Kommentar aus der Redaktion Kaufen Sie ruhig ETFs, das wird noch interessant
Wer denkt sich eigentlich immer diese beknackten Wörter aus? Jetzt ist es die „Betaisierung“, über die sich Teile der Fondsbranche neuerdings unterhalten. Wobei ich zunächst ein erleichterndes „f“ einfügen möchte, es heißt ja schließlich auch „elektrifizieren“ und nicht „elektriizieren“. Obwohl letzteres eindeutig lustiger aussieht.
Was steckt aber dahinter, wenn Märkte betafiziert werden? Darunter versteht man den Trend, dass derzeit Milliarden in Indexfonds, ETFs, fließen. Sie bilden Marktindizes ab, und die Rendite eines Marktes bezeichnet man im Fachjargon auch als Beta. Der unbestrittene Vorteil von ETFs: Sie sind billig, mitunter liegen ihre Verwaltungsgebühren knapp über dem Nullpunkt. Und sie versuchen gar nicht erst, den Markt zu schlagen, sie sind selbst der Markt. Aber sie sind eben nur passiv. Niemand schaut drauf, welche Werte ins Depot wandern. Sie kommen rein, weil sie in einem Index sind. Und in einen Index kommen sie, weil sie groß sind. Ist das die Grundlage für eine gute Geldanlage? Egal, Hauptsache billig.
Es ist schwierig, die Effekte der Betafizierung abzuschätzen. Versuchen wir es trotzdem. Zwei Dinge dürften passieren: Aufwärtstrends bei einzelnen Titeln halten aufgrund des Domino-Effekts länger an. Denn wenn ein Kurs steigt, wächst auch das Gewicht im Index, und die ETFs müssen nachkaufen und so weiter. Dasselbe gilt umgekehrt beim Weg nach unten. Und bewertungstechnisch dürfte sich eine Zweiklassengesellschaft – noch so ein tolles Wort – herausbilden. Indextitel sind dann grundsätzlich höher bewertet als andere. Schließlich liegt in ihnen viel mehr Geld.
Das heißt für Freunde aktiver Fonds, dass deren Fondsmanager ihre Schnäppchen jenseits von Dax und Co finden. Sie können aber auch etwas länger Schnäppchen bleiben. Die Musik spielt ja in den Indizes. Aktives Management wird zum Geduldsspiel. Als Trostpflaster gibt es aber auch eine deutlich höhere Dividendenrendite. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich mag Schnäppchen. Auf Billigkram stehe ich dagegen nicht so.
Noch ist die Erde nicht zweigeteilt. Die Dividendenrendite des Dax liegt bei 3,0 Prozent, die des allumfassenden Dax Composite bei nur 2,9 Prozent. Die Betafizierung braucht noch Zeit. Aber sie läuft.
Sie liefert für wirklich aktive Manager die ultimative Steilvorlage. Die müssen sie nur nutzen. Dafür brauchen sie eine eigene Meinung und den Mut, sich von Indizes fernzuhalten. Abzulesen ist das am Active Share, der misst, welcher Anteil des Portfolios außerhalb des Vergleichsindex angelegt ist. Wenn der Fondsmanager dann auch noch was draufhat, kann es richtig interessant werden.
Im normalen Leben steht „Betaisierung“ übrigens dafür, dass Männer ihre Männlichkeit verlieren. Aus Alpha-Männchen werden Beta-Lappen. Könnte sich die Fondsbranche vielleicht doch noch ein anderes Wort ausdenken? Bitte!
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