Volkswirt Hans-Jörg Naumer
Warum die Wirtschaft wachsen muss
Hans-Jörg Naumer leitet die Kapitalmarktanalyse bei Allianz Global Investors. Foto: Allianz Global Investors
Der CO2-Ausstoß in die Erdatmosphäre steigt, die Maßgabe ist klar: Das 1,5-Grad-Ziel darf nicht gerissen werden. Doch wie soll das gelingen, ohne die Konjunktur zu bremsen?
Diesen Menschen Zugang zu sauber Energie zu verschaffen, wäre nicht nur ein wichtiger Schritt für die Gesundheit, sondern auch ein Beitrag gegen die Luftverschmutzung und für erhöhte Energieeffizienz – mit entsprechend verringertem Kohlendioxidausstoß. Kein Zweifel: Bevölkerungswachstum und der Kampf für bessere Lebensbedingungen erfordern Wirtschaftswachstum.
Die Lösung ist nicht der Degrowth-, sondern der Green-Growth-Ansatz, der vom Treibhausgasausstoß entkoppelt ist. Die gute Nachricht: Er ist kein Traum, sondern in vielen Ländern bereits Realität. Beispiel USA: Dort hat sich das Bruttoinlandsprodukt real seit dem Jahr 1970 ver-3,7-facht, während die CO2-Emissionen...
Das Thema Nachhaltigkeit bewegt Unternehmen, Kapitalmärkte, Gesetzgeber. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die Analysen und Thesen der bedeutendsten Nachhaltigkeitsexperten, Top-Ökonomen und Großinvestoren – gebündelt und übersichtlich. Sie sollen dir die wichtigen Entwicklungen auf dem Weg zur nachhaltigen Gesellschaft und Finanzwelt clever und zuweilen kontrovers aufzeigen.
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Diesen Menschen Zugang zu sauber Energie zu verschaffen, wäre nicht nur ein wichtiger Schritt für die Gesundheit, sondern auch ein Beitrag gegen die Luftverschmutzung und für erhöhte Energieeffizienz – mit entsprechend verringertem Kohlendioxidausstoß. Kein Zweifel: Bevölkerungswachstum und der Kampf für bessere Lebensbedingungen erfordern Wirtschaftswachstum.
Die Lösung ist nicht der Degrowth-, sondern der Green-Growth-Ansatz, der vom Treibhausgasausstoß entkoppelt ist. Die gute Nachricht: Er ist kein Traum, sondern in vielen Ländern bereits Realität. Beispiel USA: Dort hat sich das Bruttoinlandsprodukt real seit dem Jahr 1970 ver-3,7-facht, während die CO2-Emissionen bis zur Jahrtausendwende um 0,4 Prozent gestiegen sind und seitdem sinken. Diese Entkoppelung muss konsequent fortgeführt werden, bis wir in der Netto-Null-Emissionswelt angekommen sind.
Wir haben also allen Grund, dem Klimawandel den Krieg zu erklären, aber ist Kriegswirtschaft – wie sie im Zweiten Weltkrieg Großbritannien gegen den Nationalsozialismus geholfen hat – die Lösung?
Im Kern ist die Kriegswirtschaft bestenfalls eine zentrale Plan- und Verwaltungswirtschaft, im schlechtesten Fall entartet sie in eine Diktatur, in der der Staat in alle Bereiche von Produktion und Konsum eingreift, also auch zuteilt, wie viel Auto gefahren werden darf und wie groß Wohnungen sein dürfen. Dabei wird alles dem CO2-Fußabdruck untergeordnet.
In diesem Modell gibt es ein immenses Wissens- und Anreizproblem. Wirtschaft ist nicht statisch. Sie lebt von Ideen und Innovationen. Hinzu kommt der Anreiz, mit verfügbaren Ressourcen möglichst effizient zu wirtschaften. Der Staat kann Verbote aussprechen, aber woher weiß er, welche Technologie morgen gewinnt? Ist das nicht Anmaßung von Herrschaftswissen? Und wie groß ist der Anreiz, möglichst effizient zu wirtschaften? Kein staatlicher Planer steht mit eigenem Vermögen im Risiko. Das alleinige Setzen auf den Staat ist somit ebenfalls nicht zielführend.
Die Umwelt braucht ein Preisschild
Wenn nun aber weder „weniger von allem“, noch „mehr Staat“ helfen, was hilft dann? Im Kern ist der Klimawandel auch ein ökonomisches Problem, das mit ökonomischen Mitteln beantwortet werden muss. Zum kleinen 1x1 der Wirtschaft gehört, dass alles seinen Preis haben muss, sonst ist die Produktion nicht effizient. Wenn Treibhausgase in die Luft entweichen und Schäden verursachen, müssen sie zu einem Kostenfaktor werden. Umweltverbrauch darf nicht kostenlos sein.
Genau hier setzen das European Trading Scheme (ETS) und unsere nationale Klimaabgabe an. Emissionsrechte haben einen Preis und sind über das ETS handelbar. Wer Emissionen spart, kann die Rechte verkaufen. Wer verbraucht, kann Rechte kaufen. Staat und Markt spielen dabei zusammen: Der Staat setzt den Rahmen, in dem er die Menge und den Pfad, auf dem Treibhausgas-Emissionen verringert werden, vorgibt.
Bis 2050 sollen die Treibhausgas-Emissionen in der Europäischen Union (EU) auf null sinken. Ihr Preis bildet sich über den Markt. Je mehr Emissionen, desto höher steigt der Preis und desto höher wird der Druck, klimaneutral zu produzieren. Die Emissionspreise fördern so Wettbewerb und Innovationen und Investitionen in klimaneutrale Technologien werden rentierlicher. Fehlt nur, dass alle Länder und Regionen mitmachen. Das ETS muss zum Klimaclub ausgebaut werden.
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