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Von in NewsLesedauer: 9 Minuten
Kevin Endler von Acatis spricht in unserer Serie "Voices of Value"
Kevin Endler von Acatis spricht in unserer Serie "Voices of Value" | Foto: Acatis | Collage: DAS INVESTMENT mit Midjourney & Canva

Seit 2017 setzt Acatis auf KI im Fondsmanagement. Im Interview mit DAS INVESTMENT erklärt Kevin Endler, Leiter des quantitativen Portfoliomanagements, warum Künstliche Intelligenz manchmal besser ist als ein Mensch – und manchmal eben nicht.

DAS INVESTMENT: Herr Endler, Sie leiten das quantitative Portfoliomanagement bei Acatis und beschäftigen sich seit über einem Jahrzehnt mit KI im Asset Management. Wie hat der allgemeine KI-Boom durch Chat-GPT und andere Systeme Ihre Arbeit beeinflusst?

Kevin Endler: Es hat sich vor allem die Außenwahrnehmung verändert. Jeder kann inzwischen selbst mit KI experimentieren, was zu diesem großen Durchbruch beigetragen hat. Für unsere eigentliche Arbeit hat sich allerdings nicht so viel verändert. Wir haben schon vor Chat-GPT Sprachmodelle eingesetzt, um beispielsweise Managementgespräche mit Analysten für eine Sentimentanalyse auszuwerten. Außerdem können wir prüfen, ob das Management ausweichende Antworten gibt oder konsistent über sein Geschäft spricht.

Künstliche Intelligenz kann viele, viele Daten auswerten und ist lernfähig. Wie kommt es, dass der von Ihnen betreute Fonds Acatis AI Global Equities (ISIN: DE000A2DR2L2) über drei Jahre eine Underperformance von 4,5 Prozent gegenüber dem MSCI World aufweist?

Quelle Fondsdaten: FWW 2025

Endler: Unsere KI hat sich stark darauf trainiert, in kleinere und mittelgroße Unternehmen zu investieren. Sie ist eher ein Small- und Midcap-Investor. Eine ganze Zeit lang haben wir trotzdem eine Outperformance gegen dem MSCI World geschafft. Vor etwa eineinhalb bis zwei Jahren sind dann im Large-Cap-Bereich die größten Firmen weggezogen – und diese Unternehmen waren nie in unserem Portfolio.

Innerhalb des Small- und Midcap-Segments hat der Fonds aber sehr konstant eine Outperformance erzielt. Wenn man ihn mit dem MSCI World Small Cap vergleicht, sieht das Bild also ganz anders aus. Und das sehen nicht nur wir so: Anfang 2025 hat unser Fonds vom Magazin „Euro“ einen Award für Small- und Mid-Caps bekommen – zweiter Platz über fünf Jahre. Der Fonds wird also tendenziell eher in diese Kategorie eingeordnet, auch wenn die offizielle Benchmark der MSCI World ist.

Interessanterweise hat auch der Flaggschiff-Fonds, der Acatis Value Event, mit 20,2 Prozent (6,3 Prozent p.a.) im gleichen Zeitraum besser abgeschnitten als der KI-Fonds mit 16,2 Prozent (5,1 Prozent p.a.). Stellt das die grundsätzliche Idee eines KI-gesteuerten Portfoliomanagements in Frage?

Endler: KI-Systeme lernen sehr ähnlich wie wir Menschen. Wir geben Eingabedaten in das Modell vor und sagen dem Modell, wie es historisch gelaufen wäre: Auf was hättest du setzen müssen? So können wir immer wieder testen, ob das Modell gelernt hat, wie es investieren soll – oder ob wir anpassen müssen. Bei uns ist letzteres der Fall, weil es eben keine Wunderformel gibt, die beim Investieren über die Zeit immer funktioniert.

Wir verfolgen einen sehr langfristigen Ansatz. Mit jedem Update wird das System besser. Wir haben bisher zwei größere Software-Updates vorgenommen: das erste im Sommer 2019 nach etwa zwei Jahren Laufzeit. Damals haben wir beschlossen, uns nur noch auf die Auswahl der Aktien zu konzentrieren und das Portfolio möglichst sektor- und regionenneutral aufzubauen. Seitdem läuft der Fonds deutlich stabiler. Im Januar dieses Jahres gab es dann ein weiteres, kleineres Update.

Sie haben mal gesagt: „Die KI sucht keine verrückten Aktien, sondern unspektakuläre Unternehmen.“ Wie wählt Ihre KI konkret die Titel aus?

Endler: Unsere KI vergleicht immer zwei Unternehmen in derselben Branche miteinander und entscheidet, welches besser performen könnte. Dabei tendiert sie zu kleineren und mittelgroßen Unternehmen. Sie sucht keine Kursraketen, sondern langfristigen Mehrwert.

Wir gehen sehr ähnlich vor wie unsere menschlichen Portfoliomanager. Wir lassen die KI-Modelle innerhalb der einzelnen Branchen lernen, weil pro Branche oder Sektor immer etwas andere Regeln fürs Investieren gelten. Im IT-Sektor ist vielleicht eine Zeit lang das Umsatzwachstum der entscheidende Faktor, während das bei einer Telekomfirma möglicherweise nicht der Haupttreiber ist.

Ihr Fonds hat einen Active Share von nahezu 100, investiert also völlig anders als der Markt. Ist das möglicherweise ein zweischneidiges Schwert – einerseits ein Alleinstellungsmerkmal, andererseits ein Risikofaktor in Zeiten, wo große Tech-Werte den Markt dominieren?

Endler: Das beschreibt die Situation sehr gut. Wir bauen im Grunde genommen kleine Warren Buffetts für jeden Sektor. So nennen wir das. Da wir fundamental orientiert sind – Acatis ist ja fest im Value-Investing verankert – basieren unsere Entscheidungen auf Umsätzen, Gewinnen, Schulden und anderen Fundamentaldaten aus Geschäftsberichten.

Wir verwenden, wie erwähnt, aber auch Sprachmodelle, um Managementgespräche zu analysieren. Dabei passt sich ein Teil der KI kulturellen Feinheiten an – etwa mit Blick auf die Wortwahl von CEOs. Amerikanische CEOs treten beispielsweise eher euphorisch auf, japanische zurückhaltender.

Grafik: Asset-Allokation des Acatis AI Global Equities
Diversifiziert: Die Asset-Allokation des Acatis AI Global Equities © Acatis-Factsheet

Der Acatis AI Global Equities Fonds verfügt nach fast acht Jahren am Markt über ein Volumen von etwa 37 Millionen Euro, während der Value Event Fonds über 6 Milliarden Euro verwaltet. Weshalb ist das Vertrauen der Anleger in KI-gesteuerte Investments nicht oder noch nicht größer?

Endler: Als wir 2017 den Fonds aufgelegt haben, lag der Fokus stark darauf, erstmal zu erklären, was so eine Maschine überhaupt macht. KI war damals noch nicht so präsent wie heute. Es gab eine große Zurückhaltung, was das Vertrauen in die Maschine anging.

Das ist sicherlich etwas besser geworden, aber es gibt noch einen anderen Aspekt: Während ein menschlicher Portfoliomanager sich hinstellen und zu jedem Titel eine tolle Geschichte erzählen kann, ist das bei einem KI-Fonds schwieriger. Zwar kann man erklären, warum die KI sich für den einen oder anderen Titel entschieden hat, aber das ist etwas ganz anderes, als es Investoren gewohnt sind. Menschen, die in unseren KI-Fonds investieren, sind meist sehr technikaffin.

Auch die Tatsache, dass der Fonds nicht primär gegen den MSCI World, sondern eher im Small- und Mid-Cap-Bereich verglichen werden sollte, ist von außen erstmal nicht ersichtlich.

Aber es ist wie bei jedem Fonds: Am Ende wird er danach beurteilt, wie das Ergebnis ist. Wenn die Performance im Small- und Mid-Cap-Bereich weiter gut bleibt, ist es hoffentlich nur eine Frage der Zeit, bis wir auch bei den Assets under Management eine Steigerung sehen werden.

Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen einem klassischen Quant-Modell und Ihrem KI-Ansatz?

Endler: Bei einem klassischen Quant-Fonds gibt der Mensch aufgrund seiner Erfahrung vor, welche Faktoren die richtigen sind – beispielsweise Kurs-Gewinn-Verhältnis, Eigenkapitalrendite, Verschuldungsgrad – und welche Gewichtung sie haben sollen. Der Computer macht dann nur die Auswertung.

Bei einem KI-Fonds geben wir zwar auch die Faktoren vor, aber deutlich breiter. In unserem Modell sind es etwa 50 verschiedene Faktoren. Das Modell lernt dann selbstständig, welche Faktoren über die Zeit und in welchen Sektoren die wichtigsten sind. Die Anlagestrategie wird also nicht von uns vorgegeben, sondern von der Maschine gelernt und sie kann sich über die Zeit auch ändern. Wenn das Modell neue Trainingsbeispiele bekommt, kann es die Anlagestrategie innerhalb der einzelnen Sektoren anpassen.

Wie oft aktualisieren Sie die Daten und das Portfolio?

Endler: Wir haben einen vierteljährlichen Umschichtungsrhythmus, passend zu den Quartalszahlen der Unternehmen. Das Modell ist auf diese Zeiträume trainiert. Es geht darum, dass die Maschine in der Breite über das gesamte Anlageuniversum etwas gelernt hat.

Unser Portfolio ist nahezu gleichgewichtet. Selbst wenn ein Titel gut oder schlecht läuft, greifen wir nicht menschlich ein, sondern lassen es bis zur nächsten Umschichtung laufen. Dann verschafft sich das Modell einen neuen Überblick darüber, ob sich fundamental etwas geändert hat.

Performance-Tabelle des Acatis AI Global Equities
Performance-Tabelle des Acatis AI Global Equities © Acatis-Factsheet

Welche Datenquellen nutzen Sie neben den klassischen Fundamentaldaten und welche neuen Datenquellen sehen Sie in Zukunft?

Endler: Wir nutzen hauptsächlich zwei große Datenblöcke: zum einen Geschäftsberichte mit Fundamentaldaten, wobei wir nicht nur den aktuellen Wert, sondern die gesamte Zeitreihe analysieren. Zum anderen verwenden wir Sprachmodelle für die Analyse von Managementgesprächen.

Wir geben dem Modell auch „weichere“ Faktoren wie Analystenschätzungen, obwohl wir grundsätzlich keine hohe Meinung davon haben. Das Modell soll selbst lernen, ob und wann Analystenschätzungen taugen.

Es ist relativ schwierig, neue Datensets einzuführen, weil unser Anforderungsprofil sehr hoch ist. Durch unseren globalen Ansatz brauchen wir eine ordentliche Historie, eine gute Abdeckung und möglichst wenige Fehlstellen. Viele Datensätze fallen dadurch raus – zum Beispiel Nachhaltigkeitsdaten, die oft inkonsistent sind und keine lange Historie haben.

Ein Datensatz, den wir spannend finden, sind Patente. Patentportfolios sind in Geschäftsberichten oft kaum sichtbar, aber es gibt Datenanbieter, die Bewertungen vornehmen. Das gibt uns eine neue Perspektive auf ein Unternehmen.

In welchen Bereichen ist der Mensch der KI noch überlegen?

Endler: Überall dort, wo wenig Daten vorliegen oder die Qualität nicht stimmt, ist nicht zu erwarten, dass eine KI übermenschliche Fähigkeiten entwickelt. Bei IPOs beispielsweise gibt es wenig Daten und keine Historie, was die Einschätzung schwierig macht.

Auch in Emerging Markets oder Frontier Markets sind wir vorsichtig, weil die Datenqualität und der Marktzugang nicht einfach sind. Zudem kann die KI nicht auf Unternehmensbesuche gehen oder mit dem Management sprechen – diesen menschlichen Blick versuchen wir durch unsere eigenen Besuche zu kompensieren und zu überlegen, welche Perspektiven wir den Modellen noch spiegeln müssen.

Was würden Sie Anlegern raten, die überlegen, in KI-gesteuerte Fonds zu investieren?

Endler: Die Maschine wird mit mehr Daten in Zukunft sicherlich klüger werden – da haben wir Rückenwind. Gerade auf der Sprachseite werden wir in den nächsten Jahren noch einiges hinzufügen können.

Anleger sollten verstehen, dass ein KI-Fonds anders funktioniert und sich nicht von kurzfristigen Performanceschwankungen verunsichern lassen. Bei uns geht es um langfristigen Mehrwert, nicht um schnellen Profit.

Über Kevin Endler von Acatis

Kevin Endler, Jahrgang 1986, leitet das quantitative Portfoliomanagement bei Acatis Investment. Der studierte Mathematiker ist seit den Anfängen des Acatis AI Global Equities Fonds (ISIN: DE000A2DR2L2) dabei und verantwortet zusammen mit seinem Kollegen Eric Endreß die Entwicklung und Implementierung der KI-Modelle. Endler stammt aus Mainz, hat dort studiert und arbeitet heute im nahegelegenen Frankfurt. Er ist Vater von zwei Töchtern.

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