Personalexpertin Lena Marie Glaser
Keine Angst vor der KI – und was Unternehmen dafür tun müssen

Personalexpertin Lena Marie Glaser
Künstliche Intelligenz wird die Arbeitswelt, wie wir sie kennen, gründlich auf den Kopf stellen. Das ist seit dem Durchbruch von Chat GPT letztes Jahr offensichtlich. Seither fragen sich viele: Ist die Angst vor der KI als Jobkiller berechtigt oder überwiegen doch die Chancen? Die KI selbst will und kann das nicht entscheiden. Gesetzgeber, Bildungsinstitutionen, Unternehmen und Beschäftigte ste...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Künstliche Intelligenz wird die Arbeitswelt, wie wir sie kennen, gründlich auf den Kopf stellen. Das ist seit dem Durchbruch von Chat GPT letztes Jahr offensichtlich. Seither fragen sich viele: Ist die Angst vor der KI als Jobkiller berechtigt oder überwiegen doch die Chancen? Die KI selbst will und kann das nicht entscheiden. Gesetzgeber, Bildungsinstitutionen, Unternehmen und Beschäftigte stehen unter Druck: Was ist zu tun, wenn die technische Entwicklung immer einen Schritt voraus ist?!
Gleichzeitig wird das Potenzial der KI in der Arbeitswelt zu wenig genutzt. Die Digitalisierung steckt in vielen Bereichen noch in den Kinderschuhen. Auch wenn KI-Events boomen und der KI-Hype weiterhin brodelt, fühlen sich viele überfordert und abgehängt. Die Unternehmen fragen sich: Wie sollen wir damit umgehen? Als Arbeitsexpertin und Unternehmensberaterin bin ich regelmäßig in Betrieben unterwegs. Für ein aktuelles Projekt meines Zukunftslabors der Arbeit, Basically Innovative, beobachte ich wo und in welcher Form KI in unserer Arbeitswelt heute eine Rolle spielt.
In meinen Gesprächen mit Beschäftigten und Unternehmen sind viele Sorgen und Ängste spürbar. Vor allem Menschen in Berufen mit niedrigerem Qualifikationsniveau fürchten, dass die KI zu einer Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt für sie wird – eine billigere und schnellere „Arbeitskraft“, die ihre Existenzgrundlage gefährdet.
Gleichzeitig nutzen technikaffine Führungskräfte und Mitarbeitende KI-Tools wie selbstverständlich, sie experimentieren und lassen sich Arbeit abnehmen: Texten, Planen, und so weiter. Viele andere aber, die wollen sich damit erst gar nicht beschäftigen, andere kommen nicht mehr mit.
Sind die Beschäftigten selbst schuld, wenn sie überfordert oder desinteressiert sind? Die Führungsetagen erwarten heute von ihren Mitarbeitenden, sich selbst mit dem digitalen Fortschritt auseinanderzusetzen, sonst werden diese als nervige Blockierer wahrgenommen. Es gibt kein Verständnis dafür, dass vielen Menschen im zunehmend stressigen Arbeitsalltag die Zeit fehlt und sie nicht mitkommen.
In modernen Unternehmen wird oft die Teamkultur beschworen, doch so gerät sie stark unter Druck: Menschen, die sich abgehängt fühlen, ziehen sich zurück, in eine innere Kündigung. Das Zugehörigkeitsgefühl ist in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in denen schon morgen der eigene Arbeitgeber Hunderte von Mitarbeitende abbauen könnte, bereits stark geschwächt. Doch das Engagement und die Zufriedenheit der Menschen sind wichtige Faktoren für die Produktivität.
Klar ist: Es gibt keine Standardlösung für alle. Aktuell lässt sich beobachten, dass Betriebe unterschiedliche Wege wählen, mit dem KI-Fortschritt umzugehen. Es wird sich erst zeigen, wer, womit und wie erfolgreich sein wird.
Die letzten Jahre zeigen aber eine erfreuliche Entwicklung am Arbeitsmarkt: Betriebe setzen auf die betriebliche Gesundheitsvorsorge und Weiterbildung in digitalen Kompetenzen – und liegen dabei goldrichtig. Denn das Fördern des Wohlbefindens, der (psychischen) Gesundheit und die Qualifizierung sind wichtige Hebel, um die Zukunft nachhaltiger zu gestalten.
Niederschwellige Informationskampagnen und Schulungen helfen dabei, das Bewusstsein bei den Mitarbeitenden fördern, wie KI die Arbeitswelt verändern wird und welche Fähigkeiten im Umgang mit der KI notwendig sind. Dazu zählen kritisches Denken, Vorstellungskraft und Schreib- und Lesekompetenz. Die Nutzung von KI-Anwendungen wie Chat GPT erfordert zu „prompten“, also die richtigen Anweisungen zu schreiben, um die gewünschten Ergebnisse zu erhalten.
Sichere Räume benötigen Führungskräfte und Mitarbeitende, um im eigenen Tempo, alleine und gemeinsam im Team niederschwellig den Umgang mit KI zu erlernen. Das erfordert Zeit und eine neue Fehlerkultur: Neue Wege zu gehen. bedeutet Fehler zu machen und daraus zu lernen. Leider ist diese Kultur in vielen Bereichen noch wenig ausgeprägt. Oft heißt es: „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Wer scheitert sei selbst schuld. Doch in Zeiten der rasanten Veränderungen gibt es keine erprobten Rezepte mehr.
Buddy-Programme können dabei helfen, dass KI-Begeisterte in Tandems ihr Wissen weitergeben. Das fördert den sozialen Zusammenhalt im Unternehmen und verhindert, dass sich die Abgehängten in das genannte „Quiet Quitting“, zurückziehen. Wer engagierte Mitarbeitende im Betrieb halten will, muss hier investieren und den Fokus darauf werfen.
Führungskräfte müssen einerseits lernen, KI sinnvoll zu nutzen – und andererseits müssen sie identifizieren, wer im Team welchen Bedarf zur individuellen Weiterentwicklung benötigt und wie der Teamspirit erhalten bleibt. Das erfordert viel soziale Kompetenz, Empathie und Einfühlungsvermögen. Gute Chefs und Chefinnen nehmen die Ängste und Überforderungen der Mitarbeitenden ernst. Sie achten darauf, dass niemand zurückgelassen wird.
Eine neue Haltung ist gefragt. Denn die technische Entwicklung muss den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Unternehmen sind gefragt, sich in ihrem Tun daran zu orientieren und darauf zu achten, dass die Menschen nicht unter dem Effizienzdruck zerbrechen – oder gar selbst zu Maschinen gemacht werden.
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