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Kommentare zur EZB-Zinsentscheidung „Die EZB ist schon zu weit gegangen“

Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank Die Entscheidung der EZB, den Leitzins auf 0,15 Prozent abzusenken, vor allem aber der Beschluss für einen negativen Einlagezinssatz von minus 0,1 Prozent ist für den Euro-Raum völliges Neuland. Auch wenn sich die konkreten Auswirkungen für private Sparer stark in Grenzen halten werden, ist die Strategie der EZB aus mehreren Gründen kritisch zu sehen.

Zum einen nimmt die Niedrigzinspolitik immer extremere Formen an, obwohl schon die bisherigen Maßnahmen keinen wirklich durchgreifenden Erfolg zeigten. Eines ihrer wichtigsten Ziele, nämlich die Banken zu einer großzügigeren Kreditvergabe an die Wirtschaft zu bewegen, hat die EZB bislang nicht erreicht.

Zum anderen erreichen die europäischen Aktienmärkte – und insbesondere der Dax – befeuert durch die niedrigen Zinsen Woche für Woche neue Höchststände. Diese Entwicklung ist jedoch nicht durch die konjunkturelle Entwicklung in Europa unterlegt. Insbesondere für europäische Aktien sehe ich daher die Gefahr für eine Blasenbildung. Ähnliches gilt auch für die Rentenmärkte.

Last but not least existiert derzeit auch keine wirkliche Deflationsgefahr, die extreme Maßnahmen rechtfertigen würde. Wir befinden uns in einer Phase deutlich rückläufiger Inflationsraten, was positiv zu werten ist. Schließlich erhöht ein stabiles inländisches Preisniveau die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Genau das ist es, was gewünscht ist. Die heutige Entscheidung der EZB geht daher zu weit.

Allan Valentiner, Vorstand der AMF Capital

Wie erwartet hat die EZB heute ihren Leitzins von 0,25 auf 0,15 Prozent gesenkt. Gleichzeitig senkte sie den Einlagensatz von 0 auf -0,10 Prozent. Das bedeutet, dass Kreditinstitute von nun an Strafzinsen zahlen müssen, wenn sie ihre Gelder bei der EZB parken.

Während es zu erwarten ist, dass die Banken diese Kosten an ihre Kunden weitergeben und es somit für Anleger zunehmend schwierig wird auf ihr Kapital eine angemessene Verzinsung zu erhalten, stellt sich natürlich die Frage, weshalb die EZB zu diesen Maßnahmen greift. Zumal viele Analysten vermuten, dass niedrigere Zinsen nicht unbedingt zu höheren Verleihungen seitens der Banken führen werden.

Als Folge der Euro-Staatsschuldenkrise hat die EZB Ende 2011 und Anfang 2012 die Kapitalmärkte mit jeweils ungefähr 500 Milliarden Euro versorgt um die Kreditklemme zu bekämpfen. Damit wurden die Banken der Eurozone – und besonders die der Peripheriestaaten – mit ausreichender Liquidität versorgt, doch der Geldkreislauf unter den Kreditinstituten kam nur schleppend in Gang.

Hauptursache dafür war die Tatsache, dass die Banken sich gegenseitig nicht trauten und daher ihre überschüssige Liquidität lieber bei der EZB parkten, als sie anderen Banken über den Geldmarkt zu verleihen. Dieses Phänomen hält weiterhin an, obwohl sich die Bonität vieler Banken verbessert hat.

Es ist anzunehmen, dass der gegenwärtig vorgenommene Stresstest durch die EZB-Bankenprüfung ein Grund dafür ist. Dieser soll bis November abgeschlossen sein, wenn die EZB offiziell die Aufsichtsfunktion übernimmt.

Je weniger Risikokredite eine Bank auf dem Buch hat, umso besser besteht sie den Test. Daher ziehen Kreditinstitute noch immer vor, ihre Gelder bei der EZB zu parken oder Staatsanleihen zu kaufen, als sie an andere Banken zu verleihen. Durch negative Zinsen auf Einlagen will die EZB dieses unterbinden. Ob ihr das jedoch gelingt ist eher unwahrscheinlich.

Es ist damit zu rechnen, dass die EZB den Kapitalmarkt auch weiterhin mit ausreichender Liquidität versorgen wird. Doch diese Liquidität gepaart mit den ohnehin sehr niedrigen Zinsen hat dazu geführt, dass die Renditen an den Finanzmärkten drastisch gefallen sind und die Risikoaufschläge für Emittenten mit niedrigerer Bonität kräftig abgenommen haben. Nur wenn die EZB es schafft Unternehmen, die Probleme haben bei ihren Banken Kredite aufzunehmen, direkt oder indirekt mit Geld zu versorgen, wird sie ihr Ziel erreichen.

Für Anleger steigen mit dem heutigen Tag die Risiken noch weiter an. Einerseits erzielen die Anleger keine angemessene Rendite mehr, andererseits sind die Renditen auch von Emittenten mit schlechter Bonität fast genauso niedrig, wie diejenige von guter Bonität.

Auf mittlere Sicht führt das dazu, dass hier mit einer kräftigen Korrektur zu rechnen ist. Von daher gilt es, erstens auf Emittenten zu setzen, deren Bonität sich verbessern wird, und zweitens sollten Anleger bei Ihren Rentenengagements auf eine breite Diversifizierung setzen, um so Risiken zu senken.

Lesen Sie auf der nächsten Seite den Kommentar von Wolfgang Kuhn, Leiter Europäische Anleihen bei Aberdeen Asset Management
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