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Kommentar zum Handelskonflikt Peking sitzt im „Driver’s Seat“

Seit einigen Wochen spekulieren die Marktteilnehmer auf eine Einigung im Handelskonflikt. Eine ermutigende Nachricht erreichte uns am 7. November: Beide Seiten hätten sich weitgehend auf die erste Phase eines Handelsabkommens verständigt. Diese Phase würde die Aufhebung mehrerer Sonderzölle umfassen.

Der Meldung, die um die Welt ging, widersprach US-Präsident Donald Trump jedoch umgehend: Er habe keiner Zollsenkung auf chinesische Importgüter zugestimmt. Die Märkte reagierten jedoch relativ ungerührt. Sie betrachten die angekündigte erste Phase eines Handelsabkommens als vollendete Tatsache. Das würde auch den Anstieg der Staatsanleiherenditen in den USA erklären – ebenso den Rückgang des Goldpreises und die Kursgewinne an den Aktienmärkten. Insbesondere japanische Aktien haben sich in den vergangenen Monaten sehr gut entwickelt.

Unter dem Strich ist eine erste Handelsvereinbarungsphase also noch keine ausgemachte Sache. Denn China könnte seine Zustimmung zu einer solchen Teilvereinbarung davon abhängig machen, ob die USA bestimmte bestehende Sonderzölle aufheben werden. Darauf dürften sich die Vereinigten Staaten jedoch schwerlich einlassen, da Phase eins noch nicht die Knackpunkte geistige Eigentumsrechte und Marktzugänge adressiert. Und die USA dürften vermutlich nicht davon begeistert sein, bereits in der ersten Phase erhebliche Zugeständnisse zu machen.

US-Landwirtschaft bleibt ein Streitpunkt

Da den USA daran gelegen ist, dass China den US-Farmern wieder ihre Erzeugnisse abkauft, könnte Washington indes nachgeben: Anders als erwartet, scheint China seine Agrarimporte aus den USA bisher nicht erneut ausgeweitet zu haben. Vermutlich liegt die Hauptursache im starken Rückgang der Zuchttierbestände in China, wo die Schweinepest umfassende Notschlachtungen erforderlich machte.

Agrarimporte gelten als eines der größten Druckmittel, die China im Handelsstreit mit den USA anwenden kann. Dass China die Ankäufe von Agrarprodukten aus den Vereinigten Staaten gedrosselt hat, haben die US-Landwirte schmerzhaft zu spüren bekommen.

Den US-Farmern weitere Einbußen zu ersparen, dürfte der Trump-Administration insbesondere im Vorfeld der 2020 anstehenden Präsidentschaftswahlen gelegen kommen. Sollten die USA China jedoch in Phase eins keine Zollerleichterungen verschaffen, dürfte Peking umgekehrt wenig Interesse an höheren Agrarimporten aus den USA haben.

China kann sich vorerst zurücklehnen

Nachdem sich die Wirtschaftsdaten aus China zuletzt stabilisiert haben, kann es sich die chinesische Seite – im Konflikt derzeit im „Drivers Seat“ – jetzt erlauben abzuwarten. Der Einkaufsmanagerindex Caixin China Composite PMI für Oktober ist mit 52 Punkten etwas höher ausgefallen als im September (51,9) und liegt damit weiterhin über der Expansionsschwelle von 50 Punkten. Die Zahlen zeigen: Obwohl der Handelskonflikt Spuren in der chinesischen Wirtschaft hinterlassen hat, scheinen die Auswirkungen inzwischen weniger gravierend zu sein.

So sind auch die chinesischen Exporte im Oktober mit einem Rückgang um 0,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr weniger stark gesunken als erwartet – und auch weniger deutlich als im September (minus 3,2 Prozent). Während die Exporte in die USA von Januar bis Oktober um 11,3 Prozent zurückgegangen sind, haben sich indes die Ausfuhren in die Europäische Union um 5,1 Prozent erhöht. Zudem sind die Exporte in südostasiatische Länder deutlich gestiegen – ein Umweg, über den die chinesischen Exporte doch noch in die USA gelangen können.

Den deutlichsten Beleg für die fundamentale Stärke der chinesischen Wirtschaft dürften die Einzelhandelsumsätze am „Singles‘ Day“ (11. November) liefern. Alibaba, die größte B2B-Handelsplattform der Welt, hatte das Pendant zum Valentinstag – im asiatischen Online-Handel eine 24-Stunden-Rabattschlacht – vor mehr als zehn Jahren ins Leben gerufen. Wie die South China Morning Post berichtet, gaben chinesische Konsumenten am diesjährigen Singles‘ Day insgesamt 268,4 Milliarden Yuan aus (38,4 Milliarden US-Dollar), ein neuer Rekord. Am Singles‘ Day 2018 setzten in China Online-Händler wie Alibaba und Tencent vergleichsweise geringere 30,8 Milliarden US-Dollar um. Diese Daten signalisieren, dass die chinesische Wirtschaft den Belastungen durch den Handelsstreit durchaus gewachsen ist. China zu Zugeständnissen zu bewegen, mit denen das Land sich nicht wohlfühlt, dürfte schwierig werden.

Möglicher Ausverkauf könnte Einstiegschancen eröffnen

Sollte es zu keiner ersten Phase einer Handelsvereinbarung zwischen den USA und China kommen, hätte dies Folgen für die Märkte: Kursverluste bei Risikoanlagen, etwa im Aktiensegment, könnten sich einstellen. Zudem drohen die Renditen für US-Staatsanleihen in einem derartigen Szenario weiter zu sinken; der Goldpreis dürfte hingegen steigen.

Auch wenn das Basisszenario weiterhin von einem Zustandekommen der ersten Phase einer Handelsvereinbarung ausgeht, nehmen die Risiken zu. Vordergründig steht die Gefahr einer zeitlichen Verschiebung eines Abkommens im Raum. Investoren sollten sich darauf einstellen. Und sie sollten sich nicht davon abschrecken lassen, dass sich die USA und China möglicherweise später oder gar nicht auf Phase eins einigen werden.

Da die akkommodierende Politik der Zentralbanken Risikoanlagen derzeit stützt, würde ein Ausverkauf an den Finanzmärkten vermutlich relativ moderat ausfallen und zeitlich begrenzt bleiben. Für Investoren mit einem längeren Anlagehorizont könnten sich selbst in einem solchen Fall chancenreiche Einstiegsmöglichkeiten ergeben.

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