Nachhaltigkeitsexperte Matthias Kopp
Unternehmen müssen mehr Informationen preisgeben

Nachhaltigkeitsexperte Matthias Kopp
Die Weltwirtschaft und das Finanzsystem sind tief in die Natur eingebettet – sie sind abhängig von einem stabilen Klima, der Verfügbarkeit von Leistungen der Natur und intakten Ökosystemen. Die sich verstärkende Doppelkrise aus Biodiversitätsverlust und Klimakrise bringt – unbeantwortet – erhebliche Risiken auch für die Finanz- und Preisstabilität in der Zukunft mit sich.
Die Zentralbanken und d...
Das Thema Nachhaltigkeit bewegt Unternehmen, Kapitalmärkte, Gesetzgeber. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die Analysen und Thesen der bedeutendsten Nachhaltigkeitsexperten, Top-Ökonomen und Großinvestoren – gebündelt und übersichtlich. Sie sollen dir die wichtigen Entwicklungen auf dem Weg zur nachhaltigen Gesellschaft und Finanzwelt clever und zuweilen kontrovers aufzeigen.
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Die Weltwirtschaft und das Finanzsystem sind tief in die Natur eingebettet – sie sind abhängig von einem stabilen Klima, der Verfügbarkeit von Leistungen der Natur und intakten Ökosystemen. Die sich verstärkende Doppelkrise aus Biodiversitätsverlust und Klimakrise bringt – unbeantwortet – erhebliche Risiken auch für die Finanz- und Preisstabilität in der Zukunft mit sich.
Die Zentralbanken und die Finanzaufsichtsbehörden haben die originäre Rolle, für die Stabilität und Funktionsfähigkeit des Finanzsektors und der Wirtschaft zu sorgen. Das beinhaltet auch das Erkennen und Steuern der sich entsprechend ergebenden Risiken. Der russische Angriff auf die Ukraine, die wirtschaftlichen Folgen dieses Krieges und die langsame wirtschaftliche Erholung nach zwei Jahren Covid-Pandemie kommen noch hinzu: Die Dringlichkeit den umwelt- und sozialverträglichen Wandel unseres Wirtschaftssystems umzusetzen kann kaum noch größer werden.
Die potenziellen wie die nahezu schon sicher eintretenden Kosten und Risiken der Klimakrise sind uns bekannt: Ein globaler Temperaturanstieg um 2 Grad Celsius könnte das globale BIP um 11 Prozent verringern, ein Anstieg um 3,2 Grad sogar um 18 Prozent. Extreme Wetterereignisse, steigende Meeresspiegel, Dürren, Überschwemmungen und andere Klimaauswirkungen bedrohen zusätzlich die finanzielle Stabilität und führen zu dominoartigen wirtschaftlichen Schocks, deren Auswirkungen bei Kostenabschätzungen noch kaum berücksichtigt werden.
Weniger bekannt sind die Kosten des Verlusts von Biodiversität, der Leistungen intakter Ökosysteme wie Wasserverfügbarkeit und -reinigung, Luftreinigung, Sauerstoffproduktion, Küstenschutz oder Klimastabilisierung. Der britische Dasgupta Review zeigt, dass dieser eine ebenso große Gefahr für die Menschheit darstellt wie die Klimakrise. Und die Weltbank prognostiziert, dass der Verlust wichtiger Ökosystemleistungen die Weltwirtschaft bis 2030 jährlich 2,7 Billionen US-Dollar kosten könnte.
Der Biodiversitätsverlust und die Klimakrise verstärken sich gegenseitig und resultieren in einer großen Doppelkrise: Die Klimakrise beschleunigt einerseits den Verlust der Natur durch den Verlust von Lebensräumen. Andererseits setzt der Rückgang der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme Treibhausgase frei, reduziert die Fähigkeit der Natur, Kohlenstoff zu binden und treibt damit wiederum die Klimakrise voran.
Aus erster Hand erlebt haben wir die Auswirkungen dieser Krise beispielsweise bei den australischen Waldbränden in den Jahren 2019 bis 2020, welche die Landwirte bis zu 5 Milliarden australische Dollar kostete. Oder bei der kalifornischen Dürre, die bis heute fast 2 Milliarden US-Dollar und 14.000 Arbeitsplätze gekostet hat.
Die versicherten Schäden durch Naturkatastrophen sind in den letzten 30 Jahren um 250 Prozent gestiegen. Und die Kosten steigen höchstwahrscheinlich weiter: Unter den Szenarien des Klimastresstests der US-amerikanischen Zentralbank Federal Reserve (Fed) müsste die US-Bank Citigroup jährlich über 73 Milliarden US-Dollar aufbringen, um allein die Klimaschäden zu decken. Und mit jedem verstreichenden Jahr steigern sich sowohl Doppelkrise als auch die langfristigen Risiken.
Doch trotz immer klarerer Faktenlage finden sich in Kreditportfolios von Banken, Anlageportfolios institutioneller Investoren wie Versicherern, Fondsprodukten und Anlageentscheidungen von Vermögensverwaltern und anderer Finanzinstitute noch immer Unternehmen und Aktivitäten, welche diese Doppelkrise weiter anfeuern. Damit setzen sie nicht nur sich selbst, sondern den Finanzsektor wie auch die gesamte Volkswirtschaft ernsthaften Risiken aus. Hier braucht es eine tatkräftige, robuste und entschlossene Haltung und Reaktion der Zentralbanken und Aufsichtsbehörden.
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