Kleinanlegerstrategie Votum-Chef warnt EU vor „Zwei-Klassen-Beratungsangebot“
Der erste Entwurf der Kleinanlegerstrategie der EU-Kommission liegt vor. Ein allgemeines Provisionsverbot ist, wie von Finanzkommissarin Mairead McGuinness angekündigt, nicht Teil des Vorschlags – aber auch nicht vollständig vom Tisch. Martin Klein, geschäftsführender Vorstand des Verbands unabhängiger Finanzdienstleistungsunternehmen in Europa Votum, kommentiert.
Der vorliegende Entwurf macht den Eindruck, als ob Frau McGuinness die Kapitalmarkt-Union mit der Brechstange erzwingen möchte. Sie will einheitliche Anlage- und Versicherungsprodukte trotz völlig unterschiedlich entwickelter nationaler Märkte. Hierbei setzt sie nicht auf Deregulierung und niederschwellige Marktzugänge, sondern auf noch mehr Bürokratisierung.
Europäischer Provisionsdeckel
Dem Entwurf nach sollen die europäischen Aufsichtsbehörden ESMA und EIOPA eine Art Produkt-Polizei werden, die insbesondere europaweite Kosten-Benchmarks für Kapital- und Versicherungsanlageprodukte vorgeben. Dieses Benchmarks sollen die Leistungsmerkmale des Produkts sowie die Gesamtkosten und insbesondere die Vertriebskosten betreffen. Dies könnte einen europäischen Provisionsdeckel bedeuten und damit erneut einen Markteingriff, der - wie der deutsche Gesetzgeber bereits festgestellt hat - nur berechtigt ist, wenn ein umfassendes Marktversagen zu beobachten wäre.
Das ist aber tatsächlich nicht der Fall. Wir haben bereits dem deutschen Gesetzgeber und der Bafin dargelegt, dass einheitliche Provisionsgrenzen für die unterschiedlichen Vertriebswege nicht angemessen sind und nicht zur Verbesserung des Beratungsangebots beitragen. Dies muss nunmehr erneut gegenüber den europäischen Gesetzgebern erfolgen.
Widersprüchliche Vorgaben
Die Vorgaben der Retail Investment Strategy für die Ausgestaltung von Beratungen sind in sich widersprüchlich: Zum einen sollen die Berater verpflichtet werden, weitere umfassende Produktanalyse sowohl im Leistungsbereich als auch im Kostensegment vorzunehmen, ohne dass zu erkennen ist, wie ihnen dieser Zusatzaufwand vergütet werden könnte. Zum anderen sollen Berater für ihre Kunden eine Art Zwei-Klassen-Beratungsangebot vorhalten.
Hallo, Herr Kaiser!
Die EU-Kommission hat zwar festgestellt, dass europäische Kleinanleger der Meinung sind, sie verfügen nicht über ausreichend Mittel und Kenntnisse, um am Kapitalmarkt zu investieren und scheuen deshalb das Risiko. Dennoch sollen Berater eine eingeschränkte Beratung anbieten, die nicht auf Kenntnisse und Erfahrungen der Anleger achtet und sich auf Standardprodukte beschränkt. Das Alles mit dem Ziel, Beratung vermeintlich „billiger“ zu machen. Aus unserer Sicht ein weiterer Irrweg.
Honorarberatung birgt auch Gefahren
Irritierend ist zudem, dass die EU-Kommission erneut nur den Bereich der provisionsbasierten Beratung mit Regulierung überzieht, aber kein Wort dazu verliert, das auch im Bereich der Honorarberatung Gefahren für Fehlentwicklungen bestehen. Auf diesem Auge bleibt die EU-Kommission blind. Letztendlich folgt die Kommissarin einer Ideologie anstatt eines faktenbasierten Politikansatzes. Tatsächlich hat beispielsweise die jüngst veröffentliche Studie des Ifa-Instituts dargelegt, dass gerade für Kleinanleger bei einem jährlichen Sparleistungen von 2.000 Euro eine Honorarberatung kostenineffizient ist. Wenn 50 Prozent der Europäer, wie die EU-Kommission darlegt, der Meinung ist, sie habe keine Mittel, um am Kapitalmarkt zu investieren, sollte es das Ziel sein, für diese weiterhin ein provisionsbasiertes Beratungsangebot aufrechtzuerhalten.
Mein Fazit: Was die EU-Kommission als vermeintliches Verbraucherinteresse erachtet, kann tatsächlich das Gegenteil bewirken. Es gilt eine Überbürokratisierung zu verhindern, die letztendlich dazu führt, dass Beratungsleistungen nur noch dem gutverdienenden Anleger angeboten werden können und der Kleinanleger auf der Strecke bleibt.