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Klimaschutz: „Es wird getanzt, solange die Kapelle spielt“

Ökoworld-Geschäftsführer Ralph Prudent
Ökoworld-Geschäftsführer Ralph Prudent
Seit Montag dieser Woche tagt in Warschau die UN-Klimakonferenz. Sie soll den Abschluss eines verbindlichen und ambitionierten Klimaabkommens im Jahr 2015 in Paris vorbereiten. Neue Impulse sind jedoch kaum zu erwarten. Weder die EU noch die USA oder China wollen eine Führungsrolle übernehmen, Australien schickt keine Regierungsvertreter mehr und das Gastgeberland Polen selber gilt als Bremser im Klimaschutz.

Fast wie ein Menetekel wirkt es da, dass sich zeitgleich die internationale Lobbygruppe der Kohleindustrie ebenfalls in Warschau trifft. Die Politik läuft erneut Gefahr, sich zu blamieren, während die Industrie in vielen Bereichen davoneilt. Hier sehen wir immer deutlicher ansteigende Investitionen, die nicht nur das Klima schützen, sondern auch die Profitabilität und damit die Widerstandsfähigkeit dieser Unternehmen steigern. 

Es ist auch höchste Zeit. In den vergangenen Monaten war vor allem über die zweifelhaften Aktivitäten britischer und amerikanischer Geheimdienste in den Medien zu lesen, die offensichtlich massenhaft und flächendeckend Emails, SMS und Telefonate bis in die Spitzen befreundeter Regierungen hinein gespeichert, gelesen oder mitgehört haben. In dieser Flut der berechtigten Empörung wäre mir in der letzten Woche beinahe eine bemerkenswerte Meldung mit der Headline „BND schlägt Alarm“ durchgerutscht. Bemerkenswert deshalb, weil die deutsche „Organisation Schlapphut“ nicht den Abhörskandal, sondern den Klimawandel im Visier hat. Der werde, so das Fazit des deutschen Auslandsgeheimdienstes, künftig ins Zentrum geostrategischer Konflikte rücken. Nicht mehr die Versorgungssicherheit mit fossilen Rohstoffen steht im Fokus, sondern die Emission von CO2. Die zunehmende Erschließung von unkonventionellen fossilen Energieträgern wie Schiefergas oder Ölsänden verdrängt die Sorgen um schnell versiegende Öl- und Gasquellen. Der Verteilungskampf werde darum gehen, wer noch wie viel fossile Energieträger verbrennen darf. Brisant ist diese Warnung deshalb, weil sie nicht von einer Umweltorganisation stammt, sondern vom deutschen Auslandsgeheimdienst, der sich erstmals dem sogenannten Deponieproblem zuwendet.

Die Fakten liegen bereits seit langem auf dem Tisch. Um das Zwei-Grad-Ziel bis 2050 noch zu erreichen, dürfen höchstens noch rund 1.000 Milliarden Tonnen CO2 emittiert werden. Die Verbrennung der heute nachgewiesenen Kohle-, Öl und Gasreserven würde jedoch 2.900 Milliarden Tonnen, und die gesamten Ressourcen, also die bekannten, aber noch nicht als nutzbar anerkannten Vorkommen, gar 40.000 Milliarden Tonnen ergeben.  Mit Geld kann man einiges erreichen. Gutes und Schlechtes. Die Unterzeichner der UN´s Principles for Responsible Investment (UNPRI) repräsentieren rund 34 Billionen Dollar. Dieses Vermögen sollte den Absichtserklärungen entsprechend im Einklang mit ökologischen, sozialen und den Regeln der verantwortlichen Unternehmensführung investiert werden. Praktisch ist die Wirkung dieser Investments jedoch kaum spürbar. Leider. Ein aktueller Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) legt die Vermutung nahe, dass die Investoren entweder nicht in der Lage sind, die Unternehmen, in die sie investieren, dazu zu bewegen, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren, oder dies nicht wollen. Bei den verwalteten Vermögen handelt es sich um treuhänderisch anvertrautes Geld aus der Gesellschaft. Deshalb, so die Idee,  sollten bei der Kapitalanlage auch die Interessen der Gemeinschaft berücksichtigt werden. Dies beinhaltet auch, dem Klimawandel mit seinen unübersehbaren negativen Folgen über Steuerung des Kapitals Einhalt zu gebieten. Tatsächlich wird die Beachtung dieser Gemeinwohlinteressen oft als Konflikt mit dem vermeintlichen Auftrag, die Wertentwicklung zu maximieren, gesehen. Analysen zeigen, dass ein Verzicht auf Aktien von Unternehmen aus dem Bereich fossile Energie den Portfolio-Ertrag überdurchschnittlich belasten würde. Deshalb verkünden Investoren immer wieder, dass sie schließlich hinter den Kulissen Einfluss nähmen und als aktive Aktionäre ihre Stimmrechte nutzten, um alles zum Guten zu wenden. Aber mal ganz ehrlich … was sollte ein Öl-, Gas- oder Kohle-Unternehmen denn davon abhalten, seinen zentralen Geschäftszweck hinten anzustellen und auf die Profite aus der umweltgefährdenden Ölförderung in der Arktis, der Ölsandförderung oder dem Fracking zu verzichten? Das Motto scheint zu sein: „Es wird getanzt, solange die Kapelle spielt, selbst wenn das Schiff untergeht.“ Außer Acht lassen Investoren dabei jedoch, dass die Vergangenheitsperformance zwar gut gewesen sein mag, aber eben vergangen ist und keine Indikation für die Zukunft bietet. Es wird ignoriert, dass viele der Unternehmen aus diesem Bereich wahrscheinlich überbewertet sind. Will man nämlich das Zwei-Grad-Ziel tatsächlich erreichen, so muss der größte Teil der Reserven und Ressourcen im Erdboden verbleiben und darf nicht verbrannt werden. Ein erhebliches Risiko für die Bewertung der Unternehmen, das bisher nicht eingepreist ist und zu einer gigantischen Fehlallokation des Kapitals führen kann. Die Risiken, die aus einer notwendigen und anstehenden CO2-Regulierung erwachsen, werden großflächig ausgeblendet, auch wenn eine stetig wachsende Zahl von institutionellen Investoren sogenannte Klimarisiken bereits in ihre Analysen integriert. Dr. Martin Haemmig vom Stanford Programm on Regions of Innovation and Entrepreneurship (SPRIE) ist sicher, dass der nächste Entwicklungsschub aus den Wachstumsländern kommen wird. Gerade die Kombination von Bevölkerungswachstum und dem voraussichtlichen Entstehen dutzender Megastädte über die nächsten Jahrzehnte werde nahezu automatisch eine Entwicklungsgeschwindigkeit im Bereich erneuerbarer Energien, CO2- und Energieeffizienz und anderen klimaschützenden Bereichen erzeugen, die mit nichts bisher Dagewesenem vergleichbar ist. Deshalb fehle insbesondere der westlichen Welt jede Erfahrung und damit auch das Vorstellungsvermögen, die Auswirkungen dieser Entwicklung einzuschätzen.

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