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Rechtsexperte zum OLG-Urteil Kauf versicherter Immobilie: Versicherer hat Beratungspflicht

Von in Recht & SteuernLesedauer: 5 Minuten
Frau beseitigt Leitungswasserschaden
Der Fall vor dem OLG Karlsruhe zeigt, dass der Versicherer zum Schadensersatz verpflichtet sein kann, obwohl zum Zeitpunkt des Leitungswasserschadens kein Versicherungsschutz mehr bestand, meint Rechtsanwalt Jens Reichow. | Foto: Imago Images / Ralph Peters

Wendet sich der Erwerber einer versicherten Immobilie noch vor Eigentumserwerb mit dem Anliegen, die bestehende Gebäudeversicherung des Veräußerers zu übernehmen und für die Beitragszahlung aufzukommen an den Versicherer, so kann den Versicherer eine Beratungspflicht gegenüber dem Erwerber treffen. Bleibt die Beratung aus, kann eine Falschberatung vorliegen, die im Fall vor dem Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe zur Haftung des Versicherers geführt hat (Aktenzeichen: 12 U 66/23).

Der Fall

Im vorliegenden Fall des OLG Karlsruhe hatten Eheleute im Rahmen einer Scheidung vereinbart, dass das ursprünglich der Ehefrau gehörende Grundstück mit Einfamilienhaus im Wege der Vermögensaufteilung auf den Ehemann übertragen werden soll. Die Ehefrau unterhielt für das Haus eine Gebäudeversicherung beim Versicherer.

Der Ex-Ehemann der ursprünglichen Versicherungsnehmerin teilte dem Versicherer im Februar 2020 die beschlossene Eigentumsübertragung mit. Zusätzlich bat er den Versicherer aus Sorge, seine Ex-Ehefrau könnte die Prämien nicht mehr bezahlen, die Gebäudeversicherung umzuschreiben. Jedoch teilte der Versicherer ihm mit, dass eine Umschreibung zu diesem Zeitpunkt nicht möglich sei, da dies die Zustimmung der Versicherungsnehmerin erfordere. Infolgedessen versuchte er vergeblich diese einzuholen. Ab Juli 2020 blieben die Zahlungen der Versicherungsprämie aus. Auch das Mahnverfahren des Versicherers gegenüber der Versicherungsnehmerin blieb erfolglos.

Im September 2020 trat in dem Einfamilienhaus ein schwerwiegender Leitungswasserschaden ein. Die Schadenssumme betrug 118.000 Euro. Der Versicherer lehnte die Schadenregulierung allerdings ab und berief sich auf seine Leistungsfreiheit, da sich die Versicherungsnehmerin im Prämienverzug befand.

Das Urteil der Vorinstanz

Daraufhin verklagte der Ex-Ehemann vor dem Landgericht Baden-Baden (Aktenzeichen: 1 O 164/21) den Versicherer auf die Zahlung der 118.000 Euro. Er berief sich auf eine Falschberatung des Versicherers. Seine Argumentation: Der Versicherer habe seine Beratungspflicht ihm gegenüber als Erwerber einer versicherten Immobilie verletzt, da er ihn nicht darauf hingewiesen habe, eine neue Versicherung abzuschließen oder sich als weiteren Versicherungsnehmer in den bestehenden Vertrag einbeziehen zu lassen. Der Versicherer hätte ihm zumindest ermöglichen müssen, für die Versicherungsprämie aufzukommen, um den bestehenden Versicherungsschutz aufrecht zu erhalten.

Das LG Baden-Baden hat der Klage stattgegeben und stützte dies auf eine vorvertragliche Falschauskunft des Versicherers. Dagegen ging der Versicherer in Berufung und begehrte vor dem OLG Karlsruhe, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Versicherer berief sich darauf, dass dem Ex-Ehemann die Versicherungspolice vorgelegen habe, weshalb er um die Höhe der Prämie sowie die Kontoverbindung des Versicherers und die Versicherungsscheinnummer gewusst habe. Damit hätte er die Beitragszahlung erbringen können und im Eigeninteresse auch müssen, um den Fortbestand des Versicherungsschutzes zu sichern.

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Das OLG-Urteil

Auch das OLG Karlsruhe bejahte im Ergebnis eine Schadensersatzverpflichtung des Versicherers. Entgegen der Auffassung des LG Baden-Baden beruht der Schadensersatzanspruch allerdings nicht darauf, dass der Versicherer eine falsche Auskunft zur Übernahme der Gebäudeversicherung erteilt hat. Die Aussage, eine Umschreibung sei nur mit der Zustimmung der bisherigen Versicherungsnehmerin möglich, ist nach Ansicht des OLG Karlsruhe korrekt. Vielmehr hätte der Versicherer jedoch den angehenden Erwerber einer versicherten Immobilie auf die Möglichkeit hinweisen müssen, selbst eine Gebäudeversicherung abzuschließen, so das OLG Karlsruhe.

Dem Schadensersatzanspruch liegt also eine Verletzung der vorvertraglichen Beratungspflicht zugrunde. Es besteht zwar keine Pflicht des Versicherers, den Versicherungsnehmer von sich aus nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen sowie Ratschläge zu erteilen. Vielmehr ergibt sich eine Beratungspflicht aus dem Umstand, dass für den Versicherer im konkreten Einzelfall Anlass dazu besteht. Ein solcher Anlass zeigte sich hier, indem der Ex-Ehemann seinen Willen zum Ausdruck brachte, die bestehende Gebäudeversicherung vorzeitig zu übernehmen und ab sofort für die Beitragszahlung aufzukommen. Er machte im Zuge dessen gegenüber dem Versicherer Zweifel an der Zahlungsmoral seiner Noch-Ehegattin deutlich und betonte, den Versicherungsschutz aufrecht erhalten zu wollen.

Demnach hätte der Ex-Ehegatte zumindest darauf hingewiesen werden müssen, eine eigene Gebäudeversicherung abzuschließen. Da eine Zustimmung der bisherigen Versicherungsnehmerin zur Umschreibung des Vertrages nicht abzusehen war, lag nach Auffassung des OLG Karlsruhe auf der Hand, dass dem Absicherungswunsch des Ex-Ehemannes nur durch einen eventuell möglichen Vertragsbeitritt oder eine neu abgeschlossene Gebäudeversicherung Rechnung getragen werden konnte.

Die bloße Auskunft, dass die Umschreibung des Versicherungsvertrages nur mit Einverständnis der bisherigen Versicherungsnehmerin erfolgen könne, ist hier nicht ausreichend. Gerade weil die Vertragsübernahme von der Zustimmung der Ex-Ehefrau abhing, hätte der Versicherer den Abschluss einer eigenen Gebäudeversicherung empfehlen müssen. Daher ist der Versicherer vorliegend zum Ersatz des Leitungswasserschadens verpflichtet.

Das meint der Experte

Der Fall vor dem OLG Karlsruhe zeigt, dass der Versicherer zum Schadensersatz verpflichtet sein kann, obwohl zum Zeitpunkt des Leitungswasserschadens kein Versicherungsschutz mehr bestand. Um dem Interesse der Versicherungsnehmer Rechnung zu tragen, kann auch eine Beratungspflicht gegenüber dem Erwerber einer versicherten Immobilie bestehen. Wie weit dies gehen kann, verdeutlicht der vorliegende Fall. So kann sich auch nach einer Leistungsablehnung herausstellen, dass der Versicherer zur Leistung verpflichtet ist.

Über den Autor: Jens Reichow ist Fachanwalt für Bank-, Kapitalmarkt-, Handels- und Gesellschaftsrecht und Mitgründer der Kanzlei Jöhnke & Reichow

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