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Kommentar Ist die ultralockere Geldpolitik der EZB am Ende?

Thomas Heidel

Noch Anfang Juni hatte die Europäische Zentralbank nach der letzten Ratssitzung mitgeteilt, dass die Leitzinsen „für längere Zeit“ auf ihrem aktuellen Niveau bleiben werden. Die bisher im Ausblick enthaltene Option für weitere Zinssenkungen wurde aber gestrichen.

Auch sieht die EZB die Wachstumsrisiken für den Euro-Raum nicht mehr „abwärtsgerichtet“, sondern jetzt „weitgehend ausgeglichen“, wobei die verbesserten konjunkturellen Rahmenbedingungen stärker betont wurden, was als erstes Signal für eine bevorstehende Verringerung der extrem expansiven Geldpolitik gewertet werden könnte.

Signale für einen Einstieg in den Ausstieg?

Bei der Eröffnung der alljährlichen Notenbankkonferenz im portugiesischen Sintra zeigte sich der EZB-Chef Mario Draghi zuversichtlich für die Wachstumsaussichten der Wirtschaft im Euro-Raum. Auch äußerte er sich optimistisch über die Erreichung des Inflationsziels der Notenbank von knapp 2 Prozent.

Die gegenwärtig bremsenden Faktoren für einen höheren Inflationspfad sieht er als temporäre Belastung an. Die anhaltende Konjunkturerholung in Europa wird sich auf längere Sicht auch in einem Anstieg der Inflationsraten niederschlagen. Der oberste Währungshüter von Europa deutete erstmals seit Beginn der historischen Nullzins-Phase die Möglichkeit einer „graduellen Anpassung“ der Geldpolitik an. Allerdings müsste es eine ausreichend hohe Sicherheit für eine dauerhafte und selbsttragende Inforationsdynamik geben. In dem Zusammenhang wies er auf die Notwendigkeit einer „ausdauernden“ Geldpolitik hin.

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Weiterhin betonte er, dass eine „Normalisierung“ der Leitzinsen nur sehr langsam voranschreiten würde. Draghi signalisierte damit nur eine sehr vorsichtige Bereitschaft, das Ende der expansiven Geldpolitik und der Minus-Zinsen schrittweise einzuläuten. Sinnigerweise sprach Draghi selbst das Problem an, dass eine „hastige“ Kommunikation der EZB über die Möglichkeit der Beendigung der geldpolitischen Anreize über einen Anstieg der Anleiherenditen zu einer ungewollten Verschärfung der finanziellen Bedingungen führen könnte.

Devisen- und Aktienbörsen reagierten nervös

Die Finanzmärkte deuteten die Äußerungen Draghis als subtile Einstimmung der Märkte auf eine Verringerung der Anleihekäufe der EZB von derzeit 60 Milliarden Euro im Monat ab Januar 2018. Allein die Benutzung der Vokabeln „Normalisierung“ oder „graduelle Anpassung“ sorgte an den Märkten für Gedankenspiele über ein mögliches Ende der Geldschwemme und daher auch für eine gewisse Aufregung.

Investoren mögen nicht daran denken, dass die Zeiten des billigen Geldes durch die Notenbanken bald vorbei sein könnten, zumal die US-Notenbank-Chefiin, Janet Yellen, kurz zuvor bekräftigt hatte, dass die Fed an den Plänen über behutsame Zinserhöhungen, die sich nach der Entwicklung von Inflation und Wirtschaftswachstum richten, festhalten werde.

An den europäischen Aktien- und Anleihebörsen gaben die Kurse als Reaktion auf die Rede Draghis deutlich nach, während an den Devisenbörsen der Wechselkurs des Euro steil anzog.

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