Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD enthält zahlreiche Vorhaben zur Altersvorsorge und zum Finanzsektor. Branchenverbände haben die Pläne mit gemischten Reaktionen aufgenommen – von vorsichtiger Zustimmung bis zu konkreter Kritik. Ein Überblick über die wichtigsten Positionen:

Frühstart-Rente stößt auf Zustimmung

Das neue Konzept einer kapitalgedeckten „Frühstart-Rente“, bei dem Kinder von sechs bis 17 Jahren zehn Euro pro Monat für den Aufbau einer Altersvorsorge erhalten sollen, findet bei den Verbänden grundsätzlich Anklang. Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) begrüßt das Vorhaben: „Mit der Frühstart-Rente werden junge Menschen an die Notwendigkeit der privaten Altersvorsorge herangeführt.“

Henriette Peucker, geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts (DAI), sieht das Konzept – ganz im Sinne ihrer Verbandsmitglieder – als „originellen Schritt zur Nutzung der Ertragsstärke von Aktien in der privaten Altersvorsorge“. Junge Menschen könnten so  „früh positive Erfahrungen mit dem Kapitalmarkt sammeln, von den Erträgen profitieren und langfristig Vermögen aufbauen“.

Auch Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des Bundesverband Finanzdienstleistung AfW, der vor allem die Maklerbranche vertritt, findet das Konzept grundsätzlich richtig. Er gibt aber zu bedenken: „Das ist ein richtiges Signal – auch wenn der Betrag eher symbolisch ist. Entscheidend wird sein, wie die konkrete Ausgestaltung erfolgt – insbesondere mit Blick auf die Auswahl der Produkte und deren Beratung.“

Beim Vermittlerverband Votum ist man skeptisch beim Blick auf den Zeitplan: „Ein Gesetzesentwurf liegt hierzu allerdings noch nicht vor, und das angestrebte Umsetzungsziel zum 01.01.26 erscheint daher etwas ambitioniert.“ 

Riester-Reform: Abschied von Garantien wird begrüßt

Die geplante Umgestaltung der Riester-Rente ohne Garantiezwang stößt auf Zustimmung, wenngleich der Koalitionsvertrag nähere Details offen lässt.

Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des Fondsverbands BVI, erklärt: „Es ist gut, dass die neue Regierung Riester-Produkte ohne Zwang zu Beitragsgarantien ermöglichen und die betriebliche Altersversorgung stärken will. Mehr Flexibilität und höhere Renditechancen machen die Altersvorsorge für die Bürger attraktiv und können somit zu einer größeren Verbreitung führen.“

Kritischer äußert sich der BVK. Verbandspräsident Heinz betont: „Skeptisch sind wir, wie die neue Koalition die Verwaltungs-, Produkt- und Abschlusskosten reformieren will. Dies darf nicht zu Lasten der Versicherungsvermittler gehen.“ Auch die Einführung eines Standard-Anlageprodukts, das der Koalitionsvertrag nennt, ohne nähere Angaben dazu zu machen, sieht man beim BVK kritisch. 

Beim Verband Votum begrüßt man grundsätzlich den Umbau der Riester-Rente und das noch nicht näher spezifizierte beitragsgarantiefreie Anlageprodukt. „Unklar bleibt, ob die Beschreibung der neuen Riester-Alternative als 'Anlageprodukt' bedeutet, dass auf die lebenslange Rentenzahlung verzichtet werden könnte – ein bisher zentraler Bestandteil der Riester-Rente“, so Votum. 

Umstrittene gesetzliche Rentenversicherung

Die Festlegung auf ein Rentenniveau von 48 Prozent bis 2031 stößt wiederum auf Kritik des AfW. Norman Wirth erklärt dazu: Diese Festlegung vermittele zwar auf den ersten Blick Sicherheit, „tatsächlich ist sie Ausdruck politischer Untätigkeit und folgt auch nicht dem dringenden Reformaufruf maßgeblicher Ökonomen noch in den letzten Tagen.“

Vor allem an den hohen Kosten stößt sich Wirth: „Wenn die entstehenden Mehrausgaben allein über Steuermittel ausgeglichen werden, droht die umlagefinanzierte Rente zur steuerfinanzierten Sozialleistung zu verkommen.“

Der Vermittlerverband Votum bedauert, dass die von Ex-Finanzminister Lindner ins Spiel gebrachte Aktienrente („Generationenkapital“) im neuen Koalitionsvertrag nicht aufgegriffen wird: „Das von der FDP unter Finanzminister Lindner einst vorgeschlagene Modell der Aktienrente wurde nicht weiterverfolgt, ein stärkerer Kapitaldeckungsanteil in der gesetzlichen Rente ist nicht vorgesehen.“ 

Betriebliche Altersvorsorge (bAV): Mehr Durchdringung gefordert

Die Pläne zur zweiten Säule der Altersvorsorge, der betrieblichen Vorsorge, bewerten die Verbände als überwiegend positiv, wenn auch als unkonkret.

Bernhard Gause, geschäftsführender Vorstand des Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM), mahnt: „Wichtig ist, dass die im Koalitionsvertrag angesprochenen Themen einer Verbreiterung der betrieblichen Altersversorgung und einer Reform der staatlich geförderten Altersvorsorge bald und nachhaltig in Angriff genommen werden.“

Der AfW kritisiert direkt die Vagheit der Ankündigungen: „Digitalisierung, Vereinfachung und Portabilität sind zwar sinnvolle Ziele, ersetzen aber keine konkrete Strategie zur Verbreitung der bAV in kleinen und mittleren Unternehmen.“ Mit Blick auf die vom AfW vertretene Klientel moniert der Verband: „Die wichtige Rolle unabhängiger Vermittlerinnen und Vermittler wird nicht erwähnt.“

Beratungsvergütung: Provisions- und Honorarberatung bleiben gleichberechtigt

Mit Erleichterung reagieren die Vermittlerverbände auf das Bekenntnis von CDU/CSU und SPD zum Nebeneinander von Provisions- und Honorarberatung. Der AfW hebt hervor: „Es ist ein starkes Signal, dass beide Vergütungsmodelle anerkannt werden. Entscheidend ist nun, dass daraus auch eine faire Regulierungspraxis folgt“. 

Der BVK nennt es eine der „für die Vermittlerbranche guten Vereinbarungen“. Auch bei Votum freut man sich: „Positiv hervorzuheben ist, dass die neue Regierung keine gravierenden Eingriffe in die Berufsausübung der Finanzberaterinnen und -berater plant.“ 

 

Pflicht-Elementarversicherung mit Ausstiegsoption

Der Koalitionsvertrag enthält ebenso Pläne zu einer quasi verpflichtenden Elementarschadenversicherung. Diese solle zu neu abzuschließenden wie auch bestehenden Wohngebäudeversicherungen hinzutreten, möglicherweise mit der Option eines Opt-out. Ebenso wollen Union und SPD eine staatliche Rückversicherung für Elementarschäden einführen.

Jörg Asmussen, Chef des Versichererverbands GDV,  spricht in dem Zusammenhang von einem „positiven Signal“. Es brauche einen „ganzheitlichen Ansatz mit wirksamer Prävention und einer engen Zusammenarbeit zwischen Staat und Versicherern“, bringt Asmussen seine Branche prominent ins Spiel. „Die Details einer Rückversicherungslösung wird man sich im Gesetzgebungsverfahren genau ansehen müssen.“

Auch Bernhard Gause vom BDVM spricht von „guten Signalen“. Gleichzeitig mahnt er zu einer schnellen Umsetzung: „Die Zeit drängt, sowohl bei der Verhinderung von Altersarmut als auch bei der weiteren Verbreitung der Absicherung gegen Naturgefahren.“ Man befürworte dabei die angedachte Opt-out-Option.

Der AfW bewertet die Einführung einer verpflichtenden Elementarschadenversicherung mit staatlicher Rückversicherung und Opt-out-Möglichkeit ebenfalls positiv: „Das ist ein ausgewogener Vorschlag, der den Versicherungsschutz gegen zunehmende Klimarisiken stärkt und gleichzeitig individuelle Spielräume wahrt.“

Kritischer sieht der BVK diesen Punkt: „Die Rückversicherbarkeit soll dabei durch eine staatliche Rückversicherung sichergestellt und die Versicherungsbedingungen weitgehend reguliert werden. Dies ist für uns ein Wermutstropfen.“

Kapitalmarkt und Deutschlandfonds

Der Koalitionsvertrag umreißt außerdem Pläne für einen sogenannten „Deutschlandfonds“: Die Koalitionspartner planen, einen Dachfonds einzurichten, der bei einer staatlichen Beigabe von 10 Milliarden Euro vor allem privates Kapital anziehen und hiesige Mittelstandsfirmen finanzieren soll. Die Investmententscheidungen würden „in einer unternehmerischen Governance getroffen", wobei der Fonds jedoch offenbar in staatlicher Hand geführt werden soll.

BVI und DAI sehen skeptisch auf dieses Vorhaben. So erklärt Thomas Richter, BVI: „Wir sehen es kritisch, dass der Staat mit dem Deutschlandfonds und den geplanten Fonds zur Förderung des Ausbaus von Infrastruktur, Wohnraum und Start-ups zur Sammelstelle von privatem Kapital werden möchte“. Richter befürchtet in dem Zusammenhang eine „planwirtschaftliche Verteilung“. 

Das DAI hingegen betont die Bedeutung eines funktionierenden Kapitalmarkts als Voraussetzung: „Nur ein funktionierender Kapitalmarkt kann ein relevanter Hebel für den geplanten Deutschlandfonds sein, nicht umgekehrt“, betont Henriette Peucker.