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, Aktualisiert am 03.01.2023 - 18:05 UhrLesedauer: 10 Minuten

Immobilie versus 60/40-Portfolio Kaufen oder mieten – eine Entscheidungshilfe

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Und dann war da noch das sogenannte Dead-Capital-Argument, gemäß dem ein EHB über Jahre hinweg eine zu große Immobilie bewohnt, da sich deren Größe nicht mit seinen Lebensumständen (z.B. Scheidung oder Auszug von Kindern) ändert. Ein Mieter hingegen kann immer genau die Wohnungsgröße und den Wohnort wählen, die seinen Bedürfnissen am besten entsprechen (z.B. Studium, Single- oder Paarwohnung, Nachwuchs, altersgerechtes Wohnen oder Scheidung). Mieten ist unumstritten flexibler als Kaufen – und zwar gleich in mehreren Dimensionen.

Pro-Mieten-Argument 3: Mieten macht weniger Arbeit als Kaufen

Eine Immobilie ist ein komplexes physisches Gebilde, das von der Natur (Wind und Wetter) und seinen Bewohnern fortlaufend abgenutzt und beschädigt wird. Um diesem physikalischen Wertminderungsprozess zu kompensieren oder wenigstens zu verlangsamen, muss jemand die Instandhaltung einer Immobilie organisieren. Bei einem EHB ist das er selbst, beim Mieter ist es der Vermieter. Mit anderen Worten: Mieten macht wesentlich weniger Arbeit. Hinzu kommt, dass der Staat, das Finanzamt, die Bank und mehrere Versorgungsunternehmen für Strom, Energie, Wasser, Abwasser, Müll einen EHB ständig mit Rechnungen, Pflichten, Vorschriften und neuen netten Überraschungen konfrontieren, die allesamt Arbeit bedeuten. Ein Mieter dürfte nur einen Bruchteil dieses Aufwandes haben.

Da alle oben genannten Argumente qualitativer Natur und dadurch im Gegensatz zum einleitenden Renditevergleich nur schwer bis gar nicht quantifizierbar sind, muss jeder für sich selbst entscheiden, welche Argumente für ihn persönlich überwiegen.

Abschließende Gedanken zu Kaufen oder Mieten

Noch vor gut einem Jahr wollte es niemand glauben, doch jetzt passiert es: Die Zinsen steigen wieder. Hat man Mitte 2021 noch einen Immobilienkredit mit zehnjähriger Zinsbindung für 1,0 Prozent p. a. bekommen, werden inzwischen (Stand: November 2022) wieder knapp 4,0 Prozent fällig – Bau- und Immobilienzinsen haben sich im letzten Jahr also ungefähr vervierfacht. Man muss kein Mathematiker sein, um zu sehen, dass sich dieser Zinsanstieg nicht zugunsten von EHB auswirken kann. Selbst für diejenigen ohne Kredit ist er schlecht, denn er trägt zu sinkendem Wertsteigerungspotenzial aller Immobilien bei.

Erschwerend kommt hinzu, dass Wohnimmobilien in Deutschland aktuell ein höheres Bewertungsniveau haben als jemals seit 1970 (für die Zeit davor sind keine verlässlichen Daten verfügbar). Das macht eine Fortsetzung der Wertsteigerungen der letzten Jahre unwahrscheinlich. Hohe Immobilienzinsen und -bewertungen stellen eine unschöne Kombination dar, die zu einem finanziell schlechten Deal für angehende EHB führen können.

 

Letztlich hängt die Entscheidung über Kaufen oder Mieten natürlich auch von der konkreten Immobilie ab, die man bewohnen möchte, also nicht nur von den Konditionen, zu denen sie zu haben ist, sondern auch davon, ob die gewünschte Immobilie zum Kauf oder zur Miete angeboten wird.

Das landläufige Mantra, Kaufen sei auf lange Sicht fast immer rentabler als Mieten, rührt zu großen Teilen daher, dass Politik, Medien, Banken, Bausparkassen, Makler sowie unsere Eltern und Großeltern es seit Jahrzehnten gebetsmühlenartig wiederholen. Gleichzeitig bestätigen die letzten 15 Jahre Immobilien-Boom die Überlegenheit von Betongold und eine von vielen gefühlte Alternativlosigkeit bei Geldanlage und Altersvorsorge bestärken diese Auffassung.

Fazit

In diesem Artikel haben wir zunächst gezeigt, dass Mieten in Kombination mit einem global diversifizierten Portfolio historisch überwiegend attraktiver war als Kaufen. Danach haben wir jeweils drei Lifestyle-Argumente pro Kaufen und pro Mieten beleuchtet. Gegen Ende haben wir noch eine Reihe weiterer Denkanstöße zum Besten gegeben.

Die Frage Kaufen oder Mieten? ist vermutlich deswegen so schwierig zu beantworten, weil es eine Konsum- und Investmententscheidung zugleich ist, weil die Datenlage und die Finanzmathematik drum herum eher unübersichtlich sind, weil die Finanzbranche und die Medien uns oft mit einseitigen Informationen verwirren und weil das ganze Thema mit vielen Emotionen verknüpft ist. Dieser Artikel will helfen, die höchst persönliche Beantwortung dieser Frage etwas zu erleichtern.


Über die Autoren:
Alexander Weis ist Geschäftsführer des Münchner Vermögensverwalters Gerd Kommer Invest. Jonas Schweizer ist Financial Advisor bei Gerd Kommer Invest.

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