Fintech-Gründer Marius Siegert im Interview Investieren mit KI: „Im Social-Media-Bereich lauert die größte Gefahr“
DAS INVESTMENT Academy: Herr Siegert, Sie haben das Münchner Startup Sub Capitals gegründet. Damit bieten Sie seit kurzem ein von Künstlicher Intelligenz (KI) gesteuertes Investment für Privatanleger an. Können Sie kurz umreißen, wie die KI arbeitet?
Marius Siegert: Um das zu erklären, nutze ich gerne einen Vergleich: Der Finanzmarkt ist ein komplexes System, ähnlich wie das Wetter. Und genau wie Meteorologen, versucht unsere KI aus Kursdaten und Nachrichten die Entwicklung am Finanzmarkt für die kommenden Stunden zu modellieren.
Dafür generiert das KI-Modell basierend auf mehreren Datenquellen Kauf- und Verkaufsentscheidungen für den Dax, Eurostoxx und Nasdaq. Die KI kann Long- und Short-Positionen eingehen, was heißt: Sie kann auf steigende oder fallende Kurse setzen. Womit Anleger auch in schlechten Börsenjahren eine Rendite erzielen können.
Und, haben Sie bereits Erfahrungswerte?
Siegert: Ja, wir testen die KI schon seit 2020 mit Echtgeld. Während im vergangenen Jahr viele Finanzmarktakteure – private, also auch institutionelle – mit ihren Depots und Fonds im negativen Bereich lagen, schaffte es unsere KI, eine hohe einstellige Rendite zu erwirtschaften.
„Wenn wir den MSCI World nicht outperformen können, dann brauchen wir auch keine KI zum Investieren.“
Auf welchen Daten basieren die Vorhersagen?
Siegert: Die KI analysiert unterschiedliche Kennzahlen, dazu gehören Preis- und Volumendaten von in etwa 1.000 Aktien und Indizes. Dafür bezieht das Modell auch Nachrichten von Finanzmedien in die Entscheidungsfindung ein. Insgesamt werden 100.000 Nachrichtenquellen angezapft. Trainiert wurde das Modell zwar mit Daten aus der Vergangenheit, es kommen jedoch jede Woche neue hinzu – diese speist das Modell am Wochenende ein.
Wie präzise sind die Vorhersagen der KI?
Siegert: Generell liegt die Vorhersagegenauigkeit derzeit bei 55 Prozent, wir streben jedoch 60 Prozent an. Die KI führt circa 2.500 Trades pro Jahr aus. Das bedeutet, dass wir bei 2.500 Trades bei 1.375 richtig liegen und einen Profit generieren. Nach dem Gesetz der großen Zahlen sollte mit 55 Prozent Genauigkeit und einer ausreichend großen Anzahl an Trades mit einem ausgewogenen Chancen-Risiko-Verhältnis mathematisch gesehen ein Profit stehen bleiben.
Kann die KI auch persönliche Präferenzen eines Anlegers berücksichtigen, wie das Risikoprofil oder Nachhaltigkeitspräferenzen?
Siegert: Nein, sowas erfragen wir nicht. Da liegt auch ein Unterschied zu anderen digitalen Anlagehelfern wie Robo-Advisor. Wir haben uns für ein einzelnes Produkt entschieden, welches Kunden über die Börse bei ihrem Broker kaufen und verkaufen können. Wie viel Risiko man eingehen möchte, sollte jeder Anleger über die Höhe des Investments für sich selbst abwägen.
„Unser Produkt eignet sich eher für aktive Anleger.“
Was unterscheidet KI-gesteuerte Investments außerdem von Robo-Advisor?
Siegert: Ein Robo kann Anlegern in kürzester Zeit ein passendes Depot, bestehend aus unterschiedlichen standardisierten Investments, erstellen. Was die digitalen Anlagehelfer jedoch im Gegensatz zu einer KI nicht können, ist maschinelles Lernen und damit aus großen Datenmengen Schlüsse ziehen.
Zudem handelt es sich bei unserem KI-gesteuerten Zertifikat (ISIN: DE000UBS5C21), um ein börsengehandeltes Produkt, vergleichbar mit Aktien oder ETFs. Damit möchten wir ein bestehendes Portfolio des Kunden beim Broker ergänzen, womit sich unser Produkt eher für aktive Anleger eignet. Robos sind dagegen mehr was für passive Investoren.
Und welche Vorteile bietet die KI gegenüber einem Robo-Advisor?
Siegert: Robos korrelieren stark mit dem Markt, weil sie sich bestimmter Algorithmen bedienen – auch in Krisenzeiten. Da hat unsere KI den Vorteil, dass sie auch Short gehen kann und damit auf fallende Kurse setzen. Außerdem sind Robos häufig weniger flexibel, womit das Portfolio seltener umgeschichtet wird und so langsamer auf Marktereignisse reagiert werden kann.
Und was unterscheidet Ihr Produkt von ETFs?
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Siegert: Wie bereits erwähnt, kann die KI Short gehen und damit auf sinkende Aktienkurse setzen. Damit korreliert unser Produkt nicht mit dem Gesamtmarkt. Die meisten ETF’s – abhängig von ihrer Zusammensetzung – sind durch ihren passiven Ansatz stark mit dem Aktienmarkt korreliert. Fällt dieser, fällt zumeist ebenfalls der ETF.
Ist die KI dadurch risikoreicher?
Siegert: Das würde ich nicht sagen. Es gibt unterschiedliche Risikomaße, die Investoren heranziehen können, einer davon ist der Summary-Risk-Indikator im Basisinformationsblatt. Da liegen wir bei vier auf einer Skala von eins bis sieben, wobei sieben am risikoreichsten ist.
Gibt es Risiken, die Anleger speziell für das KI-Zertifikat beachten sollten?
Siegert: Das Emittentenrisiko ist ein Thema, also die Gefahr, dass die UBS ihre Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen kann. Ansonsten sollten Anleger selbstverständlich die Brokergebühren im Blick behalten. Abseits davon besteht immer ein Marktrisiko.
„Dass Börsendaten manipuliert werden, halte ich für unwahrscheinlich.“
Viele fürchten sich vor Cyberangriffen: Ist diese Gefahr im KI-Bereich real?
Siegert: Selbstverständlich existiert das Risiko, dass die eigene Infrastruktur angegriffen wird. Wir versuchen uns jedoch davor zu schützen und orientieren uns an den Marktstandards. Unsere Cloud-Infrastruktur mit den KI-Modellen liegt gut geschützt auf der Microsoft- und Amazon-Cloud. Außerdem haben wir extra einen Mitarbeiter als IT-Sicherheitsbeauftragten berufen, welcher Cyberrisiken ständig erfasst und evaluiert.
Wie sieht es mit Manipulation aus – könnten Kriminelle die KI systematisch mit falschen Informationen speisen?
Siegert: Dass Börsendaten manipuliert werden, halte ich für unwahrscheinlich. Anders sieht es im Social-Media-Bereich aus, dort lauert die größte Gefahr. Besonders wenn Betrüger wissen, dass Asset Manager soziale Medien als Nachrichtenquelle nutzen. Dann ist es für sie verlockend, Nutzer zu manipulieren und Stimmungen zu erzwingen. Aus diesem Grund versuchen wir, Social Media möglichst als Quelle zu meiden. Überwiegend konzentrieren wir uns bei den Nachrichtendaten auf journalistische Texte oder verifizierte Quellen.
Haben Investoren denn die Möglichkeit, die Anlageentscheidungen der KI nachzuvollziehen?
Siegert: Derzeit noch nicht. Selbstverständlich haben Anleger Einsicht in die Performance. Welche Positionen die KI hält, ist dagegen nicht ersichtlich. Wir planen das künftig zu ändern und aufzuschlüsseln, auf welche Märkte die KI Long oder Short geht und was die Beweggründe dahinter sind.
Denken Sie, KIs stellen eine Gefahr für das Berufsbild von Fondsmanagern und Finanzberatern dar?
Siegert: Ich denke nicht, dass von heute auf morgen tausende Stellen wegfallen werden. Trotzdem wird die Technologie die Finanzwelt verändern. Eine Studie des Beratungsunternehmen Accenture zeigt, dass 95 Prozent der befragten Asset Manager damit rechnen, dass in 2025 KIs eine zentrale Rolle in der Vermögensverwaltung spielen, und dieser Einschätzung schließe ich mich an.
Weshalb?
Siegert: Derzeit sichten die Investmentteams hinter den Fonds die wichtigsten Kennzahlen zu verschiedenen Anlagemöglichkeiten. Eine Arbeit, die eine KI schneller und effizienter leisten kann. Abseits davon kann die Technologie auch im Kundensupport helfen. Trotzdem hat ein Fondsmanager nach wie vor den Vorteil, ein großes Netzwerk zu haben und damit möglicherweise Zugang zu weitreichenderen Informationen.
Zum Abschluss: Welche Rendite können Anleger im Schnitt pro Jahr erwarten?
Siegert: Das ist schwierig zu beantworten. Unser Ziel ist es, eine klassische MSCI-World-Strategie zu schlagen, die in den vergangenen 20 Jahren im Schnitt 7 bis 8 Prozent erzielte. Konkret streben wir also eine Rendite von über 8 Prozent im Jahr an. Denn wenn wir den MSCI World nicht outperformen können, dann brauchen wir auch keine KI zum Investieren.
Über den Interviewten:
Marius Siegert ist Mitgründer und Geschäftsführer des KI-Fintech Sub Capitals. Er beschäftigt sich seit 2012 mit dem Finanzmarkt.