der Straße wohlfühlen, trauen sie sich später vielleicht auch zu, den Porsche oder den Mercedes zu fahren.
Wie schätzen Sie die zukünftige Entwicklung bei den ESG-Kriterien ein, besonders angesichts der aktuellen politischen Lage?
Seiler: Ich hoffe sehr, dass wir im Westen keine Rückentwicklung wie in anderen Teilen der Welt erleben. Die Studien der Weltbank zeigen, dass sich die Gleichstellung von Frauen in den vergangenen fünf Jahren in vielen Ländern deutlich verbessert hat. Es ist klar, dass Frauen mehr Rechte haben sollten und stärker am wirtschaftlichen Geschehen teilhaben müssen. Das ist auch positiv für das Wirtschaftswachstum.
Ich bin überzeugt, dass der Trend wie beim technologischen Fortschritt klar in eine Richtung geht. Es kann Rückschläge geben – diese vier Jahre unter der Trump-Administration werden uns ein bisschen zurückwerfen – aber langfristig werden Frauen stärker. Auch in Deutschland, besonders in der Startup-Welt, sehe ich positive Entwicklungen. Ich bin und bleibe Optimistin – aber mit einigen Schwankungen, wie bei den Märkten.
Über die Interviewte
Dr. Katharina Seiler ist als Senior Fondsmanagerin bei der DWS für verschiedene Aktienstrategien zuständig. Eine davon ist der DWS Invest ESG Women for Women, den sie gemeinsam mit einem Team aus insgesamt zwölf Fondsmanagerinnen leitet. Seiler hat Finance in Khabarovsk (Russland) und BWL an der Uni Bremen studiert. Seit Anfang 2024 ist sie zudem Beirätin bei den Fondsfrauen, wo sie sich für Female Finance engagiert.



