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Vermögensverwalter Markus Richert „Italien ist ein reiches Land mit einem armen Staat“

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Ab Ramschniveau drohen ernsthafte Probleme

Sollten allerdings alle vier großen Ratingagenturen Italiens Note auf Ramschniveau senken, hätte das Land ein extremes Problem. Spätestens dann dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) offiziell italienische Anleihen nicht mehr erwerben. Für konservative Anleger wären die Papiere dann tabu. Das träfe besonders den italienischen Bankensektor, da Italiens Geldhäuser besonders viele heimische Staatsanleihen in den Büchern haben.

Eine Insolvenz Italiens wäre dann durchaus möglich. Der Austritt aus der Union wäre die Folge, denn Italien ist zu groß um aufgefangen zu werden. Der Euro-Rettungsfonds wäre mit dem italienischen Schuldenberg heillos überfordert. Um nicht in den Abwärtssog hineinzugeraten, müsste sich die Eurozone von Italien abschotten. Im schlimmsten Fall drohen Italien dann Verhältnisse wie in Argentinien. Hyperinflation, Arbeitslosigkeit und Verarmung breiter Bevölkerungsschichten wären der Preis für die politische Realitätsverweigerung der derzeitigen Regierung.

In der Vergangenheit war die EU zu großzügig

Brüssel hat erst einmal den Haushaltentwurf der italienischen Regierung abgelehnt und hat eine Frist von drei Wochen eingeräumt, um die Haushaltspläne zu ändern. Es war ein historischer Moment. Zum ersten Mal überhaupt sah sich die Brüsseler Behörde zu diesem Schritt genötigt. Die Kommission hat dann abermals drei Wochen, um ihn zu prüfen. Kommt sie zu dem Ergebnis, dass der Haushalt immer noch gegen die EU-Regeln verstößt, kann sie ein Verfahren wegen einer signifikanten Abweichung eröffnen und Italien dazu verdonnern, 0,2 Prozent seiner Wirtschaftsleistung zurückzulegen.

Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz formulierte den Standpunkt der EU eindeutig: „Die Europäische Union ist eine Wirtschafts- und Wertegemeinschaft, und die funktioniert, weil es gemeinsame Regeln gibt, an die sich alle halten müssen.” In der Vergangenheit hatte man in der EU Kommission noch oft über die „kleinen Verfehlungen“ der Italiener hinweggeschaut. Man legte die Regeln in Bezug auf Italien häufig etwas freizügiger aus. Damit ist es jetzt offensichtlich vorbei. Denn die Situation hat das Zeug, die Stabilität der gesamten Eurozone zu gefährden.

„Reiches Land mit einem armen Staat“

Dass die EU im Zweifel Italien retten wird, gilt als unwahrscheinlich. Denn Italien ist ein reiches Land mit einem armen Staat. Während der Staat unter seiner hohen Verschuldung leidet, sind die italienischen Privathaushalte hoch vermögend. Die italienischen Privathaushalte verfügen über deutlich höhere Vermögen als Deutsche oder andere europäische Privathaushalte. Grundsätzlich wäre es ein leichtes für die italienischen Politiker über Steuern, zum Beispiel auf Vermögen, den eigenen Staat zu sanieren.

Natürlich nicht unter der derzeitigen populistischen Regierung. Aber Regierungen in Italien haben keine lange Halbwertzeit. Für das erste haben Italien und die EU wieder einmal etwas Zeit gewonnen. Eines steht jedoch fest, eine innige Liebesbeziehung wird das Verhältnis der EU zu Italien in den nächsten Jahren nicht werden.

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