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Nick Clay: „Diesmal ist alles anders“ gilt auch nicht bei KI
Die Euphorie über künstliche Intelligenz (KI) hat die Märkte weltweit erfasst. Aktuelle Bewertungen deuten darauf hin, dass KI ganze Branchen revolutioniert und die Art und Weise, wie wir arbeiten, reisen und kommunizieren, umgestaltet. Erwartet werden massive Produktivitätssteigerungen durch KI: Automatisierung von Prozessen, Kostensenkung und langfristige Rentabilität. Doch ist diese Erwartung gerechtfertigt?
Künstliche Intelligenz: Die Akzeptanz wächst
Ein Blick zurück auf die Geschichte der Innovationen zeigt, dass sich das Tempo der Einführungen im letzten Jahrhundert dramatisch verändert hat.
Die folgende Grafik zeigt die Einführungszeiträume der wichtigsten Innovationen, die in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts entstanden sind. Elektrogeräte, Autos und Telefone – greifbare und physische Innovationen – brauchten Jahrzehnte, um sich in einer nicht-digitalen Welt durchzusetzen. Dennoch lässt sich feststellen, dass die Adaptionszyklen schneller werden, was vor allem auf das Wachstum der Massenkommunikation zurückzuführen ist.
Innovationen vor 1950: Die Adaptionszyklen sind lang, werden aber immer kürzer
Im Gegensatz dazu verlief der Aufstieg der digitalen Technologien nach 1950 in einer Ära der Massenmedien und der Globalisierung. Moderne Innovationen wie das Internet, Smartphones und jetzt auch KI verbreiteten sich mit atemberaubender Geschwindigkeit, angetrieben durch globale Konnektivität und den Netzwerkeffekt.
Innovationen nach 1950: Deutliche Verkürzung der Adaptionszyklen
Angesichts dieser rasanten Verbreitung ist zu erwarten, dass KI sich schnell durchsetzen wird, was sich auch auf die Produktivität auswirkt. Sowohl Unternehmen als auch Verbraucher integrieren KI bereits in Prozesse und Produkte – von generativen Chatbots bis hin zu fortschrittlicher Robotik. Aber wird eine schnellere Einführung auch zu langfristigen Produktivitätssteigerungen führen?
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Dazu werfen wir zunächst einen Blick auf ein Jahrhundert außergewöhnlichen technologischen Fortschritts. Die nachstehende Grafik zeigt sechs technologische Wellen oder Epochen, von denen jede einen tiefgreifenden Einfluss auf unser Leben und unsere Industrie hatte. Gemeinsam haben sie die Art und Weise, wie wir produzieren, arbeiten, konsumieren und kommunizieren, drastisch verändert und unsere Gesundheit, Langlebigkeit und Lebensqualität verbessert. Sicherlich hat sich dies positiv auf das reale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausgewirkt.
Zeitstrahl 1950 - heute
Trotz Innovationen: Langfristiges Wachstum geht zurück
Eine Analyse des realen BIP-Wachstums in den USA seit den 1930er Jahren zeigt jedoch: Der langfristige Wachstumstrend geht langsam, aber anhaltend zurück. Trotz des Aufschwungs in den späteren Jahren des Zweiten Weltkriegs ist das Gesamtwirtschaftswachstum unter seinen historischen Durchschnitt von 3,3 Prozent gefallen. Dieser Rückgang hält an – trotz mehrerer aufeinander folgender Wellen bedeutender Innovationen, von der Elektrifizierung bis hin zur digitalen Revolution.
Womöglich wurde das nachlassende BIP-Wachstum durch einen Anstieg des Arbeitsproduktivitätswachstums kompensiert. Dieses Maß bezieht sich speziell auf die Zunahme der von den US-Arbeitskräften pro Stunde produzierten Waren und Dienstleistungen.
Doch auch hier sehen wir innerhalb der vergangenen zehn Jahre eine Verlangsamung der durchschnittlichen Wachstumsraten. Die Daten zeigen, dass die Effizienzgewinne im Lauf der Zeit zurückgingen – trotz bedeutender Innovationsrevolutionen und des Aufkommens von PCs, Düsenflugzeugen, Satelliten, E-Mail und Internet.
Die Vorstellung, dass Innovation zu einem deutlichen Sprung des Wirtschaftswachstums – gemessen am BIP – oder einer Produktivitätssteigerung führt, trügt offenbar. Vielmehr scheint es, dass Innovation eine schiere Notwendigkeit ist, um die Volkswirtschaften weiter voranzubringen, wenn auch in einem langsameren Tempo. Um das rückläufige Produktivitätswachstum aufzuhalten, braucht es demnach mehr Innovationen, die schnell eingeführt werden müssen.