Muss Krawatte sein? Gehen Turnschuhe? Kleidungsordnung unter Finanzprofis: Es darf etwas legerer sein
Wie stellen sich Außenstehende einen Vermögensverwalter oder eine Vermögensverwalterin vor? Die Sache erscheint klar: im Anzug mit Krawatte beziehungsweise im Kostüm oder Hosenanzug mit Bluse. Die Finanzbranche gilt als ein Hort der klassisch-förmlichen Kleidung, um nicht zu sagen: als Reservat. Denn branchenübergreifend geht der Trend in der Businesswelt hin zu einem legereren Auftreten. Ganz vorübergegangen ist das an den Finanzfachleuten aber wiederum auch nicht.
„Als ich vor 20 Jahren als Wertpapierspezialist aus der Bank ausschied, war vorzugsweise der dunkle Anzug mit Krawatte täglich Pflicht, auch im Hochsommer“, berichtet Lothar Koch vom Vermögensverwalter GSAM und Spee Asset Management. Eine ähnliche Erfahrung hat Sarah Hermann gemacht, und das noch viele Jahre später. Die 27-Jährige kam 2015 in die Finanzbranche: „Während meiner Zeit in der Bank waren Anzug und Krawatte bei Männern sowie Kostüm oder Hosenanzug bei Frauen der Standard. Diese strenge Kleiderordnung sollte Professionalität und Seriosität ausstrahlen.“ Mittlerweile arbeitet Hermann als Portfoliomanagerin beim unabhängigen Vermögensverwalter Albrech & Cie.
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Wie stellen sich Außenstehende einen Vermögensverwalter oder eine Vermögensverwalterin vor? Die Sache erscheint klar: im Anzug mit Krawatte beziehungsweise im Kostüm oder Hosenanzug mit Bluse. Die Finanzbranche gilt als ein Hort der klassisch-förmlichen Kleidung, um nicht zu sagen: als Reservat. Denn branchenübergreifend geht der Trend in der Businesswelt hin zu einem legereren Auftreten. Ganz vorübergegangen ist das an den Finanzfachleuten aber wiederum auch nicht.
„Als ich vor 20 Jahren als Wertpapierspezialist aus der Bank ausschied, war vorzugsweise der dunkle Anzug mit Krawatte täglich Pflicht, auch im Hochsommer“, berichtet Lothar Koch vom Vermögensverwalter GSAM und Spee Asset Management. Eine ähnliche Erfahrung hat Sarah Hermann gemacht, und das noch viele Jahre später. Die 27-Jährige kam 2015 in die Finanzbranche: „Während meiner Zeit in der Bank waren Anzug und Krawatte bei Männern sowie Kostüm oder Hosenanzug bei Frauen der Standard. Diese strenge Kleiderordnung sollte Professionalität und Seriosität ausstrahlen.“ Mittlerweile arbeitet Hermann als Portfoliomanagerin beim unabhängigen Vermögensverwalter Albrech & Cie.
Dass es in der Arbeitswelt kleidungstechnisch allgemein legerer zugeht als noch vor einigen Jahren, ist aber auch an den Banken nicht vorbeigegangen. Bei der Nassauischen Sparkasse etwa hat man schon lange reagiert. 2019 machte eine interne Projektgruppe Vorschläge, wie sich Mitarbeiter zeitgemäß kleiden könnten. Die Gruppe stellte einen hauseigenen Styleguide vor. An zwei festgelegten Tagen, montags und donnerstags, sollte die traditionelle Businessgarderobe Pflicht bleiben, an den übrigen Wochentagen sollten Mitarbeiter freier wählen können. Männer sollten dann zum Beispiel auf die Krawatte verzichten dürfen. Grundsätzlich sollte es mehr Freiraum für Individualität und modische Akzente geben, wünschten sich die Mitarbeiter.
Auch der Vorstand der Bayerischen Landesbank schaffte 2020 den bis dahin geltenden Kleidungskodex für die Bankmitarbeiter ab. Neue Devise wurde: „Come as you are“. Was jedoch nicht wortwörtlich zu nehmen ist. Als Stilcode bedeutet die Formel: Gepflegtes Erscheinungsbild mit einem Quäntchen Individualität ist erlaubt und gewünscht. Dass eine Lockerung keine ausgetretenen Sneakers oder bauchfreien Oberteile umfasst, dürfte allen Mitarbeitenden klar sein. Der Styleguide der Nassauischen Sparkasse erwähnt explizit: Kaputte Jeans, Miniröcke oder Freizeitschuhe bleiben tabu.
„Business Casual“ ist allgegenwärtig
Selbst bei einer Privatbank mit jahrhundertealter Tradition wie der Hamburger Berenberg Bank sind die Regeln lockerer geworden: „Es gibt keine streng festgeschriebene Kleiderordnung – die Kleiderwahl hängt unter anderem von der jeweiligen Funktion des Mitarbeiters ab", verrät Klaus Naeve, der dortige Leiter Wealth and Asset Management. Man setze dabei auch auf Eigenverantwortung. Insgesamt gehe es beispielsweise in der IT-Abteilung legerer zu als bei Mitarbeitern, die auch Kunden berieten. Wobei auch diese heute oft weniger förmlich erschienen: „War es früher üblich, dass die meisten Kunden Anzug und Krawatte trugen, so ist dies heute eher die Ausnahme. Dementsprechend tragen unsere Berater auch nur gelegentlich bis selten Krawatte, meist jedoch einen Anzug. Bei Frauen war die Kleidung schon immer weniger formalistisch“, sagt Naeve.
Im Zusammenhang mit Bekleidungsfragen stößt man häufig auf den Begriff „Business Casual“. Das Ratgeberportal für Berufseinsteiger karrierebibel.de übersetzt ihn als „lässig und komfortabel“, aber immer noch „repräsentativ“ und deutlich formeller als das zwanglos-legere „Casual“. Männer könnten statt Anzug zu Hemd und Sakko wechseln, auch in unterschiedlichen, aufeinander abgestimmten Farben. Eine Krawatte sei nicht nötig. Frauen dürften Hosen, Kleider und Röcke, die bis unterhalb der Knie reichen, mit unterschiedlichen Oberteilen kombinieren. Jedoch stets mit Blazer, sonst werde es zu leger. Farblich dürfe es diverser zugehen als beim klassischen Businesslook, der eher dunkle Farben vorschreibt. Unangebracht seien schrille Töne und Muster. Bislang noch uneinheitlich bewertet werde, ob ordentliche Jeans als Business Casual durchgehen können oder nicht, schreiben die Autoren des Portals.
Hört man sich unter unabhängigen Vermögensverwaltern um, werden die lockereren Kleidungsregeln der Branche durchweg bestätigt. Dörthe Mehlhorn von Ringelstein & Partner meint: „Den Dresscode in unserem Arbeitsalltag möchte ich als Business Casual beschreiben, gepflegt, sportlich-elegant.“ Der klassische Businessstil komme zum Einsatz, „wenn es zum Beispiel eine Veranstaltung oder der Termin mit einem eher konservativ geprägten Kunden erfordert“. So nimmt es auch Lothar Koch wahr. Er trage „im Büro ohne Mandantentermin Business Casual ohne Krawatte. Dazu passendes Schuhwerk vom Sneaker bis zum Oxford“. Zu formellen Anlässen und Kundenterminen sei die Krawatte jedoch dabei.
„Business Casual“ versus „Smart Casual“
Als etwas legerer beschreibt Portfoliomanagerin Hermann ihr Auftreten: „Ich trage gerne Jeans oder Stoffhosen mit Bluse und Blazer.“ Ihren im Berufsalltag gewählten Stil würde sie als „Business Casual oder sogar Smart Casual“ beschreiben. Zu Smart Casual assistiert karrierebibel.de: „Männer dürfen Krawatte und Sakko ablegen.“ Auch elegante Freizeitkleidung wie Polo-Shirt oder Stoffhose seien umfasst. „Frauen dagegen können Rock oder Hose mit T-Shirts, modischen Tops oder lockeren Blusen kombinieren.“ Bei hohen Temperaturen sei auch ein luftiges Sommerkleid in Ordnung.
„Meinen Arbeitsalltag verbringe ich im Homeoffice in Smart Casual. Oder in Business Casual, wenn ich zu Veranstaltungen, Lunches oder Dinners und Kundenterminen fahre“, sagt Dennis Frohreich vom Finanzdienstleister Frohreich Investments. Im Sommer, findet Frohreich, solle man sich den Temperaturen anpassen. „Ein kurzärmeliges Hemd trage ich zwar grundsätzlich nicht, aber die Arme hochkrempeln und das Jackett weglassen ist aus meiner Sicht erlaubt.“
Mit dem Sommer ist es so eine Sache. „Ich bin der Meinung, dass man es im Sommer insgesamt etwas lockerer angehen lassen darf“, sagt zwar auch Lothar Koch. Darunter versteht er jedoch vor allem „leichtere Gewebe und andere Stoffe bei Anzügen, beziehungsweise Sakkos ohne Futter“. Einigkeit herrscht beim Thema Freizeitkleidung. Shorts und Hotpants sind auch bei Hitze ein No-Go. Ob sich jedoch zum Anzug auch Sneakers kombinieren lassen, darüber gehen die Meinungen auseinander. Wenn, dann müssen sie aber unbedingt sauber und nicht ausgetreten sein.
Kleidung: „Teil der Persönlichkeit“
Hermann von Albrech & Cie. spricht zudem ein Thema an, das laut unserer Umfrage auch andere Finanzspezialisten umtreibt: Kleidung sollte den Träger authentisch erscheinen lassen. „Kleidung spiegelt einen Teil der Persönlichkeit wider und macht einen dadurch nahbarer und greifbarer für das Gegenüber“, so Hermann. Dass der Dresscode heute lockerer ist, begrüßt sie. „Vielleicht gelingt es so auch, die jüngere Generation für das Thema Finanzen zu begeistern, weil sie nicht nur Anzugträger sehen“, hofft sie. Im persönlichen Kontakt mit Kunden lasse sich auch ohne sehr förmliche Kleidung Vertrauen schaffen, findet sie.
Die Kunden haben beim Trend zum Legeren offenbar vorgelegt. Die Beobachtung, die man bei Berenberg gemacht hat, bestätigt auch Vermögensverwalterin Mehlhorn: „Kunden haben schon viel früher als Berater begonnen, ihre Individualität mit der Wahl ihrer Kleidung im Beratungsgespräch zu unterstreichen.“ Auch Hermann beobachtet: „Die Kunden kommen meistens in ihrer Freizeit zu Beratungsterminen und kleiden sich so, wie sie sich wohlfühlen.“ Ausnahmen bestätigen die Regel.
Vor einigen Wochen sorgte ein Post auf Linkedin für eine engagierte Online-Diskussion. „Männer, tragt endlich wieder Krawatte!“, forderte Vermögensverwalter Stefan Schmitt, Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Inno Invest. Schmitt bemängelte: Die klassische Finanzbranche drifte in ihrem Kleidungsstil zunehmend in Richtung der legeren Start-up-Kultur, was er unangemessen finde. Vielmehr „gehört die Krawatte in die Bank, ins Private Banking und erst recht ins Wealth Management“. Er schätze daran, „dass eine gut gewählte Krawatte meinem Outfit eine gewisse Eleganz und Raffinesse verleiht“, so Schmitt. Auch wenn er den Post mit einem abmildernden Zwinker-Emoji beendete – die Message saß. Auf dem Berufsnetzwerk löste der Meinungsbeitrag eine Flut von Kommentaren aus, von „totaler Quatsch“ bis „100 Prozent Zustimmung“.
Krawatte auf dem Rückzug
Dass die Krawatte, das förmliche Herrenmode-Assecoire Nummer eins, auf dem Rückzug ist, bestätigen Zahlen des Statistischen Bundesamts: Sowohl ihr Import als auch ihr Export sind im vergangenen Jahrzehnt stark eingebrochen (siehe Grafik ). Dennoch ist es möglich, dass Schmitt mit seiner plakativen Forderung nicht so sehr gegen den Strom schwimmt, wie es zunächst scheint. Denn zum einen wird in der Finanzbranche heute zwar seltener Krawatte getragen als noch vor einigen Jahren – Pandemie und Homeoffice-Trend dürften das befördert haben. Andererseits ist die Krawatte allen voran in der Finanzbranche immer noch weit verbreitet, wie kürzlich in einem Beitrag des Rundfunksenders SR die Herrenmode-Einkäuferin eines saarländischen Modekaufhauses bestätigte.
Darüber hinaus könnte die Krawatte durchaus ein Revival erfahren. Als Anfang dieses Jahres die großen Modelabel ihre Herren-Kollektionen in Mailand präsentierten, waren Krawatten dort wieder verstärkt vertreten. Vermögensverwalter Schmitt jedenfalls findet: „Die Krawatte gehört für mich aus Stilgründen immer dazu.“